Der Fall Fahrenschon und die hohe moralische Messlatte
Egal ob Sparkassen-Präsident oder Superreiche aus den „Paradise Papers“. Schlechte Vorbilder sind sie alle. Denn kleine Trickser zeigen gerne auf große Trickser
Wenn große Konzerne oder bekannte Persönlichkeiten mit Steuern tricksen, berührt dies das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Die sogenannten „Paradise Papers“brandmarken erneut die meist legalen Grauzonen der Finanzwelt und die Steuerschlupflöcher, die sich nur für Superreiche öffnen.
Dabei ist es vor allem ärgerlich, dass die globale Gemeinschaft der Finanzminister diese Tricksereien überhaupt zulässt. Das gilt für entfernte Karibik-Oasen wie die Cayman Islands wie auch für europäische Niedrigsteuer-Eldorados wie Irland, Luxemburg oder die Kanalinseln Jersey und Guernsey.
Wer nämlich die Steuervermeidungsstrategien von US-Konzernen wie Apple oder auch dem britischen Königshaus zulässt, der verantwortet eine sinkende Steuermoral von Normalbürgern. Denn wer hat nicht schon mal mit dem Gedanken gespielt, einen Restaurantbesuch mit dem Partner als Geschäftsessen zu deklarieren oder einen Handwerker ohne Rechnung zu entlohnen? Die Verwerflichkeit dieser kleinen Betrügereien wird gerne mit dem Fingerzeig auf die großen Trickser gerechtfertigt. Und damit sind wir bei der Vorbildfunktion und dem Fall Georg Fahrenschon.
Der Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbands sowie frühere Finanzminister Bayerns hat gleich mehrere Fehler begangen. Zum einen ist es das Versäumnis, seine Steuererklärungen pünktlich abzugeben. Die Fristen gelten für jeden. Egal ob Taxifahrer oder Manager. Vor der Finanzverwaltung ist jeder gleich.
Allerdings hat der Taxifahrer keine Vorbildfunktion. Ein Ex-Finanzminister aber schon. Und wenn er dann aktuell auch noch ein wichtiges öffentliches Amt bekleidet, dann wird die moralische Messlatte noch höher gelegt. Das weiß jeder, der so ein Amt innehat. Deshalb überrascht auch Fahrenschons taktisches Verhalten.
Der CSU-Politiker wusste seit Ende März 2017 von dem Strafbefehl. Er hatte sieben Monate lang Zeit, reinen Tisch zu machen. Doch statt die Causa offen anzusprechen, spielte er auf Zeit. Offenbar hoffte Fahrenschon, dass vor der Wiederwahl nichts von dem Strafbefehl bekannt würde.
Durch diesen zweiten Fehler gab er seinen Widersachern, die offenbar darauf gelauert haben, Gelegenheit, die Nachricht kurz vor der geplanten Abstimmung zu platzieren. Der Wahlgang wurde verschoben und Fahrenschons Chancen auf eine zweite Amtszeit sind gesunken. Denn die Staatsanwaltschaft wirft ihm Steuerhinterziehung mit Vorsatz vor. Zwar gilt auch für ihn bis zum Prozess die Unschuldsvermutung. Doch in jedem Fall hat der Ex-Minister drei Jahre lang versäumt, eine Steuererklärung abzugeben. Das ist Fakt.
Die deutschen Sparkassen haben allgemein den Ruf, die besseren Finanzinstitute zu sein. Kein Investmentbanking, keine Finanztricks, keine Gier. Das Kerngeschäft sind die solide Verwaltung von Spareinlagen und die Finanzierung von Geschäften regionaler Firmen.
Die Vertreter dieser bodenständigen Geldhäuser stehen nun vor einer schwierigen Entscheidung. Sollen sie einen fachlich anerkannten Präsidenten zunächst auf dem Posten halten und die Entscheidung über seine Zukunft einem Amtsrichter überlassen, der irgendwann über die Steuervorwürfe entscheidet? Oder überzeugen sie ihn, die politische Verantwortung für die größte Dummheit seines Lebens, wie er es selbst nennt, zu übernehmen?
