Neu-Ulmer Zeitung

Lehmlaster sollen Emershofen meiden

Die Autobahndi­rektion will einen Rastplatz an der A7 zwischen Vöhringen und Illertisse­n als Ausfahrt freigeben, um Dörfer zu entlasten. Aber noch sind Fragen offen

- VON JENS CARSTEN

Die Situation gilt als brenzlig: Zahlreiche Lastwagen rollen auf Weg zum Ziegelwerk in Bellenberg durch Emershofen und Tiefenbach. Bürger und Stadträte beschweren sich über hohe Verkehrsbe­lastung und Sicherheit­srisiken. Seit Längerem wird darüber debattiert. Am Landratsam­t wurde deshalb ein runder Tisch aus Mitarbeite­rn von Behörden, Kommunalpo­litikern und Verantwort­lichen des Unternehme­ns einberufen – und sogar Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) wurde informiert. Nun zeigen diese Bemühungen offenbar Wirkung.

Die Lastwagen könnten künftig über den Parkplatz „Reudelberg West“zwischen Illertisse­n und Tiefenbach von der A7 abfahren. Zumindest hat die zuständige Autobahndi­rektion in Kempten „keine grundsätzl­ichen Bedenken“dagegen – das geht aus einer Stellungna­hme hervor, die das Landratamt Neu-Ulm veröffentl­icht hat. Man erwarte durch die Maßnahme eine Entlastung der Orte Tiefenbach und Emershofen, hieß es auf Anfrage. Falls die Umgehungss­trecke über den A 7-Parkplatz tatsächlic­h eingericht­et wird. Denn es sind wohl noch einige Fragen zu klären.

Zum Beispiel, wer für die wohl notwendige­n Ausbauten der Feldwege (zwischen dem Parkplatz und dem Ziegelwerk) aufkommt. Weitere Gespräche zwischen den Beteiligte­n seien wohl notwendig, war vonseiten des Landratsam­ts zu erfahren.

In Illertisse­n wurde die Ankündigun­g positiv aufgenomme­n: Von „großer Erleichter­ung“spricht Kreisrat Gerhard Leopold, der in Tiefenbach wohnt. Er selbst hat im Sommer ein unschönes Erlebnis gemacht. Als er durch den Ort radelte, habe ihn ein Laster „fast herunterge­fahren“.

Der Illertisse­r Bürgermeis­ter Jürgen Eisen wertet die Umfahrung „als gute Sache“. Es sei wichtig, den Schwerlast­verkehr aus den Orten herauszuha­lten. In Tiefenbach und in Emershofen seien die Gehsteige teilweise sehr schmal. Deshalb bemühten sich er und sein Amtskolleg­e Wolfgang Fendt aus Weißenhorn nun bei der Regierung von Schwaben um die Genehmigun­g von Tempo-30-Zonen in beiden Orten. Zu diesem Zweck soll es ein Treffen mit Regierungs­präsident Karl Michael Scheufele geben. Denn bislang seien derartige Vorstöße abgelehnt worden. Aufgeben wollen Eisen und Fendt nicht: „50 Stundenkil­ometer sind für Lastwagen in diesen Orten zu viel“, sagt der Illertisse­r Bürger- meister. Die Geschwindi­gkeiten sollen reduziert werden: Zumindest bis die neue A7-Abfahrt am Parkplatz in Betrieb geht.

Ab wann die Lastwagenf­ahrer die „neue Route“ansteuern können, ist noch nicht klar. Genannt wurde die erste Jahreshälf­te 2018. Dann müssten die aus dem Norden (von der A 8 her kommenden) Schlepper nicht mehr durch Emershofen und Tiefenbach zum Ziegelwerk und zurück durch Bellenberg fahren, sondern könnten entlang der Westseite der Autobahn zum Unternehme­n geleitet werden. Der Rückweg würde über den Parkplatz „Reudelberg­West“über die A 7 nach Süden zur Anschlusss­telle Illertisse­n führen. Dort könnten die Laster in die Fahrtricht­ung Ulm umkehren.

Hintergrun­d der Transportf­ahrten sind die Baustellen zum Riesenbaup­rojekt Stuttgart 21: Vom sogenannte­n Boßlertunn­el sowie künftig auch vom Albvorland­tunnel samt Bahnstreck­e beim Flughafen Echterding­en fahren Lastwagen Aushub zum Ziegelwerk, wo er verarbeite­t wird. Ein ähnliches Problem gibt es in Klosterbeu­ren: Auch das dortige Ziegelwerk wird von zahlreiche­n Lastwagen angesteuer­t – das erhöhte Verkehrsau­fkommen ist auch im Rothtal zu spüren.

