Wie Christen gegen Hunger kämpfen
Museum der Brotkultur zeigt Plakate von Hilfswerken aus 50 Jahren
Die ausgestreckte Hungerhand des Berliner Künstlers Rudi Wagner, mit der evangelische Kirchen zum 1. Advent 1959 erstmals unter dem Motto „Brot für die Welt“zu Spenden für hungernde Menschen in Indien aufriefen, wurde zum Symbol: Den Menschen in Deutschland war die Hungersnot im eigenen Land nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch sehr präsent. Im Wirtschaftswunder der Erhard-Ära entstand daraus die Bereitschaft, Hungernden zu helfen – befördert von den mitleiderregenden optischen Appellen.
Ein Jahr vor dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt war das katholische Hilfswerk Misereor gegründet worden. Das Museum der Brotkultur zeigt in seiner diesjährigen Weihnachtsausstellung, die am Sonntag um 11 Uhr eröffnet wird, Plakate und Strategien der Öffentlichkeitsarbeit beider Hilfswerke. Die von Marianne Honold kuratierte Ausstellung ist so angelegt, dass sich der Besucher mit dem optischen und thematischen Wandel der Plakate und Projekte über die Jahrzehnte beschäftigen kann. Partner des Brotmuseums, das in dieser Sonderschau nur wenige Objekte aus dem eigenen Fundus präsentiert, sind die beiden Organisationen zustellen. Bei Misereor bleibt der Mensch im Mittelpunkt der Grafik, die Portraits verändern aber ihren Blickwinkel vom Hilfesuchenden hin zum Menschen auf Augenhöhe. Die gnädige Haltung des Gebers tritt zurück. Bei Brot für die Welt richtet sich der Fokus auf nachdenklich machende, anspielungsreiche Sätze wie im „Weniger ist leer“-Plakat aus dem Jahr 2013. Statt Hungerhilfe rückt die Hilfe zur Selbsthilfe in den Mittelpunkt. Es geht nicht mehr ums schlichte Sattsein, sondern darum, das richtige zu Essen zu haben. Politisch-kirchlicher Einsatz beispielsweise gegen die Apartheit in Südafrika ist erkennbar. Den Einkauf in Jute-Taschen aus Bangladesch statt in Plastiktüten nach Hause zu tragen, wurde zum Ausdruck politisch verantwortlichen Handels in Deutschland.
Objekte in der Schau nehmen eindrucksvoll Bezug auf Kampagnen wie die Zwei-Euro-Aktion von Misereor: Der aktuelle „Afrika-Kicker“, für dessen Gestaltung die Agentur Kolle Rebbe mit einem Preis ausgezeichnet wurde, ist einem holprigen Bolzplatz in Afrika nachgestaltet, mit einem Loch und einem Baum im Spielfeld. Für eine Spende von zwei Euro kann man auf dem groben Holztisch auf eine ganz andere Art Tischfußball spielen. Ein Setzkasten mit 50 traditionellen Reissorten aus Indien stellt die Organisation Navdanya vor, die das Verbot der Patentierung lebender Organismen fordert.
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Am 23. November spricht Christina Margenfeld um 19 Uhr im Museum der Brotkultur über ein Projekt für Migrantinnen und Migranten in Honduras. Am 18. Januar kommen mit dem Autor Bert Beyers und Robert Kappel vom GIGA Institut für Afrika Stu dien zwei Männer ins Museum der Brotkultur, die den Marschall Plan für Afrika kontrovers diskutieren werden. Am 5. Dezember um 14.30 Uhr findet ein Nikolausbacken für Kinder statt, „sel ber drucken wie Gutenberg“dürfen kleine Gäste am 28. November und am 23. Januar jeweils ab 14.30 Uhr.
Das Roxy ist ausverkauft und berstend voll. Auf der Bühne steht eine Leinwand, vor ihr zwei Nachrichtentische mit einem Logo, das ein Posthorn und ein Steckenpferd zeigt. Dazu der Schriftzug „ehrliche Nachrichten – unabhängig, schnell, seit 1845“vor edlem blauem Hintergrund. Ein Countdown zählt die Zeit herunter, eine Minute vor Start wird Applaus befohlen. Der kommt sofort. Das Publikum kann kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Denn im Roxy wird ein Internetphänomen live auf die Bühne übertragen.
Die Internetseite Postillon treibt seit 2008 satirische Nachrichten und Galgenhumor so gut wie täglich durch die sozialen Netzwerke – gewissermaßen wie die Sau durchs virtuelle Dorf. Das funktioniert. Mehr als zweieinhalb Millionen Menschen haben auf der Facebook-Seite von „Deutschlands größter Tageszeitung der Welt“auf „Gefällt mir“geklickt, der Youtube-Kanal hat etwas über 200000 Abonnenten. Die absichtlichen Fake News gehen viral. Zum Beispiel: „CSU will Ausland zum sicheren Herkunftsstaat erklären“. Satire-Nachrichten pur also. Dazu sehr beliebt, denn sie sind derb und machen Spaß. Jedenfalls in kleinen Dosen.
Ein- oder zweimal am Tag die Nachrichten lesen, ab und zu das Magazin ansehen oder anhören und sich NewstickerWortspiele vornehmen ist teilweise zum Schreien komisch. Nur abendfüllend auf der Bühne funktioniert die Nummer nicht. Postillon live ist an- strengend und dem Auftritt geht viel zu schnell die Luft aus. Das Nachrichten-Duo Anne Rothäuser und Thieß Neubert steht so auf der Bühne wie im WebVideo. Es gibt keinen echten Kontakt zum Publikum. Stattdessen interagieren die beiden mit Videos, telefonieren mit Donald Trump, veralbern den Rechtsruck und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fehlt nicht. Hätte man alles auch im Netz anschauen können.
So wird der Abend angepriesen: Postillon-Gründer Stefan Sichermann habe endlich einen Weg gefunden „dem internetfernen Publikum das Geld aus der Tasche zu ziehen und dem Ziel der Weltherrschaft ein Stück näher zu kommen“. Langweilig! Das klingt nun nicht nur vertraut, sondern auch geklaut: von der Titanic, dem selbst ernannten „endgültigen Satiremagazin“. Wer sich an die „Titanic Boy Group“vor gut einem Jahr im Roxy erinnert, dem ist „Postillon Live“recht schnell viel zu billig. Was man vom Eintrittspreis nicht sagen kann.