Gut in Fahrt
Mit dem 0:0 in England ist die DFB-Auswahl auch im 20. Spiel in Serie ungeschlagen geblieben. Morgen gastiert Frankreich in Köln. Löw plant etliche Personalwechsel
Beim ersten Training im nasskalten Köln war bei Joachim Löws England-Reisegruppe jedes Touristen-Feeling schnell verflogen. Gegen den nächsten Top-Gegner Frankreich fordert der Bundestrainer von seinem Personal noch einmal die ganze Konzentration beim Vorlauf für das extrem anspruchsvolle Ziel WM-Titelverteidigung.
„Personell wird es einige Wechsel geben“, kündigte Löw die Fortsetzung seiner Experimentierphase Richtung Russland 2018 an. Bei Nieselregen bat Löw seine 23 Spieler am frühen Abend zur Übungseinheit im zugigen Kölner Südstadion. „Ich schätze die Franzosen noch einen Tick stärker ein als die Engländer“, sagte Sebastian Rudy.
Die jungen und körperlich enorm starken Franzosen um Bayern-Spieler Kingsley Coman oder PSGJungstar Kylian Mbappé sind für Löw nach dem unspektakulären 0:0 in England im nächsten Klassiker am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Köln ein willkommener WM-Gradmesser. Löw hat klare Erwartungen: „Es ist für mich wichtig zu sehen, auf welchem Level sich die Spieler befinden und wie sie gegen solche Gegner bestehen.“
Das Aufeinandertreffen zum Jahresabschluss mit der Équipe Tricolore ist auch das erste Wiedersehen seit dem bitteren 0:2 im EM-Halbfinale 2016 in Marseille. „Man denkt schon ab und zu noch dran. Wir haben uns sehr geärgert, dass wir da ausgeschieden sind. Es wird nicht die große Revanchelust freigesetzt, aber ich denke generell ist das ein Superspiel“, sagte Julian Draxler.
20 Spiele in Serie hat die DFB-Elf seither nicht mehr verloren. Nun winkt eine weitere Bestmarke unter Löw: Ein ganzes Kalenderjahr ohne Niederlage blieb Deutschland unter dem Rekordtrainer noch nie. Mit einem Sieg könnte zudem eine Negativserie beendet werden. Seit 30 Jahren hat die DFB-Elf kein Heimspiel mehr gegen Frankreich gewonnen.
Juve-Star Sami Khedira dürfte wie Toni Kroos von Real Madrid in Köln wieder ins Team rücken. Das Duo wurde von Löw in London geschont, „um die Belastung zu verteilen“. „Letztlich sind das Spiele, in denen wir uns selbst testen müssen. Es geht nicht nur um Systeme, sondern auch um Spieler. Auch dieses Spiel wird uns wieder aufweisen, woran wir arbeiten müssen“, betonte Ilkay Gündogan nach seinem vielversprechenden Länderspiel-Comeback in London.
Die Aufarbeitung des nüchternen und torlosen Unentschiedens im Prestigeduell im Wembleystadion hatte Löw mit dem Abflug vom Queens Terminal in Heathrow erledigt. „Es lässt mich jetzt emotional nicht hochspringen. Es gab schon Klassiker England gegen Deutschland mit einer ganz anderen Emotion“, erklärte der DFB-Chefcoach. Bevor am Sonntag wieder Training anstand, hatte Löw seinen Spielern einen freien Tag in London gegönnt. Erst düsten Hummels und Co. in blauen Speedbooten über die Themse. Dann konnten die Weltmeister aus Gondeln in luftiger Höhe in der Abenddämmerung einen Blick auf London werfen. Mit Ex-Kollege Per Mertesacker als Reiseleiter ging es vom Teamhotel zu Fuß zur U-Bahn. Am Westminster-Pier startete die rasante FlussTour. Anschließend stand noch eine Fahrt im Riesenrad London Eye auf dem Programm. Marcel Halstenberg war wie Löw bei der TouriTour nicht dabei. Der Leipziger durfte sich aber für ein durchaus gelungenes Debüt im Adler-Trikot feiern lassen. „Für den Einstand war es gar nicht schlecht.“I Trapp – Kimmich, Süle, Rüdiger, Halsten berg – Khedira, Kroos – Brandt, Stindl, Sané – Werner mag der Weg in die deutsche Fußball-Hölle auch mit Namen wie Rivera, Rossi oder Balotelli gepflastert sein. Phonetische Kompositionen, die einem auch im größten Unglück wie eine Panna cotta über die Lippen gleiten und der deutschen Fußball-Seele dennoch die schwersten Wunden geschlagen haben.
Das mag an die feenhafte MatheLehrerin erinnern, die wir nie für eines unserer Null-Punkte-Werke verantwortlich gemacht haben – im Unterschied zum alten AlgebraKnochen. Was uns mit den Buffons, Chiellinis und Barzaglis verbindet, ist das abgewandelt neutestamentarische „Du sollst deine härtesten Gegner lieben“.
„Weiße und Azzurri sind keine Gegner, sondern Interpreten einer Oper, in einem Romeo und Julia des Fußballs“, schrieb Roberto Giardina in seiner „Anleitung, die Deutschen zu lieben“unter dem Eindruck des Jahrhundertspiels zwischen Deutschland und Italien bei der WM 1970 in Mexiko. Italien gewann in der Verlängerung 4:3. Zum Schluss traf Rivera.
Aber man muss auch vergeben können. Daraus entsteht mitunter größte Zuneigung. Darum für heute Abend: Buona fortuna!