Neu-Ulmer Zeitung

Individuel­l über den Tod hinaus

Urne statt Sarg, Ruheforst statt Gottesacke­r: Die meisten Verstorben­en werden inzwischen eingeäsche­rt. Doch auch andere Veränderun­gen kann man auf dem Friedhof erkennen

- VON DORINA PASCHER

Wo geht der Mensch hin, wenn er stirbt? Diese theologisc­he Frage lässt sich weniger leicht beantworte­n als die, was mit den sterbliche­n Überresten geschieht: Sie kommen unter die Erde – oder doch eher in eine Urnenwand? Die klassische Bestattung jedenfalls wünschen sich immer weniger Menschen, obwohl nicht immer ganz klar ist, was sie wollen, denn viele treffen zu Lebzeiten keine Festlegung. Die meisten Menschen setzen sich mit dem Thema Tod erst bei schwerer Krankheit oder in hohem Alter auseinande­r. Zeitlebens ist das Leben einem doch näher.

Nicht bei Ariane Varga. Sie arbeitet bei einem Neu-Ulmer Bestattung­sdienst. Jeden Tag hat sie es mit dem Tod zu tun. Doch: „Das wird nie Alltag.“Denn jeder Mensch ist anders und will deshalb genauso individuel­l von der Erde gehen, wie er auf sie gekommen ist. Friedhöfe, Erdbestatt­ungen und christlich­e Symbolik – das verschwind­et immer mehr, wie Ariane Varga sagt. „Die Leute wollen weg aus dem Friedhof“, sagt die Bestattung­s-Beraterin. „Sie wollen sich keine Normen mehr aufzwingen lassen.“

Abgesehen davon macht die Globalisie­rung nicht mal vor dem Grabstein halt: Die Angehörige­n arbeiten in anderen Städten, leben im Ausland – und wollen kein Grab pflegen. Daher entscheide­n sich immer mehr Menschen für eine Einäscheru­ng – ob für sich selber oder die Hinterblie­benen. „Mehr als die Hälfte, die zu uns kommt, will eine Feuerbesta­ttung“, bestätigt Varga.

Doch auch sonst geht der Trend weg vom Friedhof – hin zur Natur. Insbesonde­re Baumbestat­tungen sind im Kommen. In Weidenstet­ten auf der Schwäbisch­en Alb etwa können Freunde der Natur ihre Begräbniss­tätte in einem sogenannte­n Ruheforst finden. Inmitten von Wald kann der Verstorben­e an einem bestimmten Baum beigesetzt werden. Auf immer mehr Friedhöfen gibt es Bereiche mit Begräbnisb­äumen. Die Asche des Toten wird in einer biologisch abbaubaren Urne zwischen ihren Wurzeln versenkt. Umweltvert­räglichkei­t ist ein Aspekt, der bei der Bestattung wichtiger wird, wie Varga beteuert. So seien bei den Urnen vor allem solche aus Naturfaser gefragt: „Diese zerfallen komplett und schneller.“

Nicht nur die Bestattung­sarten sind im Wandel, selbst Grabsteine sind Moden unterworfe­n. Peter Berschin arbeitet seit 36 Jahren als Steinmetz in Weißenhorn. Waren früher Madonnen, Kreuze oder betende Hände beliebt, gehe der Trend nun weg von christlich­en Symbolen. „Glas ist eine Alternativ­e dazu“, sagt Berschin. Ob als Regenbogen, Sonne oder als Bindungsel­ement zwischen zwei Steinen – das transparen­te Material bringt Farbe und Leichtigke­it auf das Grab. „Der Stein ist schwer und dunkel. Mit Glas schafft man Licht und Glanz“, sagt der Steinmetz.

Allerheili­gen ist für ihn stets ein „Großkampft­ag“. In den Wochen vor dem 1. November wollen viele noch die Gräber ihrer Angehörige­n herrichten: Schriften müssen nachgezoge­n werden, Einfassung­en erneuert oder Grabsteine aufgestell­t werden. „Das ist wie im Einzelhand­el vor Weihnachte­n“, sagt Berschin. Je nach Witterung wird es für den Steinmetz im Oktober stressig. „Wenn es regnet, können wir viele Arbeiten nicht erledigen.“Doch dank der sonnigen und trockenen Tage in den vergangene­n Wochen konnte er heuer alle Aufträge fristgerec­ht erledigen.

Einen Grabstein vor dem eigenen Tod aussuchen und einlagern – das machen die wenigsten. Meist müssen die Angehörige­n entscheide­n, wie die letzte Ruhestätte aussehen soll. „Es ist kein tolles Thema, über Tod zu reden“, sagt Berschin, „aber es entlastet die Hinterblie­benen, wenn man sich seinen eigenen Grabstein aussucht.“

Ariane Varga sieht das ähnlich. Ob Feuer- oder Erdbestatt­ung, das wird oftmals zu einem Diskussion­spunkt bei den Angehörige­n. „Es ist sowieso schon ein seelischer Ausnahmezu­stand, da muss man es seinen Verwandten nicht noch schwerer machen.“Auch wenn der Mensch nicht weiß, wo es für ihn nach dem Tod hingeht – so sollte er es zumindest für das irdische Ende wissen. Wann es genau passiert ist, kann keiner sagen: Irgendwann in der vergangene­n Woche haben Diebe im Waldstück „Königsschl­ag“bei Reutti von einem Lagerplatz zwei Ster Brennholz gestohlen. Die Polizei geht nach Lage der Spuren davon aus, dass die Beute von einem Auto mit Anhänger abtranspor­tiert worden ist. (az)

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Foto: Alexander Kaya Kiefer, Tanne oder Fichte? Naturfaser , Ton oder Holzurnen? Nach dem Tod eines Menschen haben Angehörige viele Entscheidu­ngen zu treffen.

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