Die Betroffene spielt den Fall herunter
Twitter zum Thema Rücktritt schreibt: „Ich bezweifle, dass mein Knie der Grund war.“
Womit sich allmählich der ganze Ernst der Lage erschließt. Denn was die Journalistin andeutet und inzwischen von vielen Seiten zu hören ist: Es müssen andere Gründe hinter der Entscheidung stecken. Andere Gründe bedeutet: andere Fälle. Es heißt, Fallon habe seiner Regierungschefin nicht garantieren können, dass keine weiteren Vorwürfe bekannt werden.
Tatsächlich berichten Medien, dass er vor drei Jahren eine andere Journalistin in einer Bar als „Schlampe“bezeichnet haben soll. Überhaupt falle der Mann unter Alkoholeinfluss hin und wieder aus der Rolle, heißt es bei der BBC.
Und das ist noch lange nicht alles. Ist der Fall Michael Fallon etwa die berühmte Spitze des Eisbergs? Vieles spricht dafür. Denn der Skandal hat das ganze Londoner Parlament erfasst. Und ein einziger Mann ist für die Lawine an Enthüllungen verantwortlich: Harvey Weinstein.
Es ist gerade einmal vier Wochen her, dass zwei Journalistinnen der New York Times über massive Anschuldigungen von Schauspielerinnen gegen den Film-Produzenten schreiben, der über Jahrzehnte hinweg einer der einflussreichsten Hollywood-Größen war. Die Vorwürfe häufen sich schnell. Sie kommen selbst von Stars wie Angelina Jolie oder Gwyneth Paltrow, sie reichen von anzüglichen Bemerkungen und Grapschereien bis hin zur Vergewaltigung. Weinstein bestreitet das alles, die Annäherungen seien „einvernehmlich“erfolgt. Aber er kann nicht verhindern, dass ganz Amerika über ihn spricht. Und über Sexismus in der Gesellschaft an sich.
Dann wird das Ganze noch größer. Die Welle schwappt nach Europa. In der deutschen Filmbranche bleibt das Echo zwar vergleichsweise gering; nur einzelne Schauspielerinnen trauen sich, offen darüber zu reden. Doch die Medien diskutieren intensiv über das Geschlechterverhältnis in dieser Zeit, über die Macht der Männer, über Hierarchien in Unternehmen, den Stellenwert von Sex. Experten melden sich zu Wort wie Professor Katja Sabisch von der Ruhr-Universität in Bochum, die darüber spricht, wie normal es noch immer sei, dass viele junge Mädchen denken: Ich muss mich immer ansprechen lassen. Oder: Das ist okay, wenn der mich so anguckt. Die Wochenzeitung Zeit schreibt: „Vielleicht braucht es einen Skandal wie den um Harvey Weinstein, damit Männer in Machtpositionen verstehen, was sie ihren Mitarbeiterinnen zumuten, wenn sie ihnen vermeintlich harmlose Avancen machen.“
Und plötzlich wird das Thema hochpolitisch. Mitarbeiterinnen aus dem europäischen Parlament beispielsweise beschuldigen mehrere Abgeordnete, sie sexuell bedrängt oder begrapscht zu haben. Es gibt eine Sondersitzung im Plenum, bei der männliche Parlamentarier im ohnehin spärlich besetzten Saal kaum zu sehen sind. Während dort der Aufschrei schnell verhallt, platzt in Großbritannien eine Bombe.
Unter Mitarbeitern der konservativen Fraktion des Unterhauses zirkuliert Medien zufolge eine Liste mit etwa 40 Abgeordneten, denen „unangemessenes Verhalten“vorgeworfen wird. Auf der Liste stehen demnach auch Regierungsmitglieder – darunter Michael Fallon. Dessen Rücktritt erhöht nun erheblich den Druck auf Mays Kabinettschef Damian Green. Er soll einer Journalistin während eines Pub-Besuchs ans Knie gefasst und später eine an-