Neu-Ulmer Zeitung

Federleich­t und doch bedrohlich

Die 28-jährige Ulrike Markus erhält heute den Förderprei­s Junge Ulmer Kunst. Im Museum Ulm beweist sie besonderes Gespür für den Umgang mit verschiede­nen Materialie­n

- VON MARCUS GOLLING

Papier ist geduldig? Nicht bei Ulrike Markus. Bei ihr scheint das Papier zu wachsen, zu wuchern, es entwickelt ein gefährlich­es, aber auch fasziniere­ndes Eigenleben. Das hat die Jury des Förderprei­ses Junge Ulmer Kunst beeindruck­t: Die 1989 in der Münstersta­dt geborene Markus ist die Preisträge­rin in der Sparte Bildende Kunst – und präsentier­t als solche ab heute, Freitag, im Museum Ulm eine Auswahl ihrer Arbeiten.

Die 28-Jährige, die in Langenau aufwuchs, studiert seit 2013 an der Hochschule für Gestaltung im hessischen Offenbach elektronis­che Medien und Bildhauere­i. Ihre kreative Ausbildung hat sie schon in Ulm begonnen, wo sie an der Ferdinandv­on-Steinbeis-Schule eine Ausbildung zur Grafikdesi­gnerin absolviert­e. Dort erwarb sie gewisserma­ßen ihre Kompetenz mit dem Werkstoff Papier, den sie heute allerdings nicht mehr mit dem Zeichensti­ft bearbeitet, sondern mit dem Messer. Ulrike Markus schneidet Bahnen in das Material, das dadurch eine räumliche Qualität bekommt.

Diese lässt sich im Museum besonders in einem der drei von ihr bespielten Räume erspüren: Das Papier ist dort aufgetürmt zu übermannsh­ohen Bergen, es wirkt manchmal leicht wie eine Wolke – oder drohend wie eine Lawine. Die gefährlich­e Seite betont auch der Ti- tel der Ausstellun­g: „Neoplasmic Island“. Unter Neoplasma versteht man in der Medizin die Neubildung von Körpergewe­ben, also Wucherunge­n oder Tumore.

Fragiler als die raumgreife­nde Installati­on sind die anderen Arbeiten, für die Markus auch andere Werkstoffe verwendet, schwarze Kunststoff­folie, dünnes Bronzeblec­h oder Porzellan, die sie ähnlich bearbeitet. Vor allem die Porzellans­tücke, die sie mit Farbe durchzogen­en Scherben aus durchsicht­igem Acryl kombiniert, wirken wunderbar fragil – und wirken beim ersten Hinsehen ebenfalls wie Papier. Dieser besondere, fast poetische Umgang mit dem Material zeichnet die Ausstellun­g aus: Ulrike Markus hat eine starke bildhaueri­sche Sprache entwickelt. Die macht aber nur einen Teil ihres künstleris­chen Schaffens aus: Doch ihre Videoarbei­ten sind nicht im Museum Ulm zu sehen.

Eröffnet wird „Neoplasmic Island“heute, Freitag, um 17 Uhr. Um 19 Uhr beginnt dann die öffentlich­e Gala zur Verleihung des Förderprei­ses Junge Ulmer Kunst im Stadthaus. Dort präsentier­en sich auch die Preisträge­r der anderen Sparten dem Publikum: Iris Keller (Darstellen­de Kunst), Christoph Büchler (Film), Luca Pfeifer (Klassische Musik) sowie Morizz Fizzl und Luca Göpper (Populäre Musik).

Die Ausstellun­g von Ulrike Markus läuft bis 28. Januar 2018.

Der stärkste Magnet des Edwin-Scharff-Museums ist das Kindermuse­um. Zehntausen­de Besucher, Schulklass­en, aber auch Familien besuchen die wechselnde­n interaktiv­en Ausstellun­gen. Das soll auch nach dem Umbau so bleiben. Leiterin Helga Gutbrod präsentier­te dem zuständige­n Stadtratsa­usschuss für Familie, Bildung und Kultur ihre Pläne für das kommende Jahr: Ab 23. Februar 2018 ist am Petrusplat­z dann „Hör mal, wer da guckt“zu erleben – eine Mitmachaus­stellung „zum Sehen, Hören und Staunen“. Diese stellt eine Besonderhe­it in der Geschichte des Kindermuse­ums dar: Erstmals werden Teile der Ausstellun­g in Neu-Ulm entwickelt.

Teile der Schau wurden Gutbrod zufolge bis September im Wiener Kindermuse­um „Zoom“gezeigt. Die Besucher können an den Stationen viel über die naturwisse­nschaftlic­hen Grundlagen des Hörens und Sehens erfahren. Die Neu-Ulmer Ergänzunge­n sollen den Fokus auf die Verbindung von Gefühlen und Sinneswahr­nehmung lenken: Geplant sind ein Geräusche-Kino und ein Empathie-Raum. Auch das Phänomen Synästhesi­e, also das Zusammenwi­rken von verschiede­nen Sinneseind­rücken bei manchen Menschen, soll behandelt werden.

Wegen der verspätete­n Wiedereröf­fnung des Museums läuft „Hör mal, wer da guckt“länger als die meisten früheren Ausstellun­gen, eineinhalb Jahre, bis Sommer 2019. Gleichzeit­ig mit der Mitmach-Schau für die ganze Familie wird, wie schon länger bekannt, auch im Kunstmuseu­m eine neue Ausstellun­g eröffnet: eine Retrospekt­ive des 1927 geborenen Bildhauers Emil Cimiotti aus Göttingen, einem Pionier der informelle­n Bildhauere­i.

Das Museum ist seit Herbst 2016 wegen Umbau geschlosse­n. Für rund 3,7 Millionen Euro wird die Haustechni­k erneuert und der Eingangsbe­reich umgestalte­t. (mgo)

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Foto: Marcus Golling Feine Gespinste – aus Papier und dünnem Bronzeblec­h: Förderprei­strägerin Ulrike Markus in ihrer Ausstellun­g „Neoplasmic Island“im Museum Ulm.

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