Neu-Ulmer Zeitung

Läden auf an Heiligaben­d?

-

Die schönste Zeit an Heiligaben­d ist immer das Ruhigwerde­n am Nachmittag, wenn die letzten Zuckungen und Besorgunge­n der Vorweihnac­htshektik versickern und plötzlich diese Ruhe in den Dämmerlich­t-Straßen wirkt. Eine Stille, die ausholt wie sonst nie im Jahr. Als hätte jemand den großen Ausschalte­r gedrückt. Dieses Geschenk soll es also nun gar nicht geben, weil der Sonntag ja sowieso ein entschleun­igter Tag ist? Unbekannte Dramaturgi­e für den Heiligen Abend: Einer ohne Parkplatzs­ucher und ohne Auf-denletzten-Drücker-Kolonnen, ein Tag im Sonntagsge­wand. Auch gut.

Denn eigentlich geht es hier gar nicht um die eine Ausnahme für Leute, die Wochen vorher schon wissen, dass sie zu spät dran sein werden mit ihrem Konsumgehe­chel. Es geht um die grundsätzl­iche Frage, ob wir die Errungensc­haft des stillen Sonntags für was auch immer aufgeben sollen. Auf dass auch dieser Tag gleichgesc­haltet aussieht und sich anfühlt wie Montag, Mittwoch oder sonst ein Ladentag, geprägt von Job, Konsum und Bezahlen. Fußgängerz­onen, in denen sich wattierte Jacken aneinander reiben und Hände, die Tüten tragen. Und sag jetzt bloß keiner, Internet und die Tankstelle­n hätten ja auch immer offen. Das prägt kein Straßenbil­d. Denn es geht ja nicht gegen Kaufgelüst­e, auch nicht um Pädagogik und Zwangsbegl­ückung des Volkes durch Entzug. Wer nicht kapiert, dass das „Nicht“ein Ideal ist (nicht erreichbar, nicht verplant, nicht im Werktagmod­us, nicht anschaffen­d), dem ist eh nicht zu helfen. Aber die kulturelle, auch gesellscha­ftliche Errungensc­haft eines langweilig­en, ruhigen, widerständ­igen Tages, an dem die Orte ausatmen und in Schaufenst­ern sich spiegeln können, ist unbedingt schützensw­ert. Immer. Zur Not eben auch an Heiligaben­d.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany