Individuell über den Tod hinaus
Urne statt Sarg, Ruheforst statt Gottesacker: Die meisten Verstorbenen werden inzwischen eingeäschert. Doch auch andere Veränderungen kann man auf dem Friedhof erkennen
Wo geht der Mensch hin, wenn er stirbt? Diese theologische Frage lässt sich weniger leicht beantworten als die, was mit den sterblichen Überresten geschieht: Sie kommen unter die Erde – oder doch eher in eine Urnenwand? Die klassische Bestattung jedenfalls wünschen sich immer weniger Menschen, obwohl nicht immer ganz klar ist, was sie wollen, denn viele treffen zu Lebzeiten keine Festlegung. Die meisten Menschen setzen sich mit dem Thema Tod erst bei schwerer Krankheit oder in hohem Alter auseinander. Zeitlebens ist das Leben einem doch näher.
Nicht bei Ariane Varga. Sie arbeitet bei einem Neu-Ulmer Bestattungsdienst. Jeden Tag hat sie es mit dem Tod zu tun. Doch: „Das wird nie Alltag.“Denn jeder Mensch ist anders und will deshalb genauso individuell von der Erde gehen, wie er auf sie gekommen ist. Friedhöfe, Erdbestattungen und christliche Symbolik – das verschwindet immer mehr, wie Ariane Varga sagt. „Die Leute wollen weg aus dem Friedhof“, sagt die Bestattungs-Beraterin. „Sie wollen sich keine Normen mehr aufzwingen lassen.“
Abgesehen davon macht die Globalisierung nicht mal vor dem Grabstein halt: Die Angehörigen arbeiten in anderen Städten, leben im Ausland – und wollen kein Grab pflegen. Daher entscheiden sich immer mehr Menschen für eine Einäscherung – ob für sich selber oder die Hinterbliebenen. „Mehr als die Hälfte, die zu uns kommt, will eine Feuerbestattung“, bestätigt Varga.
Doch auch sonst geht der Trend weg vom Friedhof – hin zur Natur. Insbesondere Baumbestattungen sind im Kommen. In Weidenstetten auf der Schwäbischen Alb etwa können Freunde der Natur ihre Begräbnisstätte in einem sogenannten Ruheforst finden. Inmitten von Wald kann der Verstorbene an einem bestimmten Baum beigesetzt werden. Auf immer mehr Friedhöfen gibt es Bereiche mit Begräbnisbäumen. Die Asche des Toten wird in einer biologisch abbaubaren Urne zwischen ihren Wurzeln versenkt. Umweltverträglichkeit ist ein Aspekt, der bei der Bestattung wichtiger wird, wie Varga beteuert. So seien bei den Urnen vor allem solche aus Naturfaser gefragt: „Diese zerfallen komplett und schneller.“
Nicht nur die Bestattungsarten sind im Wandel, selbst Grabsteine sind Moden unterworfen. Peter Berschin arbeitet seit 36 Jahren als Steinmetz in Weißenhorn. Waren früher Madonnen, Kreuze oder betende Hände beliebt, gehe der Trend nun weg von christlichen Symbolen. „Glas ist eine Alternative dazu“, sagt Berschin. Ob als Regenbogen, Sonne oder als Bindungselement zwischen zwei Steinen – das transparente Material bringt Farbe und Leichtigkeit auf das Grab. „Der Stein ist schwer und dunkel. Mit Glas schafft man Licht und Glanz“, sagt der Steinmetz.
Allerheiligen ist für ihn stets ein „Großkampftag“. In den Wochen vor dem 1. November wollen viele noch die Gräber ihrer Angehörigen herrichten: Schriften müssen nachgezogen werden, Einfassungen erneuert oder Grabsteine aufgestellt werden. „Das ist wie im Einzelhandel vor Weihnachten“, sagt Berschin. Je nach Witterung wird es für den Steinmetz im Oktober stressig. „Wenn es regnet, können wir viele Arbeiten nicht erledigen.“Doch dank der sonnigen und trockenen Tage in den vergangenen Wochen konnte er heuer alle Aufträge fristgerecht erledigen.
Einen Grabstein vor dem eigenen Tod aussuchen und einlagern – das machen die wenigsten. Meist müssen die Angehörigen entscheiden, wie die letzte Ruhestätte aussehen soll. „Es ist kein tolles Thema, über Tod zu reden“, sagt Berschin, „aber es entlastet die Hinterbliebenen, wenn man sich seinen eigenen Grabstein aussucht.“
Ariane Varga sieht das ähnlich. Ob Feuer- oder Erdbestattung, das wird oftmals zu einem Diskussionspunkt bei den Angehörigen. „Es ist sowieso schon ein seelischer Ausnahmezustand, da muss man es seinen Verwandten nicht noch schwerer machen.“Auch wenn der Mensch nicht weiß, wo es für ihn nach dem Tod hingeht – so sollte er es zumindest für das irdische Ende wissen. Wann es genau passiert ist, kann keiner sagen: Irgendwann in der vergangenen Woche haben Diebe im Waldstück „Königsschlag“bei Reutti von einem Lagerplatz zwei Ster Brennholz gestohlen. Die Polizei geht nach Lage der Spuren davon aus, dass die Beute von einem Auto mit Anhänger abtransportiert worden ist. (az)