Wo die Sonne ihre ganze Kraft zeigt
Chile erlebt derzeit eine Energie-Revolution. Das Potenzial für die Erneuerbaren ist schier unerschöpflich
Die intensivste Sonneneinstrahlung der Welt, die trockenste Wüste der Welt, die größte Kupfermine der Welt mit einem riesigen Energiebedarf. Alles an einem Ort – und kaum Menschen, die das Experiment stören können. Bessere Versuchsbedingungen hätte sich kein Wissenschaftler ausdenken können. In der chilenischen Atacama-Wüste existieren sie wirklich. Mit internationalem Know-how und deutscher Erfahrung will der Andenstaat jetzt zum weltweiten Vorreiter der Energiewende und des Klimaschutzes werden. Auch auf dem Weltklimagipfel, der derzeit in Bonn stattfindet, wird dieser Aufbruch wohlwollend registriert.
Er ist schon vom Flugzeug aus zu sehen: 210 Meter hoch erhebt sich der Turm über die graue AtacamaWüste. Das zweithöchste Gebäude Chiles ist ein echtes LeuchtturmProjekt und das Herzstück der ersten konzentrierten SolarenergieAnlage Südamerikas. 10600 jeweils 144 Quadratmeter große Spiegel sollen schon bald die Energie der Sonne auf die Spitze des Turmes fokussieren und so 50 000 Tonnen Salz auf 545 Grad erhitzen. Die geschmolzenen Kristalle werden dann Wasser verdampfen, das eine gewaltige Turbine antreiben und so bis zu 110 Megawatt Strom erzeugen kann. Genug Energie für mehr als 380 000 Haushalte. Weil das verflüssigte Salz die Energie der Sonne 17,5 Stunden lang speichert, kann das Kraftwerk 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr Strom liefern.
„Ich bin sehr stolz, dass wir hier schon bald die weltweite EnergieRevolution mit vorantreiben werden“, sagt Ivan Araneda. Er ist der Mann, der den Sonnenturm in der Wüste baut oder – besser gesagt – endlich fertig bauen will. Denn momentan steht auf seiner Mega-Baustelle alles still. Im vergangenen Jahr wuselten hier noch jeden Tag bis zu 2000 Bauarbeiter und Ingenieure herum. Mit Overalls, Helmen und Sonnenbrillen schützten sie sich vor den Strahlen, die nicht nur Salz schmelzen, sondern auch die Haut in Minuten verbrennen können.
Vor eineinhalb Jahren meldete die spanische Firma, die das Kraftwerk in der Atacama bauen wollte, Konkurs an, seitdem stehen die Kräne auf dem fast fertigen Turm still. Mittlerweile sind die Verhandlungen mit neuen Geldgebern in einer entscheidenden Phase. Auch die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau nach Deutschland. „Nach seiner Rückkehr sagte er: ,Wenn die Deutschen es unter viel schwierigeren Bedingungen schaffen, erneuerbare Energie zu produzieren – dann packen wir das auch‘“, erinnert sich Rainer Schröer, Leiter das GIZEnergie-Programms in Chile.
Oberstes Ziel der chilenischen Energie-Revolution ist eine verlässliche und günstige Energieversorgung. Der Klimaschutz ist nachrangig. Darum treten alle Energieformen in einen offenen Wettkampf. Chile fährt seit der Pinochet-Diktatur einen äußerst wirtschaftsliberalen Kurs, keine Energieform wird subventioniert. Was zählt, ist der Preis. Dass sich dabei zuletzt oft die Erneuerbaren durchsetzen, liegt daran, dass sie meist am billigsten sind. In Chile wird der günstigste Solarstrom der Welt produziert.
Dass dieser preiswerte Strom auch noch grün ist, ist für Minister Rebolledo jedoch mehr als nur ein positiver Nebeneffekt. „Chile ist äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Darum ist uns die Bekämpfung der Erderwärmung wichtig“, sagt der Minister, dessen Land sich mit dem Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtet hat, seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2007 um 30 Prozent zu senken.
Unternehmen aus den USA, Spanien, Italien, Frankreich, Irland, Japan und Korea haben in Chiles neuer Energie-Strategie bereits große Chancen erkannt, deutsche Firmen mischen bislang kaum mit. Eine Ausnahme ist der Windpark-Entwickler „wpd“. Das Bremer Unternehmen will bis 2022 im Süden Chiles drei Windparks mit mehr als 100 Rotoren und einer Leistung von 350 Megawatt installieren und dazu mehr als 500 Millionen Euro investieren.
Frankreich schiebt die geplante Atomwende um bis zu zehn Jahre auf. Umweltminister Nicolas Hulot sagte am Mittwoch, die Regierung wolle „spätestens bis 2035“den Anteil der Nuklearenergie an der Stromversorgung auf 50 Prozent senken. Hulot verteidigte den Kabinettsbeschluss, das Zieldatum 2025 für die Atomwende zu kippen: „Viele wussten, dass es sich nicht erreichen lässt.“Die sozialistische Vorgängerregierung hatte 2015 in einem Energiewende-Gesetz festgelegt, den Atomanteil am Strom bis 2025 von 75 auf 50 Prozent zu senken.
Der Minister will nun innerhalb eines Jahres ein neues Datum für den Teilausstieg vorlegen. „Wir müssen es sehr wahrscheinlich auf 2030 verschieben, spätestens bis 2035“, sagte er. Um das Ziel zu erreichen, müssten „voraussichtlich zwischen 17 und 25“Atomreaktoren in Frankreich abgeschaltet werden. Zum Atompark gehören derzeit 58 Reaktoren. Viele gelten als veraltet und pannenanfällig.
Hulot bekräftigte den Willen der Regierung, das AKW in Fessenheim in der Nähe der deutschen Grenze innerhalb der Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron zu schließen. Es soll voraussichtlich Ende 2018 vom Netz gehen, wenn ein neuer Druckwasserreaktor im nordfranzösischen Flamanville den Betrieb aufnimmt.
Umweltschützer kritisierten Hulot. Ohne ein klares Bekenntnis zum Atomausstieg könnten sich erneuerbare Energien nicht entwickeln. Die Grünen hielten Hulot einen Kniefall vor der Atomlobby vor.