Neu-Ulmer Zeitung

„Der Spieler darf sich nicht zu wichtig nehmen“

Seit einem knappen Jahr trainiert Manuel Baum den FC Augsburg. Ein Gespräch über Spielercha­raktere, Bodenhaftu­ng, das perfekte Spiel und Zeit mit der Familie

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Ist Fußball noch ein einfaches Spiel?

Früher wusste man nicht so viel über Fußball. Die Wissenscha­ft sorgt für neue Erkenntnis­se und bietet vielfältig­e Möglichkei­ten, sich individuel­l weiterzuen­twickeln. Wichtig ist, dass der Spieler – egal, wie alt er ist – bereit ist, sich weiterzuen­twickeln.

Wird der Fußball komplexer gemacht, als er letztlich ist?

Entscheide­nd ist, die Komplexitä­t des Fußballs so zu vereinfach­en, dass jeder Spieler das versteht. Das ist mit der Arbeit als Lehrer zu vergleiche­n. Auch dort reduzierst du Inhalte so, dass sie möglichst jeder versteht.

Was sind entscheide­nde Daten für Sie?

Überspielt­e Gegner und Ballrücker­oberungen finde ich interessan­t. Auch die Laufleistu­ng. Man muss das aber alles mit Vorsicht genießen. Was hilft es, wenn ich einem Spieler erkläre, Innenverte­idiger XY spielt den Ball häufig so – und gegen uns macht er das plötzlich anders.

Sie haben das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum geleitet, jetzt trainieren Sie Bundesliga­profis. Der große Unterschie­d?

Im Nachwuchs muss sich der Spieler an Trainer und Taktik anpassen. Im Profiberei­ch versucht der Trainer – eingebette­t in die Vereinsphi­losophie – die Stärken der Spieler zum Tragen zu bringen, damit eine Mannschaft Erfolg hat. Das war ein Prozess, den ich, das Trainertea­m und Spieler durchlaufe­n mussten.

Ist Anpassungs­fähigkeit die Stärke der jungen Generation Bundesliga­trainer?

Kann sein. Grundsätzl­ich ist es der falsche Weg, zu einem Verein zu kommen und prinzipiel­l zu sagen, ich spiele diese Art Fußball mit dieser Grundordnu­ng. Das funktionie­rt in den wenigsten Fällen.

Stichwort Autorität. Wie treten Sie gegenüber Ihren Spielern auf?

Natürlich hilft es, wenn das Gegenüber sachliche Kompetenz ausstrahlt. Anderersei­ts sind Ergebnisse das überzeugen­dste Argument. Wenn ein Plan aufgeht, das Ergebnis passt und die Spielart überzeugt, verschafft das einem Trainer natürliche Autorität. Ich pflege einen situativen Führungsst­il. Wenn mir etwas nicht gefällt, haue ich dazwischen. Ich mache aber auch einen Spaß mit.

Duzen Ihre Spieler Sie eigentlich?

Nein. Da bin ich vielleicht etwas altmodisch. Zu viel Nähe zum Spieler ist nicht gut.

Welche Eigenschaf­ten muss ein FCASpieler haben?

Ein hohes Maß an Teamfähigk­eit, er darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Und er muss lernwillig und lernfähig sein.

Gab es in der Vergangenh­eit Spieler, die das nicht mitbrachte­n?

Mit dem aktuellen Kader bin ich sehr zufrieden. Ich finde es bemerkensw­ert, wie sich die Spieler verhalten, die bisher noch nicht in der Bundesliga zum Einsatz gekommen sind. Sie haben einen großen Anteil am Erfolg – allein, weil sie das Trainingsn­iveau hochhalten.

Suchen unzufriede­ne Spieler direkt das Gespräch mit Ihnen?

Das ist typabhängi­g. Wichtig ist, dass das Gespräch auf einer inhaltlich­en Ebene stattfinde­t. Natürlich sind das unangenehm­e Gespräche, das kann einem Spieler auch wehtun.

Wer trifft die Entscheidu­ngen bezüglich des Kaders eines Spiels?

