Wie sich Trump vergaloppiert
Erst will er den Attentäter von New York in Guantanamo einsperren, dann fordert er sogar die Todesstrafe. Juristen stehen die Haare zu Berge
Irgendjemand muss Donald Trump gesteckt haben, dass das nicht so einfach ist mit Guantanamo. Noch am Mittwoch wollte er den Attentäter, der mit seinem Pick-up in New York acht Menschen in den Tod gefahren hat, in das berüchtigte Straflager für Terrorverdächtige auf Kuba stecken. Über Nacht fiel dem Präsidenten dann ein anderer Weg ein, wie er sich als Chef der Exekutive mal eben über das Prinzip der Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit gleichermaßen hinwegsetzen konnte: Er forderte die Todesstrafe, wohl auch, um die große HaudraufFraktion in seiner Wählerschaft zu erfreuen.
Beides lässt Juristen in den USA die Haare zu Berge stehen. Schon Minuten, nachdem Trump am Mittwoch gesagt hatte, eine Überstellung nach Guantanamo werde er sicherlich in Erwägung ziehen, fingen in den Hinterzimmern des Weißen Hauses seine Helfer an zurückzurudern. Es sei „nur eine Option“gewesen, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
Die das sagten, wussten, auf welch buchstäblich vermintes Gebiet sich der Präsident – wissentlich oder blauäugig – gerade begeben hatte. Das rechtliche Fundament für Guantanamo, nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 eingerichtet, steht nämlich bis heute nicht. Und noch nie haben die USA einen Straftäter oder Verdächtigen nach Guantanamo geschickt, der eine Straftat auf US-Boden verübt hat. Lediglich einmal wurde ein Mann dorthin geschickt, der zwar woanders ein Verbrechen verübt hatte, aber in den USA festgenommen wurde. Bis heute steht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Washington aus, ob dies rechtmäßig war.
Trump machte verbal noch in der Nacht auf dem Absatz kehrt und befand, es sei ja viel besser, den Attentäter – „dieses Tier“, wie er ihn nannte – dort zu verurteilen, wo er die schlimme Tat begangen hatte – eine Idee, die sein Vorgänger Barack Obama einst für den 9/11-Drahtzie- ßerungen des Präsidenten und Oberbefehlshabers der US-Armee inzwischen als Argument, dass ihrem Mandanten ein faires Verfahren verweigert wird.
Bestenfalls sind Trumps missglückte Äußerungen als Versuch zu werten, den Abschreckungsdruck auf Terroristen zu erhöhen. Justizminister Jeff Sessions machte am Donnerstag deutlich, dass die USA gewillt sind, alle rechtlich verfügbaren Schritte zu gehen, um die volle Härte des gesetzlich Machbaren gegen Terroristen auszuschöpfen. Wenn jemand daran Zweifel habe, solle er die über 500 Kriminellen fragen, die seit dem 11. September 2001 verurteilt wurden, und die mehrere Dutzend feindlichen Kämpfer, die in Guantanamo Bay sitzen, sagte Sessions.
Der republikanische Senator Lindsey Graham warf Trump sogar vor, zu schwach reagiert zu haben. Der Attentäter von New York hätte zunächst bis zu 30 Tage ohne Anwalt verhört werden müssen, um wichtige Informationen aus ihm herauszupressen.
Trump ging es wohl um Bestrafung – und um den Applaus seiner Anhängerschaft. „Gott sei dank hat das Justizministerium, wie auch das Pentagon, gelernt, Trump zu ignorieren“, schrieb die Washington Post- Kommentatorin Jennifer Rubin. Die Justiz in New York schreitet mit dem Verfahren gegen den mutmaßlichen Terroristen längst in geordneter Form voran.