Im Auftrag für das „Führermuseum“
schieht? Greift Bern dennoch zu; oder nicht?
Jedenfalls gibt es in der Bonner Bundeskunsthalle in der Schau „Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NSRaub und die Folgen“viel, viel mehr Anlass als sonst, neben den ausgestellten Arbeiten die Erläuterungstafeln mit ihren Provenienzvermerken zu studieren. Sorgsam wird unterschieden zwischen „Pro- venienz in Abklärung“und der nämlichen Angabe mit dem Zusatz „aktuell kein Raubkunstverdacht“. Das klingt spannungsvoll – aber reihenweise entdeckt man dann Werke, bei denen es lapidar und dünn nur heißt: „spätestens ab 2012“im Besitz Cornelius Gurlitts. So bei frühen Grafiken und Zeichnungen von Heckel, Schmidt-Rottluff, Grosz.
Entscheidend freilich sind die Jahre 1933 bis 1945, worum es hier ja gehen soll. Wie viel hat Vater Hildebrand Gurlitt – ohne, dass es direkt Raubkunst wäre – unlauter und zu einem Spottpreis erworben, weil die jüdischen Eigentümer „Judenvermögensabgabe“zahlen mussten oder „Reichsfluchtsteuer“, um ihr nacktes Leben zu retten? Ähnliches betrifft auch die besetzten Niederlande und Frankreich, wo Hildebrand Gurlitt – übrigens im Gleichschritt mit dem aus Augsburg stam- menden Händler Karl Haberstock – für den NS-Sonderauftrag „Linzer Führermuseum“300 Werke im Geschmack Hitlers für sage und schreibe 9,8 Millionen Reichsmark einkaufte. Wobei er, davon ist auszugehen, die eine oder andere Trouvaille auch für sich behielt.
Davon ist auszugehen… – diese drei Worte stellen sich immer wieder gedanklich ein in der Bonner Schau mit ihren vielen klassischen, bürgerlichen Dekorationsgemälden zwischen Gotik (darunter der Memminger Meister Bernhard Strigl) und Klassischer Moderne (darunter Max Beckmann mit einer durchkomponierten Strandcafé-Szene von 1934). Hier wird – mit wenigen Beweisen – ein großer Indizien-Prozess gegen Hildebrand Gurlitt erfolgreich geführt, auch wenn die kapitale „Waterloo-Brücke“von Monet aus altem Familienbesitz stammt. Nachweisbar jedenfalls anhand von Dokumenten bleibt, dass Hildebrand Gurlitt dem jüdischen Leipziger Musikverleger Henri Hinrichsen (Verlag C. F. Peters) vor dessen Emigration nach Belgien mit nachfolgender Deportation nach Auschwitz die Spitzweg-Zeichnung jedenfalls konnte sich früh schon durch Lügen, Geschenke und Verweis auf seine Vorkriegsverdienste gegenüber den Amerikanern als unschuldig verkaufen.
Rund 250 Werke in fünf Abteilungen, die die Biografie Hildebrand Gurlitts mit der Zeitgeschichte verknüpfen, zeigt die Bonner Schau – unter instruktiven Erläuterungen zu den systematischen Kunsthandelsmachenschaften der Nazis – mit Schwerpunkt auf die zusammengeraffte französische Kunst (Courbet, Corot, Manet). Die verzweigte kunstsinnige Gurlitt-Familie erhält dabei ungleich höheres Gewicht gegenüber den potenziellen oder tatsächlichen Opfern des NS-Kunsthändlers, die karg nur in Fallbeispielen abgehandelt sind. OBis
Geöffnet Di, Mi 10 bis 21 Uhr, Do bis So 10 bis 19 Uhr