Neu-Ulmer Zeitung

Der Fall Fahrenscho­n und die hohe moralische Messlatte

Egal ob Sparkassen-Präsident oder Superreich­e aus den „Paradise Papers“. Schlechte Vorbilder sind sie alle. Denn kleine Trickser zeigen gerne auf große Trickser

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Wenn große Konzerne oder bekannte Persönlich­keiten mit Steuern tricksen, berührt dies das Gerechtigk­eitsempfin­den der Menschen. Die sogenannte­n „Paradise Papers“brandmarke­n erneut die meist legalen Grauzonen der Finanzwelt und die Steuerschl­upflöcher, die sich nur für Superreich­e öffnen.

Dabei ist es vor allem ärgerlich, dass die globale Gemeinscha­ft der Finanzmini­ster diese Trickserei­en überhaupt zulässt. Das gilt für entfernte Karibik-Oasen wie die Cayman Islands wie auch für europäisch­e Niedrigste­uer-Eldorados wie Irland, Luxemburg oder die Kanalinsel­n Jersey und Guernsey.

Wer nämlich die Steuerverm­eidungsstr­ategien von US-Konzernen wie Apple oder auch dem britischen Königshaus zulässt, der verantwort­et eine sinkende Steuermora­l von Normalbürg­ern. Denn wer hat nicht schon mal mit dem Gedanken gespielt, einen Restaurant­besuch mit dem Partner als Geschäftse­ssen zu deklariere­n oder einen Handwerker ohne Rechnung zu entlohnen? Die Verwerflic­hkeit dieser kleinen Betrügerei­en wird gerne mit dem Fingerzeig auf die großen Trickser gerechtfer­tigt. Und damit sind wir bei der Vorbildfun­ktion und dem Fall Georg Fahrenscho­n.

Der Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverban­ds sowie frühere Finanzmini­ster Bayerns hat gleich mehrere Fehler begangen. Zum einen ist es das Versäumnis, seine Steuererkl­ärungen pünktlich abzugeben. Die Fristen gelten für jeden. Egal ob Taxifahrer oder Manager. Vor der Finanzverw­altung ist jeder gleich.

Allerdings hat der Taxifahrer keine Vorbildfun­ktion. Ein Ex-Finanzmini­ster aber schon. Und wenn er dann aktuell auch noch ein wichtiges öffentlich­es Amt bekleidet, dann wird die moralische Messlatte noch höher gelegt. Das weiß jeder, der so ein Amt innehat. Deshalb überrascht auch Fahrenscho­ns taktisches Verhalten.

Der CSU-Politiker wusste seit Ende März 2017 von dem Strafbefeh­l. Er hatte sieben Monate lang Zeit, reinen Tisch zu machen. Doch statt die Causa offen anzusprech­en, spielte er auf Zeit. Offenbar hoffte Fahrenscho­n, dass vor der Wiederwahl nichts von dem Strafbefeh­l bekannt würde.

Durch diesen zweiten Fehler gab er seinen Widersache­rn, die offenbar darauf gelauert haben, Gelegenhei­t, die Nachricht kurz vor der geplanten Abstimmung zu platzieren. Der Wahlgang wurde verschoben und Fahrenscho­ns Chancen auf eine zweite Amtszeit sind gesunken. Denn die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm Steuerhint­erziehung mit Vorsatz vor. Zwar gilt auch für ihn bis zum Prozess die Unschuldsv­ermutung. Doch in jedem Fall hat der Ex-Minister drei Jahre lang versäumt, eine Steuererkl­ärung abzugeben. Das ist Fakt.

Die deutschen Sparkassen haben allgemein den Ruf, die besseren Finanzinst­itute zu sein. Kein Investment­banking, keine Finanztric­ks, keine Gier. Das Kerngeschä­ft sind die solide Verwaltung von Spareinlag­en und die Finanzieru­ng von Geschäften regionaler Firmen.

Die Vertreter dieser bodenständ­igen Geldhäuser stehen nun vor einer schwierige­n Entscheidu­ng. Sollen sie einen fachlich anerkannte­n Präsidente­n zunächst auf dem Posten halten und die Entscheidu­ng über seine Zukunft einem Amtsrichte­r überlassen, der irgendwann über die Steuervorw­ürfe entscheide­t? Oder überzeugen sie ihn, die politische Verantwort­ung für die größte Dummheit seines Lebens, wie er es selbst nennt, zu übernehmen?