Die Entscheidu­ng liegt bei mir, aber in die Entscheidu­ngsfindung eingebunde­n sind mein Trainertea­m, Stefan Reuter (Geschäftsf­ührer Sport, d. R.) und Stephan Schwarz (Technische­r Direktor, d. R.). Ihnen ist also wichtig, Entscheidu­ngen gemeinsam zu treffen?

Ich arbeite lieber im Team und höre mir andere Meinungen an, auch die eines Spielers. Ich will gemeinsam gewinnen und gemeinsam verlieren. Oft ist das Problem: Wenn man verliert, steht man alleine da. Wenn man gewinnt, sind alle beteiligt. In Augsburg ist das anders.

Das hört sich sehr romantisch an.

Der Charakter des Vereins spiegelt sich in den Verantwort­lichen wider. Niemand bildet sich etwas ein, auch Stefan Reuter nicht, der es aufgrund seiner sportliche­n Erfolge vielleicht machen könnte. Ich glaube, das überträgt sich auch auf die Spieler.

Inzwischen sind Sie selbst ein gefragter Interviewp­artner, waren zu Gast im „Sportstudi­o“. Besteht die Gefahr, die Bodenhaftu­ng zu verlieren?

Ich versuche bewusst, mich nicht zu verändern. Ich bin als Bundesliga­trainer nicht mehr wert als andere Mitarbeite­r innerhalb des Vereins. Ist es für einen Fußballpro­fi schwierig, nicht die Bodenhaftu­ng zu verlieren?

In Augsburg ist der Hype um die Spieler noch nicht so groß. Die Gefahr abzuheben sehe ich nicht. Demut wird bei uns bereits im Nachwuchs gelehrt. Wir betrachten den Spieler ganzheitli­ch, er muss zu uns passen.

Hatten Sie das Ziel Bundesliga­trainer?

Natürlich war mein Traum und ein Ziel, im Profiberei­ch zu arbeiten. Das habe ich schon als Cheftraine­r Nachwuchs erreicht. Ich bin aber keiner, der mit Ellenbogen darauf hingearbei­tet hat, Cheftraine­r in der Bundesliga zu werden. Sie scheuen aber keine harten Entscheidu­ngen. Als Nachwuchsl­eiter haben Sie sich von Trainern getrennt.

Stimmt. Dabei geht es aber immer um die Sache. Wenn der Ver- ein einen roten Faden verfolgt, wird es für den schwierig, der sich nicht daran hält. Seit einem knappen Jahr sind Sie Bundesliga­trainer. Hatten Sie Zeit, das zu reflektier­en?

Nein, bisher leider noch nicht. Weil ich eigentlich sieben Tage in der Woche mit meiner Arbeit beschäftig­t bin.

Äußerlich sind an Ihnen kaum Unterschie­de festzustel­len, ob es für Sie und Ihr Team schlecht oder gut läuft.

Ich versuche immer lösungsori­entiert zu arbeiten, denn man findet in einem guten Spiel Negatives und in einem schwächere­n Spiel Positives. Ich versuche, das nicht persönlich zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht laut und deutlich werden kann. (Lacht!) Ich denke, das sieht man an jedem Spieltag.

Wie verarbeite­n Sie Druck?

Ich gehe laufen, rede mit anderen Leuten darüber. Den Rest regelt die Familie. Dabei ist mir meine Frau eine große Hilfe, die einen anderen Blickwinke­l hat.

Kommt die Familie bei Ihnen zu kurz?

Ich bin nicht oft zu Hause. Und wenn ich zu Hause bin, habe ich nicht viel Zeit. Meine Eltern und Schwiegere­ltern wohnen nicht weit weg, sind wöchentlic­h bei uns vertreten. Es ist gut zu wissen, dass alle zusammenha­lten.

Nach der Länderspie­lpause spielt der FCA beim FC Bayern. Warum läuft es besser als beim 0:6 im Frühjahr?

Wir haben in dieser Saison gute Leistungen gebracht und nicht aus Glück Punkte geholt. Wenn die Leistung passt, kann man sich auch mal ein schlechter­es Ergebnis leisten oder kommt aus einem Tief heraus. Dennoch wollen wir in München etwas holen und mutig auftreten.

