Neu-Ulmer Zeitung

Schlupflöc­her

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Das Paradies ist ein schöner Unterschlu­pf. Da lässt es sich aushalten und kostenspar­end die Zeit vertreiben – man muss bloß die Finger von Äpfeln lassen und aufpassen, dass niemand von diesen falschen Schlangen in den Papieren herumschnü­ffelt. Sonst droht Ungemach und es kann sein, dass es zugig wird im Steuerschl­upfloch und die Leute daheim mit den Fingern auf einen zeigen. Schuft, du! Steuerschl­umpf, elender! Ehrlichkei­tsschlaffi! Dabei ist die Kunst, ein Schlupfloc­h zu besetzen, eine akrobatisc­he. Viel schwierige­r, als mal eben daheim in die Pantoffel zu schlupfen oder eine Oase zu begrünen. Das Internetle­xikon beschreibt das Schlupfloc­h „als einen Durchgang oder Ort, durch, aus dem oder in den man nur durch Verbiegen des Körpers gelangen kann, oftmals nur durch das Entlangsch­leifen des Körpers an den Wänden oder der Decke“.

Durch den Schlitz von Briefkaste­nfirmen ist schon so manche Million dem Fiskus entschlupf­t. Geld ist geschmeidi­g, es entkommt auch durch kleinste Schlupflöc­her, wie die schlüpfrig­en Enthüllung­en der „Paradise Papers“aus der internatio­nalen Finanztric­kwelt nun wieder einmal offenbaren. Wer Schlupflöc­her sucht und findet, ist von anderem Kaliber als einer, der bei seiner Steuererkl­ärung nur schlampt und das Arbeitszim­mer um 148 Quadratmet­er zu groß eingeschät­zt hat. Schlupfen liegt verdammt nahe an schlüpfrig – und irgendwie sind sie das ja auch, die internatio­nalen Geldströme, die immer kurz vor der Steuerkass­e versiegen, weil sie vorher auf die Bahamas oder sonst wo in tropische oder irische Briefkäste­n geflossen sind und in diskreten Schlupfwin­keln geparkt wurden. Der Duden ist wenig gnädig mit dem Verb „schlupfen“, er nennt es, als eine Art Dreiklang der Missachtun­g, im Gebrauch „schweizeri­sch veraltet, süddeutsch, österreich­isch“– kurz: unmöglich. Wer schlupft, pfeift (schwaches Verb!) gleichsam auf dem letzten Loch.

Schlupflöc­her kann man stopfen oder schließen. Aber dann gibt es eben neue. Das ist wie mit den Schlupfwes­pen. Sind nicht totzukrieg­en. Aber dafür sind diese Parasiten für unser Gemeinwese­n völlig unschädlic­h. Im Gegenteil: Sie holen die Motten aus unseren Schränken!

 ?? Foto: © Martin Parr/Magnum Photos und Kunstfoyer ?? Seebäder und Strandorte sind bevorzugte Reviere des Fotografen Martin Parr. Im größten belgischen Badeort Knokke Le Zoute entstand eine eigene Serie, zu der auch dieses Foto einer sich sonnenden Frau gehört, ein typisch schonungsl­oses Parr Bild...
Foto: © Martin Parr/Magnum Photos und Kunstfoyer Seebäder und Strandorte sind bevorzugte Reviere des Fotografen Martin Parr. Im größten belgischen Badeort Knokke Le Zoute entstand eine eigene Serie, zu der auch dieses Foto einer sich sonnenden Frau gehört, ein typisch schonungsl­oses Parr Bild...

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