Stichwort: „Die gelbe Gefahr“– jeder Schüler kennt sie
suspekte Autoren aus dem Programm nehmen. 1938 notiert der Völkische Beobachter: „Im allgemeinen kann man doch mit dem großen Aufräumen bei Reclam zufrieden sein; es kommen jetzt Tausende deutscher Leser, vor allem das Volk und die Jugend, nicht mehr so leicht an die durchweg gefährlichen jüdischen Dichter und Schriftsteller heran.“Die Reihe ist da aber schon so gewaltig, dass getarnt unterm Reclam-Mantel dennoch etliche antifastische Streitschriften auch weiterhin erscheinen können.
Dass es nach dem Krieg zwei Reihen gab, eine verlegt in Leipzig, eine in Stuttgart, später in Ditzingen, zählt zur besonderen Geschichte des Verlages. Die Ost-Bände waren beige oder schwarz, die West-Bände ab dem Jahr 1970 gelb – das Design entworfen von Willy Fleckhaus und bis heute das Markenzeichen. So schlicht wie möglich, nirgends sonst kommt Weltliteratur so unscheinbar daher wie bei Reclam. Andere Farben sind seitdem hinzugekommen: Blau für die Schulreihe, Rot für die fremdsprachigen Ausgaben, Orange für die zweisprachigen, Grün für die Erläuterungen, Magenta für die Sachbücher … Alle aber bestens zum Verzieren geeignet. Und zumindest die Gelben in jeder Schulkarriere unvermeidbar. Stichwort: „Die gelbe Gefahr“. Das Jubiläum feiert der Verlag, der drei Viertel seines Umsatzes mit Universalbibliothek macht, daher auch mit einer Prise Selbstironie unter dem Motto: „Gehasst. Geliebt. Gelesen!“Und hat im Übrigen einen Wettbewerb an Schulen ausgelobt, für‘s schönste selbstgestaltete Cover. Längst gibt es auch ein kleines Reclam-Heft, gefüllt mit von Schülern bekritzelten Umschlägen: „Kotz von Berlichingen“? Da wird wohl keine Liebe mehr draus geworden sein! Vielleicht aber dafür bei „Kaba und Liebe“. Dass auch der frühere CSU-Ministerpräsident Franz Josef Strauß ein offenbar verkorkstes Verhältnis zu den Heften hatte, passt da als kleine Randnotiz. Der beschimpfte seine Kollegen von der CDU einst als „Reclam-Ausgabe von Politikern“.
Und die Zukunft? Wo es doch die Klassiker mittlerweile zum Nulltarif im Internet gibt? Bei Reclam, längst im digitalen Geschäft tätig, hält man sich weiter an die Devise: Billig kann jeder, billig und gut, also auch Hausarbeits- und Dissertationstauglich, aber nicht! Neun Lektoren betreuen die Reihe. Das meistverkaufte Reclam-Heft in diesem Jahr übrigens: Die Nummer eins. „Faust“!