Brisantes Steuer Material belastet auch Deutsche
Journalisten bekamen von einer unbekannten Quelle Unmengen Daten zugespielt. Die Ausarbeitung zeigt, wie Reiche ihr Geld weltweit vor dem Fiskus in Sicherheit bringen
Die Paradise Papers haben es in sich. Sie können das Gerechtigkeitsempfinden normaler Steuerzahler erschüttern, Behörden auf neue Spuren bringen und Befürworter schärferer Regeln unterstützen. Millionen Unterlagen über Steueroasen und Briefkastenfirmen wecken neue Zweifel an Steuer- und Geschäftspraktiken von Politikern und Prominenten – ein Überblick:
Was sind diese Paradise Papers?
13,4 Millionen Dokumente. Sie wurden der Süddeutschen Zeitung laut den Angaben des Blatts von unbekannter Seite zugespielt. Die Zeitung teilte sie mit dem Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ. Reporter arbeiteten weltweit rund ein Jahr lang mit den Daten, die von der auf den Bermudas gegründeten Kanzlei Appleby stammen, einer Treuhandfirma und aus Firmenregistern von 19 Steueroasen.
Was zeigen die Paradise Papers?
Sie zeigen, wie Reiche über Briefkastenfirmen oder andere Geschäfte in intransparenten Steueroasen wie Isle of Man, Malta oder Bermudas Steuern vermeiden oder Gewinne machen. Das heißt nicht, dass die Praktiken illegal sein müssen.
Welcher Fall der Paradise Papers ist politisch am brisantesten?
Wohl die Verbindung des US-Handelsministers Wilbur Ross zu russischen Oligarchen. Er ist laut Medien über diverse Fonds auf den Kaimaninseln an einer Reederei beteiligt, die einen russischen Energiekonzern zu ihren größten Kunden zählt. Der Trump-Minister selbst wies zurück, er die Verbindungen zu einer mit Russlands Präsident Putin in Beziehung stehenden Firma verheimlicht habe.
Werden deutsche Verbindungen genannt?
Die Süddeutsche erinnert an ein Steuerstrafverfahren gegen die Töchter des verstorbenen Pharmaunternehmers Curt Engelhorn. Sie sollen laut den damaligen Vorwürfen der Ermittler 440 Millionen Euro Schenkungsteuer hinterzogen haben, nachdem Engelholm ihnen über ausländische Trusts ein Vermögen zukommen gelassen hatte. Die bayerischen Finanzbehörden einigten sich in einem 2015/2016 ausgehandelten Deal mit den Töchtern auf eine Steuernachzahlung von 145 Millionen Euro. Laut SZ sollen die Paradise Papers zeigen, dass der Familie weitere Trusts oder Briefkastenfirmen zuzuordnen seien.
Existieren weitere Hinweise auf Deutsche?
Ja. So hat der Glücksspiel-Unternehmer Paul Gauselmann eine Tochterfirma eines deutschen Spiele-Entwicklers auf der Isle of Man gegründet, für die Appleby-Anwälte Geschäftsbedingungen und Lidass zenzvereinbarungen entwickelten und die dort genehmigt wurde. Die Gauselmann-Gruppe bestätigte dies. Von der Insel aus werde Online-Glücksspiel vertrieben, das in Deutschland weitgehend verboten sei. Die Gauselmann-Gruppe betont, dass alles legal sei.
Gibt es auch Hinweise auf weltweit bekannte Firmen?
Ja. So baute laut Medienberichten der Sportartikelhersteller Nike erst auf den Bermudas und dann in den Niederlanden ein System auf, das dem Konzern außerhalb der USA Milliarden Euro an Steuern erspare. Der Computergigant Apple war demnach bestrebt, einen Geschäftssitz in einem Land zu finden, in dem keine Steuern anfallen. Beide Firmen hätten auf Anfrage betont, sich ans Recht zu halten.
Hat sich im Kampf gegen Steueroasen nichts getan?
Doch. Unter anderem starten Ende September Deutschland und 49 weitere Staaten einen automatischen Austausch von Informationen, der Finanzbehörden Einsicht in Auslandsgeschäfte ihrer Bürger gibt. Auch Konten von Treuhändern, Trusts und Stiftungen, die Reiche gern zur Verschleierung ihrer Geschäfte nutzen, fallen darunter. Auch einstige Steueroasen und Inselstaaten mit ihren Briefkastenfirmen machen mit, etwa die Kaimaninseln und Liechtenstein. Ab September 2018 sollen sich mehr als 100 Länder beteiligen. Ein nach den Panama Papers verabschiedetes Gesetz, das das steuerliche Bankgeheimnis abschafft, tritt in Deutschland 2018 in Kraft.
Ist damit alles scharf genug geregelt?
Aus Expertensicht: Nein. „Weitere Anstrengungen werden erforderlich sein“, sagt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Die Regierung begrüßt die neuen Veröffentlichungen – denn sie unterstützen die eigene Linie, weitere Schlupflöcher für Steuersünder zu schließen. Nötig seien etwa Regelungen für eine Mindestbesteuerung. Zunächst rief die Regierung die Medien auf, die Originaldaten für die Finanzbehörden zur Verfügung zu stellen.
Seit Ende Oktober hat Formel-1-Star Lewis Hamilton vier Weltmeistertitel. Gestern Abend wurde bekannt, dass er sich gleichzeitig auch vier Millionen Dollar an Steuern gespart haben soll.
Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung soll Hamilton die Mehrwertsteuer für seinen roten Privatjet umgangen haben, den er 2013 in Kanada gekauft hatte. Statt diesen unmittelbar in die Europäische Union zu importieren, sei Hamilton damit nach dem Kauf auf dem kleinen Flughafen der Isle of Man in der irischen See gelandet. Weil diese ein Zollabkommen mit EU-Staat Großbritannien hat, galt der Jet als in die EU importiert – wurde aber nach den laschen Regeln der Isle of Man versteuert. Mit einer „geschickt aufgefädelten Kette von Briefkastenfirmen“dort habe Hamilton die 20 Prozent Mehrwertsteuer gespart, die er sonst bei der Einfuhr hätte zahlen müssen – insgesamt 4,06 Millionen Dollar.
Hamiltons Anwälte erklärten als Reaktion auf die Berichte, man habe eine gängige und normale Praktik angewandt. (AZ)
In den Skandal um mögliche Steuertricks ist auch U2-Sänger Bono verwickelt. Der Frontman der irischen Rockband hat über Firmen in Malta und in Guernsey in ein Einkaufszentrum in Litauen investiert, wie aus dem Datenleck mit Dokumenten aus Steueroasen hervorgeht.
Bono sei demnach an der Betreiberfirma eines 3700 Quadratmeter großen Gebäudekomplexes mit Einzelhandelsgeschäften in der nordlitauischen Stadt Utena beteiligt. Bonos Sprecherin bestätigte Berichten der britischen Zeitung The Guardian und des litauischen Onlineportals 15min.lt zufolge, dass er ein „passiver Minderheitsinvestor“in dem auf Guernsey ansässigen Unternehmen gewesen sei. Dieses hatte das Einkaufszentrum 2012 von einer maltesischen Firma übernommen, an der Bono auch beteiligt war. Ob er von der Investition in Litauen wusste, blieb unbeantwortet.