Wie der deutsche Menschenrechtler freikam
Peter Steudtner ist wieder zu Hause. Altkanzler Schröder hat Erdogan überzeugt. Was wird aus den anderen Gefangenen?
Der Menschenrechtler Peter Steudtner ist wieder in Deutschland. Am Mittwochabend hatte ihn die türkische Justiz nach mehr als 100 Tagen in Untersuchungshaft freigelassen. Die Türkei warf dem Berliner vor, Terroristen unterstützt zu haben. Beweise dafür gab es keine. Dass Steudtner schon am ersten Tag des Prozesses gegen ihn und andere Menschenrechtsaktivisten überraschend freikam, hat er auch Gerhard Schröder zu verdanken.
In der Stunde seines Triumphes hielt sich der Altkanzler, der sonst gerne das Scheinwerferlicht sucht, zurück. Nein, beschied sein Büro allen Anrufern, es werde keine Stellungnahme geben, welche Rolle er bei der überraschenden Wende gespielt habe. Dafür, dass Schröders Anteil trotzdem bekannt wurde, sorgten andere – allen voran Außenminister Sigmar Gabriel. Der Niedersachse, seit Jahrzehnten ein enger Vertrauter Schröders, bestätigte, dass er den Exkanzler gebeten habe, sich beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Steudtner und die anderen in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger einzusetzen.
Schröder kennt Erdogan aus seiner Kanzlerzeit und verfügt noch immer über gute Kontakte zu ihm. Der türkische Präsident wiederum lobte den 73-Jährigen immer wieder als „Freund der Türkei“und macht keinen Hehl daraus, dass er den Altkanzler für den einzigen deutschen Politiker hält, dem man noch vertrauen könne. Gabriel, der zu den schärfsten Kritikern Erdogans gehört, sich aber, wie es in Regierungskreisen heißt, hinter den Kulissen intensiv um eine Entschärfung des deutsch-türkischen Konflikts bemüht, machte sich nun diese Kontakte des Altkanzlers zunutze – ebenso wie Angela Merkel. Die Kanzlerin war in die Vermittlungsaktion eingeweiht und traf sich selbst mit ihrem Vorgänger. Schröder legte großen Wert darauf, als offizieller Beauftragter der Bundesregierung nach Ankara zu reisen, nicht als Privatmann, um in den Gesprächen mit Erdogan über die nötige Autorität zu verfügen.
Schon in der Woche nach der Bundestagswahl besuchte er Erdogan in Ankara. Der Präsident wollte keinen Einfluss auf das laufende Gerichtsverfahren nehmen. Wäre Steudtner verurteilt worden, hätte die türkische Regierung hinterher aber wohl von ihrem Recht Gebrauch gemacht, ihn auszuweisen oder gar zu begnadigen.
Entsprechend groß war gestern die Erleichterung, dass Steudtner nach Deutschland ausreisen durfte. Am Abend landete er in Berlin, wurde von der Öffentlichkeit allerdings abgeschirmt. Schon am Abend zuvor hatte er sich „erleichtert und dankbar“darüber geäußert, zu seiner Familie zurückkehren zu dürfen. Für die Bundesregierung ist das nur ein Schritt zu einer Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen. „Es ist ein erstes Zeichen der Entspannung, denn die türkische Regierung hat alle Zusagen eingehalten“, sagt Gabriel. „Nun müssen wir weiter an der Freilassung der anderen Inhaftierten arbeiten.“Der Welt-Journalist Deniz Yücel, die Ulmer Übersetzerin Mesale Tolu und andere sitzen noch immer hinter Gittern. Wie es mit ihnen weitergeht, ist unklar. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, es sei verfrüht, bereits von einer Normalisierung im Verhältnis zur Türkei zu sprechen.
Im erklärt Winfried Züfle die Folgen der Wende im Fall Steudtner. Susanne Güsten erzählt in der wie Erdogan sogar sein eigenes Land überraschte.
Die europäischen Notenbanker wollen die Märkte nicht mehr so exzessiv wie bisher mit Geld überschwemmen. Das ist eine der beiden Botschaften der gestrigen Sitzung der Europäischen Zentralbank. Während die Währungshüter den Leitzins erwartungsgemäß auf dem Rekordtief von null Prozent belassen haben, kaufen sie ab Januar 2018 monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von „nur“noch 30 statt bisher 60 Milliarden Euro. Dadurch sollen Schuldenländer gestützt werden.
Die zweite Botschaft der EZBSitzung ist besonders interessant: Zwar kauft die Notenbank nicht mehr so exzessiv Staatsanleihen, sie wird diese gerade aus Deutschland heftig kritisierte Politik aber länger als geplant, also bis mindestens Ende September 2018, fortsetzen.
Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise kritisierte die Verlängerung des Programms im Gespräch mit unserer Zeitung. Der gebürtige Memminger geht davon aus, dass wegen der Verringerung des Anleihenkaufprogramms Immobilienkredite etwas teurer werden. Noch sieht er aber keine Zinswende. So würden die Sparzinsen bis auf Weiteres auf niedrigem Niveau verbleiben. Welche langfristigen Folgen die EZB-Entscheidung hat, lesen Sie im und in der