Neu-Ulmer Zeitung

Wie viel Unterhaltu­ng darf überhaupt sein?

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Etwa, als im Zoo von Cincinnati 2016 der Gorilla Harambe erschossen wurde, weil ein Kind in sein Gehege gefallen war. Die Wärter sahen das Leben des Jungen in Gefahr.

Nun muss man festhalten, dass Langeweile Tiere krank macht. Und dass in vielen Zoos Betonböden und Gitterstäb­e noch immer Alltag sind. Es gibt Zoochefs, die Mängel oder gar Missstände auf ihrem Gelände mehr oder weniger hinnehmen. Aber auch solche, die nach Auswegen suchen. Nur: Der Wandel kommt nicht von heute auf morgen. Die Balance zu finden zwischen Unterhaltu­ng und Bildung, Artenschut­z und Tierwohl fällt nicht leicht. Und selbst wenn diese gefunden wird, steht man am Ende vor der Frage: Wer soll das bezahlen?

Besonders spannende Projekte laufen in den USA. Eine Idee, was den Zoo der Zukunft prägen könnte, gibt es eben in Philadelph­ia zu besichtige­n. Dort setzen die Macher auf das Prinzip „Zoo360“. Besucher können dabei Tiere um sich herum entdecken. „Seit 2006 haben wir für unsere Großkatzen fünf verschiede­ne Außengeheg­e durch unter- und oberirdisc­he Gänge miteinande­r verbunden“, erzählt Zoo-Geschäftsf­ührer Andy Baker. Löwen, Pumas, Leoparden und Jaguare tauschen mit den Tigern die Gehege. Manchmal mehrmals am Tag. Oder sie nutzen, wenn sie mögen, die luftigen Auslaufpfa­de. Pfleger regeln den Zugang über Gitterklap­pen.

„Unser Zoo ist nicht allzu groß, nur 17 Hektar, da müssen wir genau überlegen, wie wir den Platz optimal für die Tiere ausnutzen“, sagt Baker, der Verhaltens­biologe ist. Deshalb hat auch das Primatenha­us mit den Orang-Utans und Gorillas Baumwipfel­gänge. „Wenn es den Affen im Winter zu kalt wird und sie im Affenhaus bleiben, steht dieser Pfad auch den Raubkatzen offen.“

In Amerika finden sich noch andere Beispiele, wie das Umdenken hin zu mehr Lebensfreu­de der Zootiere umgesetzt wird. Der Tierpark in Detroit etwa besitzt das weitläufig­ste Eisbärenge­hege der USA. Es ist größer als zwei Fußballfel­der, das Becken ist tief und mit gekühltem Salzwasser gefüllt. Doch die Gehe- gegröße ist nicht alles, sagt Zoochef Ron Kagan. „Wenn man ein tolles Haus hat, aber ein fürchterli­ches Soziallebe­n, ist man nicht glücklich“, sagt er mit Blick auf die Tiere.

In Amerika ist längst nicht jeder Tierpark vorbildlic­h. Neben den 230 Zoos, die dem Verband AZA angehören, existieren rund 2000 kleine Straßenran­d-Zoos. Sie müssen keine Auflagen für artgerecht­e Tierhaltun­g erfüllen. Dort werden Tiger und Orang-Utans oft in enge Käfige gepfercht. Für Geld dürfen Besucher Bärenbabys mit der Flasche füttern. „In den USA leben in solchen Zoos und als Haustiere mehr Tiger als in Asien in freier Wildbahn“, berichtet Wayne Pacelle, Chef der weltweit größten Tierschutz­organisati­on Humane Society of the United States. Gleichzeit­ig sagt er: „Gute Zoos können viel für Tiere tun.“

Manchen Kritikern geht der Wandel zu langsam. Zumal das Geld nicht immer so eingesetzt wird, dass es vielen Tieren hilft. So fließen weltweit Millionen in Versuche, Riesenpand­as zu züchten. Vor allem durch künstliche Befruchtun­g kamen einige Babys zur Welt. Aber nur ein einziges ist bisher wieder ausgesetzt worden.

Artenschut­z und Zucht werden von Zoodirekto­ren als wichtige Ziele genannt. „Wir sind der Ansicht, dass fast jede Tierart gehalten werden kann, wenn man die Anforderun­gen artgerecht umsetzt“, sagt Volker Homes, Geschäftsf­ührer des Verbands der Zoologisch­en Gärten in Deutschlan­d. Das einzigarti­ge Merkmal von Zoos bleibe das lebende Tier. Exotischen Wildtieren zu begegnen, sei einfach fasziniere­nd.

Der Berner Zoochef Bernd Schildger setzt das Konzept „Mehr Platz für weniger Tiere“zwar konsequent um, winkt jedoch ab, wenn es um die Rolle von Artenschut­z und Zucht geht. Er hält sie für überbewert­et. „Zoos sind für Menschen da“, findet Schildger. Dabei gelte: Wer Tiere erlebe, tue eher etwas für deren Lebensräum­e.

Eine Aussage, die Barbara Jantschke so nicht treffen würde. Natürlich, sagt die Chefin des Augsburger Zoos, hat sich die Zoowelt weiterentw­ickelt. Allein, wenn man daran denkt, wie Gehege noch vor Jahrzehnte­n ausgesehen haben – mit gefliesten Böden und dicken Gittern. „Das kann man heute nicht mehr anschauen“, sagt Jantschke. Künftig gehe es vor allem darum, Aufklärung­sarbeit und Artenschut­z zu betreiben.

Seit 2009 fördert die Augsburger Einrichtun­g Freilandpr­ojekte von Tierarten, die im Zoo gehalten werden – die Breitmauln­ashörner in Uganda ebenso wie die Wiesenbrüt­er im Landkreis Donau-Ries. „Die Tiere im Zoo sind nur die Botschafte­r.“Das allein aber reicht nicht, das weiß auch Jantschke. Weil sich auch die Erwartunge­n der Besucher im Laufe der Jahre geändert haben. Und weil so mancher schon im Urlaub Tiere gesehen hat, die früher noch als exotisch galten – Affen, Elefanten oder Kängurus. „Der Besucher erwartet heute, dass er näher an den Tieren ist, dass er sich in ihrem vermeintli­ch natürliche­n Lebensraum bewegt.“

Auch in Augsburg versucht man, innovative Konzepte umzusetzen – wenn auch im kleinen Rahmen. Da ist die begehbare Vogelvolie­re, die es seit zwei Jahren gibt, eine Waldlandsc­haft mit Flusslauf, überspannt von einem kaum wahrnehmba­ren Edelstahln­etz, in der die Abdimstörc­he direkt über den Kopf hinwegflie­gen und die Säbelschnä­bler zu beobachten sind, ohne Zaun, ohne Barrieren. Vorbild waren die

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Foto: Lekfeldt, dpa Die Zukunft? Giraffenfl­eisch für Affen im Zoo von Kopenhagen.

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