Im Zweifel würden sich die Sparkassenkunden vermutlich einen Präsidenten wünschen, der seine Steuern so pünktlich zahlt wie sie selbst. So ist das mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Zu „Neue Enthüllungen zu Steueroasen“(Wirtschaft) vom 6. November: Was soll die Aufregung über die Paradise Papers? Es ist doch völlig ausreichend, wenn man Arbeitnehmer und Rentner steuerlich ausquetscht wie eine Zitrone. Da kann man doch nicht noch den Reichen ihre sauer verdienten Millionen kürzen. So was geht doch gar nicht. Wenn die Bundesregierung jetzt die Journalisten auffordert, ihr die Unterlagen zu übergeben, so dient das nur einem Zweck. Sie genauso verschwinden zu lassen, wie man das vor einem Jahr mit den sogenannten Panama Papers getan hat. Oder hat man da von irgendwelchen Konsequenzen je etwas gehört?
Weißenhorn Zu „Brisantes Steuer Material belastet auch Deutsche“(Wirtschaft) vom 7. November: Wer zahlt schon gerne Steuern? Kein Wunder, dass Weltfirmen und reiche Personen nach legalen Steuerschlupflöchern suchen. Aufgabe der Politik ist es indes, für Steuergerechtigkeit zu sorgen und durch die Rahmenbedingungen möglichst alle Steuervermeidungsstrategien zu verhindern. Die Steuerparadiespapiere indes zeigen, dass vor allem Politiker hier ihre Hausaufgaben nicht machen. So verhinderte jahrelang Deutschlands Finanzminister Schäuble dringend nötiges europaweites Handeln.
Wer ist jetzt der Täter? Derjenige, der die Schlupflöcher nutzt, oder derjenige, der sie nicht verhindert oder bekämpft?
Diedorf Zu „Achtung, Radler!“(Die Dritte Seite) vom 7. November: Weniger Verkehrsfläche für umweltschädliche Motorfahrzeuge, mehr für Fahrradfahrer, so einfach wäre das und gar nicht teuer, gesund sogar und sicher! Wie es gehen kann, sollten sich die Verantwortlichen in Vancouver, Kopenhagen, in den Niederlanden oder näher in Winterthur anschauen. Zugegeben brauchen diese Länder weniger Rücksicht auf automobilassoziierte Arbeitsplätze zu nehmen, haben aber trotzdem niedrige Arbeitlosenzahlen und leisten sich eine wirkliche Förderung des Fahrradverkehrs. Strukturwandel eben.
Fast jeder erwachsene Radler lässt dafür sein Auto stehen, warum soll er sich dann von der Straße schleichen und um Absperrgitter zirkeln wie auf Ihrem Foto auf Seite drei? Darf er es nicht eilig haben, nur weil er schutzlos ist?
Kempten Zu „Autobauer tricksen weiter beim Spritverbrauch“(Seite 1) vom 7. No vember: Momentan gibt das Thema Dieselskandal, aber auch der Spritverbrauch unserer Autos gute Schlagzeilen her. Die Herstellerangaben, aber auch Testverbräuche aus Fachmedien sind von jedem selbst zu über- oder besser zu unterbieten. Letzteres gelang mir mit den letzten Fahrzeugen komischerweise sehr deutlich.
Herstellerangaben für einen etwas älteren japanischen Pick-up – 13 l Diesel im Schnitt, tatsächlich 8,0 l je 100 km. Mein aktueller „Windel-Bomber“bleibt über Land bis zu 2 l unter Herstellerangaben (4,1 l/6,1 l)! Der Durchschnitt bleibt regelmäßig 0,7 l unter Herstellerangaben (6,5 l/7,2 l).
Fazit: Es freut den Geldbeutel und die Umwelt, wenn jeder es sich zum „Sport“macht, Hersteller und Testverbräuche zu unterbieten.
Sonthofen