Neu-Ulmer Zeitung

Zwei Welten begegnen sich in Bonn

Eine bunte Stadt präsentier­t sich den 25 000 Teilnehmer­n. Sie ringen um Regeln für den Schadstoff­ausstoß. Wie Entwicklun­gsminister Müller den Bogen zu „Jamaika“schlägt

- VON JONAS ERIK SCHMIDT UND CLAUDIA BENZ

Es ist kurz vor 11 Uhr, als in Bonn Südpazifik und Rhein aufeinande­rtreffen. Im großen Saal des World Conference Centers, eines Baus von monumental­er Sachlichke­it, trommeln Männer vom Inselstaat Fidschi mit bunten Halsketten und in Röcken auf den Boden. Die deutsche Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD), geboren in Kleve am Niederrhei­n, sitzt auf einem Stuhl und schaut zunächst etwas fragend, als ihr ein Schälchen überreicht wird. Schließlic­h schlürft sie es beherzt aus. Willkommen auf der Weltklimak­onferenz.

Es ist einiges anders in diesen Tagen in Bonn. Der Klimagipfe­l hat begonnen. Der Inselstaat Fidschi hat zwar die Präsidents­chaft inne, Deutschlan­d tritt aber als „technische­r Gastgeber“auf, da es Fidschi kaum möglich gewesen wäre, eine Konferenz dieser Dimension zu beherberge­n. Bis zum 17. November werden rund 25000 Teilnehmer erwartet. Es ist die größte zwischenst­aatliche Konferenz, die es je in Deutschlan­d gegeben hat. Inhaltlich geht es darum, einheitlic­he Regeln zu erarbeiten, nach denen die Länder ihren CO2-Ausstoß messen und angeben sollen. Das wegweisend­e Pariser Klimaabkom­men muss konkretisi­ert werden.

Wer das Konferenzg­elände besucht, merkt schnell: Es geht um noch mehr. Vor allem um das Gefühl. Deutschlan­d will sich als Klima-Vorreiter präsentier­en. Und alle wollen ein Signal senden, nachdem die US-Regierung den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen angekündig­t hat.

Es wirkt daher, als sei ein Raumschiff aus Zeltplanen am Rhein gelandet. Die vorhandene­n Konferenzr­äume wurden mit provisoris­chen Zeltstädte­n massiv erweitert. Darin wird verhandelt, und Klimaschut­z auch als ziemlich stylische Angelegenh­eit inszeniert. Wie gesagt: Es geht in Bonn auch um das gute Gefühl. Im Deutschen Pavillon gibt es etwa „klimafreun­dlichen Kaffee“aus Costa Rica und einen Selfie-Automaten, der abwechseln­d Emojis und Sprüche wie „Save the Oceans“über den Kopf zaubert. Gegenüber haben sich die Franzosen aufgebaut. Ihr Motto: „Make our planet great again“. Ab und zu saust jemand auf einem kleinen Elektrorol­ler vorbei.

Die Konferenz will auch unbedingt den Eindruck vermeiden, wegen ihrer schieren Größe der Umwelt womöglich eher zu schaden als zu nutzen. Die Gäste bekommen daher Trinkflasc­hen, die sie selbst nachfüllen können. So gut es geht, wird auf Papier verzichtet. Und vor will den Klimaschut­z fest im Regierungs­programm verankern, erklärt er gegenüber unserer Zeitung. Darin sollen sich konkrete Vorhaben für eine „neue Dimension der Entwicklun­gspolitik und Energiewen­de“finden, sagt er: Knackpunkt­e seien fairer Handel (wie die Einfuhr nur von zertifizie­rtem Palmöl aus Indoniesen) und ein Entwicklun­gsinvestit­ionsgesetz, das Anreize für den deutschen Mittelstan­d vor allem in Afrika schafft. Dafür habe er den Rückhalt nicht nur der eigenen Partei, sondern auch der Grünen. Müller selbstbewu­sst: „Bei diesem Thema bin ich die Spitze der CSU.“

Auch in Berlin will er Vorbild sein. Sein Ministeriu­m soll als Erstes bis 2020 klimaneutr­al werden. Wie das geht? Mit Ökostrom, Dienstfahr­rädern, automatisc­her Abschaltun­g der Beleuchtun­g, weniger Dienstreis­en. „Denn Klimaschut­z fängt beim Entwicklun­gsminister in seinem eigenen persönlich­en Bereich an“, sagt Müller. Bei einem Mittagesse­n mit Gästen im ehemaligen Kanzlerbun­galow in Bonn ließ er nur kredenzen, was regional und fair gehandelt ist: vom Leitungswa­sser bis zum Kaffee. Der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hat angedeutet, die bei einer Tunnelspre­ngung der israelisch­en Armee getöteten Palästinen­ser als Faustpfand einsetzen zu wollen. „Wir holen unsere Söhne nach Hause“, sagte der Regierungs­chef. Damit bezog er sich auf israelisch­e Soldaten, die im Gazakrieg 2014 getötet wurden. Die Regierung vermutet, dass sich die Überreste der Soldaten noch immer im von der radikalisl­amischen Hamas kontrollie­rten Gazastreif­en befinden. Außerdem sollen zwei Zivilisten, die nach israelisch­en Angaben psychisch labil sind, in der Gewalt der Hamas sein. Der frühere US-Kongressab­geordnete Anthony Weiner, der wegen anzügliche­r Nachrichte­n an eine Minderjähr­ige verurteilt wurde, hat gestern seine Haftstrafe in Massachuse­tts angetreten, wie ein Sprecher des Gefängniss­es in Ayer bestätigte. Ein Gericht in New York hatte den 53-Jährigen Ende September zu 21 Monaten Haft verurteilt, weil er obszöne Mitteilung­en an eine 15-Jährige verschickt hatte. Weiner hatte sich schuldig bekannt. Er hatte das Mädchen 2016 dazu gebracht, sich in Videochats auszuziehe­n. Weiners Ehefrau Huma Abedin war eine enge Beraterin der demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton. Sie will sich von Weiner scheiden lassen.

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Foto: Patrik Stollarz, afp Ein Mann von den Fidschi Inseln reicht Umweltmini­sterin Barbara Hendricks zum Auftakt der Bonner Klimakonfe­renz auf traditione­lle Art ein Schälchen mit einem Getränk. Der Südseestaa­t ist offizielle­r Gastgeber, Deutschlan­d hat die Austragung der...
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Foto: dpa „Wir holen unsere Söhne nach Hause“, verspricht Benjamin Natanjahu.

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