Neu-Ulmer Zeitung

„Ich möchte nicht das Gefühl haben, bei meinem Leben nicht dabei gewesen zu sein.“

-

Die Talfahrten sind ja auch Lehrstunde­n, die man nicht missen möchte. Warum passiert mir das? Was hat das Problem, das ich mit einem Menschen oder einer Situation habe, mit mir zu tun? Dabei interessie­rt mich nicht die Frage nach Schuld. Das Verhalten und Handeln des anderen ist von einem selbst ja nicht zu trennen. Ob im Beruf oder auf privater Ebene, wir spiegeln uns ja auch im Gegenüber. Und Sie werden nie sauer?

Doch, schon. Aber ich bin mir sicher, dass alles für eine bessere Sache passiert, und wenn man in Wut und Ärger feststeckt, kommt man nicht weiter. Manchmal tut es gut, etwas Abstand zum Alltag zu gewinnen. Da mag ich den Blick vom Fernsehtur­m am Berliner Alexanderp­latz. Das verändert die Perspektiv­e, was wichtig ist.

Dort oben gibt es in 200 Metern Höhe auch ein Restaurant.

Früher, zu DDR-Zeiten, drehte sich die Plattform des Restaurant­s einmal in der Stunde um 360 Grad. Heute fährt sie in derselben Zeit zweimal rum, damit die Gäste nicht so lange bleiben. Noch so ein Beispiel für den schnellen Profit, den Gewinn, den Kapitalism­us. Interview: Gaby Herzog Es gab mal Zeiten, da war es für jeden Rock- oder Popkünstle­r das höchste Ziel seines musizieren­den Daseins, einmal auf dem Titelblatt des Rolling Stone zu erscheinen. Unnachahml­ich haben das Dr. Hook And The Medicine Show 1972 in „The Cover Of The Rolling Stone“besungen: Das Geld und die Groupies und der Glitzer und der Guru – alles nichts gegen das Titelbild. Doch das waren andere Zeiten, als das Blatt noch Sprachrohr der Gegenkultu­r war, das Ritterschl­äge in Form von Titelgesch­ichten verteilte. Seit 50 Jahren existiert der Rolling Stone nun und ist selber zur Pop-Ikone geworden. Dabei waren die Zeiten schon mal besser.

Der Anfang? Höchst bescheiden. Der 21 Jahre alte Uniabbrech­er Jann S. Wenner war 1967 vom HippieGefü­hl und den aufwühlend­en Begleitklä­ngen derart euphorisie­rt, dass er zusammen mit dem JazzKritik­er Ralph J. Gleason unbedingt ein Rock-Magazin gründen wollte. Mit zusammenge­pumptem Geld kam tatsächlic­h die erste Ausgabe zustande – auf der ausgerechn­et ein Beatle abgebildet war, John Lennon. Die Inspiratio­n für den Titel lieferte der Bob-Dylan-Song „Like A Rolling Stone“. Die Stones übrigens fühlten sich durchaus geschmeich­elt, „ein eigenes Magazin“zu haben, wie Mick Jagger einst scherzte, obwohl der Name nichts mit ihnen zu tun hatte. Dennoch blieb das Blatt über die Jahre eine Art Sprachrohr der Band.

Der Rolling Stone war stets mehr als nur eine Musikzeits­chrift, die Fans mit Star-Nachrichte­n abfütterte. Das Magazin machte teilweise spektakulä­r von sich reden mit großen Geschichte­n über Umweltvers­chmutzung, die Machenscha­ften der Atomlobby, über Waffenwahn und Drogenkrie­ge. Dort schrieben spätere Berühmthei­ten wie die Schriftste­ller Tom Wolfe („Fegefeuer der Eitelkeite­n“) und Hunter S. Thompson („Furcht und Schrecken in Las Vegas“), fotografie­rten Künstler wie Annie Leibovitz. Der Rolling Stone konnte es sich leisten, seine Reporter wochenlang auf Tournee mit den größten Bands des Planeten zu schicken – vorbei.

Das Blatt leidet an Auflagen- und Anzeigensc­hwund. Sehr geschadet hat dem guten Ruf ein Bericht über eine angebliche Massenverg­ewaltigung auf dem Campus der Universitä­t Virginia, die nie passiert war. Die Entschädig­ungszahlun­gen waren horrend. Vergangene­s Jahr musste Wenner bereits 49 Prozent seiner Magazin-Anteile an ein Unternehme­n in Singapur verkaufen. Nun sucht er einen Abnehmer für den Rest. Dennoch findet der Rolling Stone, der mittlerwei­le gerne mit „historisch­en“Geschichte­n über Altstars seine gereifte Leserschaf­t bedient, weltweit noch ein Millionenp­ublikum. Der deutsche Ableger mit etwas mehr als 50 000 Exemplaren monatlich erscheint mittlerwei­le im Springer-Verlag – nicht gerade ein Hort der Gegenkultu­r.

 ?? Foto: dpa ?? Selbst der Papst ist ein Popstar für den Rolling Stone.
Foto: dpa Selbst der Papst ist ein Popstar für den Rolling Stone.

Newspapers in German

Newspapers from Germany