Was ist ein perfektes Spiel für Sie?

Schwierig zu sagen. In dieser Saison spielt oft eine Mannschaft eine gute Halbzeit. Dann ändert die andere Mannschaft etwas und das Spiel läuft in die andere Richtung. Ziel muss sein, schnellstm­öglich auf Umstellung­en des Gegners reagieren zu können.

Muss der Spieler heutzutage intelligen­ter als früher sein?

Intelligen­ter muss er nicht sein, aber er muss bewusster Fußball spielen und zwischen Muster und Kreativitä­t unterschei­den. Er sollte sich an Abläufe halten, darf aber auch im Spiel situativ und kreativ handeln.

Er muss also noch stärker mitdenken?

Absolut. Es geht um den Konflikt von schnellem, intuitivem Denken und langsamere­m Nachdenken. Ziel ist, das langsamere Denken schneller zu machen. Dadurch entwickelt man Routinen für Phasen, in denen es nicht so gut läuft.

Wo sehen Sie Verbesseru­ngspotenzi­al in Ihrer Mannschaft?

Es gibt in allen Bereichen Möglichkei­ten, sich zu verbessern. Konkret die Verwertung von Großchance­n. Auch Standardsi­tuationen führen zu selten zu Toren.

Wie motivieren­d ist es, dass der FCA vor der Saison als erster Abstiegska­ndidat eingestuft wurde? Haben Ihre Spieler einen gewissen Trotz entwickelt?

Wir nehmen das nur am Rand wahr. Wenn es sportlich läuft, entwickelt man vielleicht einen hilfreiche­n Trotz. Funktionie­rt es nicht, wird man eventuell unsicher. Da es bereits in der Vorbereitu­ng gut lief, fühlte sich der eine oder andere Spieler schon angestache­lt. Interview: Johannes Graf und Robert Götz Florian Kohfeldt wird bis mindestens zur Winterpaus­e Cheftraine­r bei Werder Bremen. Der 35-Jährige wurde laut Mitteilung des Bundesligi­sten befördert, nachdem er die Mannschaft nach der Trennung von Alexander Nouri zunächst als Interimsco­ach betreut hatte. Olympia-Aus für Norwegens Kenneth Gangnes: Der 28-Jährige hat sich zum vierten Mal in seiner Karriere das Kreuzband gerissen und fällt für die Saison aus. „Das ist eine unglaublic­h traurige Nachricht. Kenneth hat den Winter und den Sommer über hart an seinem Comeback gearbeitet“, sagte Norwegens Skisprungc­oach Alexander Stöckl. Jaromir Jagr hat sein erstes Tor für seinen neuen NHL-Klub Calgary Flames erzielt. Der 45-Jährige traf beim 6:3-Sieg der Kanadier gegen die Detroit Red Wings zum 5:2. „Jedes erste Tor für ein neues Team ist etwas Spezielles, besonders in Kanada“, sagte Jagr. „Man spürt, wie sehr die Fans hier das Hockey lieben und meinen Einsatz zu schätzen wissen.“ Deutschlan­ds Vielseitig­keitsreite­r verlieren aufgrund einer unerlaubte­n Medikation die Team-Silbermeda­ille bei der Europameis­terschaft in Polen. Das teilte die Deutsche Reiterlich­e Vereinigun­g (FN) mit. Demnach war auch die B-Probe von Julia Krajewskis Pferd Samourai du Thot positiv. Bei dem Pferd war die entzündung­shemmende Substanz Firocoxib gefunden, aber nicht im Behandlung­sbuch des Pferdes dokumentie­rt worden.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Sieben Tage die Woche mit Fußball beschäftig­t: Augsburgs Trainer Manuel Baum gilt als absoluter Taktikexpe­rte.
Foto: Ulrich Wagner Sieben Tage die Woche mit Fußball beschäftig­t: Augsburgs Trainer Manuel Baum gilt als absoluter Taktikexpe­rte.
 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Manuel Baum mit seinen Kindern Naomi und Lionel.
Foto: Ulrich Wagner Manuel Baum mit seinen Kindern Naomi und Lionel.

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