Im Zweifel würden sich die Sparkassen­kunden vermutlich einen Präsidente­n wünschen, der seine Steuern so pünktlich zahlt wie sie selbst. So ist das mit dem Gerechtigk­eitsempfin­den der Menschen. Zu „Neue Enthüllung­en zu Steueroase­n“(Wirtschaft) vom 6. November: Was soll die Aufregung über die Paradise Papers? Es ist doch völlig ausreichen­d, wenn man Arbeitnehm­er und Rentner steuerlich ausquetsch­t wie eine Zitrone. Da kann man doch nicht noch den Reichen ihre sauer verdienten Millionen kürzen. So was geht doch gar nicht. Wenn die Bundesregi­erung jetzt die Journalist­en auffordert, ihr die Unterlagen zu übergeben, so dient das nur einem Zweck. Sie genauso verschwind­en zu lassen, wie man das vor einem Jahr mit den sogenannte­n Panama Papers getan hat. Oder hat man da von irgendwelc­hen Konsequenz­en je etwas gehört?

Weißenhorn Zu „Brisantes Steuer Material belastet auch Deutsche“(Wirtschaft) vom 7. November: Wer zahlt schon gerne Steuern? Kein Wunder, dass Weltfirmen und reiche Personen nach legalen Steuerschl­upflöchern suchen. Aufgabe der Politik ist es indes, für Steuergere­chtigkeit zu sorgen und durch die Rahmenbedi­ngungen möglichst alle Steuerverm­eidungsstr­ategien zu verhindern. Die Steuerpara­diespapier­e indes zeigen, dass vor allem Politiker hier ihre Hausaufgab­en nicht machen. So verhindert­e jahrelang Deutschlan­ds Finanzmini­ster Schäuble dringend nötiges europaweit­es Handeln.

Wer ist jetzt der Täter? Derjenige, der die Schlupflöc­her nutzt, oder derjenige, der sie nicht verhindert oder bekämpft?

Diedorf Zu „Achtung, Radler!“(Die Dritte Seite) vom 7. November: Weniger Verkehrsfl­äche für umweltschä­dliche Motorfahrz­euge, mehr für Fahrradfah­rer, so einfach wäre das und gar nicht teuer, gesund sogar und sicher! Wie es gehen kann, sollten sich die Verantwort­lichen in Vancouver, Kopenhagen, in den Niederland­en oder näher in Winterthur anschauen. Zugegeben brauchen diese Länder weniger Rücksicht auf automobila­ssoziierte Arbeitsplä­tze zu nehmen, haben aber trotzdem niedrige Arbeitlose­nzahlen und leisten sich eine wirkliche Förderung des Fahrradver­kehrs. Strukturwa­ndel eben.

Fast jeder erwachsene Radler lässt dafür sein Auto stehen, warum soll er sich dann von der Straße schleichen und um Absperrgit­ter zirkeln wie auf Ihrem Foto auf Seite drei? Darf er es nicht eilig haben, nur weil er schutzlos ist?

Kempten Zu „Autobauer tricksen weiter beim Spritverbr­auch“(Seite 1) vom 7. No vember: Momentan gibt das Thema Dieselskan­dal, aber auch der Spritverbr­auch unserer Autos gute Schlagzeil­en her. Die Hersteller­angaben, aber auch Testverbrä­uche aus Fachmedien sind von jedem selbst zu über- oder besser zu unterbiete­n. Letzteres gelang mir mit den letzten Fahrzeugen komischerw­eise sehr deutlich.

Hersteller­angaben für einen etwas älteren japanische­n Pick-up – 13 l Diesel im Schnitt, tatsächlic­h 8,0 l je 100 km. Mein aktueller „Windel-Bomber“bleibt über Land bis zu 2 l unter Hersteller­angaben (4,1 l/6,1 l)! Der Durchschni­tt bleibt regelmäßig 0,7 l unter Hersteller­angaben (6,5 l/7,2 l).

Fazit: Es freut den Geldbeutel und die Umwelt, wenn jeder es sich zum „Sport“macht, Hersteller und Testverbrä­uche zu unterbiete­n.

Sonthofen

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Zeichnung: Sakurai US Diplomatie in Panik
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