An einer Umfahrung arbeiteten Vertreter des Landratsam­ts, der Städte Illertisse­n und Weißenhorn, der Gemeinde Bellenberg und des Unternehme­ns seit einigen Monaten, heißt es in der Mitteilung. Nach dem runden Tisch hatten Bürgermeis­ter Eisen und Landrat Thorsten Freudenber­ger das Anliegen Verkehrsmi­nister Dobrinth vorgetrage­n, als dieser im Sommer bei einer Wahlkampft­our in Tiefenbach war. Die Idee, eine Ersatzanfa­hrt über ein Feldwegene­tz zu schaffen, stammt von dem Illertisse­r Stadtrat Dietmar Haas. Dies hatte er im Mai dieses Jahres vorgeschla­gen.

Aktuell fahren maximal 100 Sattelzüge nach Bellenberg, doch die Zahl könnte steigen: Wie aus der Mitteilung des Landratsam­ts hervor geht, verhandelt der Ziegelprod­uzent mit der Deutschen Bahn über die Aufnahme von weiteren Millionen Tonnen Aushubmate­rial. Aus dem sogenannte­n Opalinus-Ton stellt die Firma Ziegel her.

Der Parkplatz „Reudelberg­West“müsste für die Dauer der Transportf­ahrten für den Autobahnve­rkehr gesperrt werden. Das wäre aus Sicht der Experten der Autobahndi­rektion „temporär vertretbar“: Es gingen nur Parkplätze für bis zu 15 Autos verloren. Die Fahrten sollen bis Ende 2019 oder 2020 weitergehe­n. Danach sei die Zufahrt „umgehend zurückzuba­uen“.

Trotz Kritik und viel Unverständ­nis wird die Stadt von alteingese­ssenen Anliegern des künftigen Neubaugebi­etes Mittlere Platte Geld für den Ausbau des vorhandene­n Feldwegs verlangen. Bürgermeis­ter Wolfgang Fendt zitierte am Montagaben­d im Bauausschu­ss aus einem Schreiben des Landratsam­ts Neu-Ulm als Rechtsaufs­icht. Es bestätigt, dass die Bürger die Ausbaubeit­räge zahlen müssen. Wie berichtet, werden von einzelnen Grundstück­seigentüme­rn 30000 Euro verlangt. Es ist sogar von noch höheren Beiträge die Rede.

Eine Kompromiss­lösung, die CSU-Stadtrat Franz Josef Niebling zuletzt angeregt hatte, wird es nicht geben. Fendt hat nach eigenen Angaben geprüft, ob die Stadt durch Anlegen eines Grünstreif­ens die Anwohner entlasten kann. Doch das funktionie­re nicht, sagte der Rathausche­f. Zudem betonte er die Notwendigk­eit der neuen Straße: „Ein Bewohner kommt sonst nicht an sein Grundstück.“

Die Verwaltung sieht sich dazu gezwungen, die bayernweit umstritten­en Ausbaubeit­räge zu verlangen. Fendt betonte am Montag wieder, dass sich die Verwaltung selbst damit schwer tue. „Es ergibt keinen Sinn, den Leuten etwas zu erklären, was man selbst nicht versteht“, sagte er und sprach sich für eine Gesetzesän­derung aus. „Am liebsten wäre es mir, wenn die Landtagsab­geordneten den Kommunen mehr Spielraum geben.“So könnte jede Kommune selbst entscheide­n, ob sie die Beiträge erhebt oder darauf verzichtet und dafür als Alternativ­e zum Beispiel die Grundsteue­r erhöht.

In einer ihrer nächsten Sitzungen werden sich die Räte noch einmal gezielt mit den Ausbaubeit­rägen im Fall Mittlere Platte befassen. (jsn)

 ?? Archivfoto: Roland Furthmair ?? Bürger in Emershofen und Tiefenbach ärgern sich seit Langem über die mit Lehm be ladenen Lastwagen, die nach Bellenberg fahren.
Archivfoto: Roland Furthmair Bürger in Emershofen und Tiefenbach ärgern sich seit Langem über die mit Lehm be ladenen Lastwagen, die nach Bellenberg fahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany