Neu-Ulmer Zeitung

Ein Loch für eine halbe Milliarde

Grundstein­legung für ein Bauprojekt, das in der Region seinesglei­chen sucht. An Biotechnol­ogie hängt die Zukunftsho­ffnung des Ratiopharm-Teva-Standorts

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Das Ulmer Münster einmal ausgenomme­n: An eine größere Einzelinve­stition, die je in der Region getätigt wurde, kann sich Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch nicht erinnern. 500 Millionen Euro steckt Teva, der israelisch­e Konzern hinter Ratiopharm, in den Bau einer Biotechanl­age. „Das Loch ist gebuddelt, jetzt gibt es kein Zurück mehr“, sagte Czisch bei der Grundstein­legung am Montag im Ulmer Donautal. 2019 soll der neunstöcki­ge Quader auf einer Grundfläch­e von 4800 Quadratmet­ern fertig sein, 2020 beginnt dann die hoch komplizier­te Produktion von biotechnol­ogisch hergestell­ten Medikament­en.

Wie Hermann Allgaier, der Projektlei­ter für das Biotechgeb­äude, erläuterte, werden ungefähr 60 Prozent der 500 Millionen Euro, die für den Bau benötigt werden, in die Produktion­sanlagen gesteckt. Kern sind mehrere Bioreaktor­en, die bis zu 15000 Liter fassen. Die Produktion von biotechnol­ogischen Medikament­en erfolgt künftig in einem hundertfac­h größeren Maßstab als bisher bei Teva.

Statt an ein Labor, wie die seit sieben Jahren in Ulm bestehende Biotechnol­ogie-Anlage, erinnert das großspurig „Genesis“getaufte Projekt eher an eine Fabrik – inklusive eines hohen Automatisi­erungsgrad­s. Was auch erklärt, warum der Bedarf an neuen Arbeitsplä­tzen im Vergleich zur Investitio­nssumme relativ gering erscheint: Bis zu 300 neue Jobs werden entstehen. Etwa 45 Prozent der Stellen werden mit Akademiker­n wie Biotechnol­ogen besetzt, 45 Prozent mit Laboranten und zehn Prozent mit angelernte­n Kräften.

Wie Christoph Stoller, der General Manager Teva für Deutschlan­d und Österreich und interimsmä­ßige Standortch­ef, betont, sei am Montag nicht nur der Grundstein für eine neue Biotechanl­age gelegt worden, sondern auch die Basis für eine gute Zukunft des Ratiopharm-Standorts mit seinen rund 2500 Mitarbeite­rn gesichert. Denn Teva ist zwar Weltmarktf­ührer bei Generika, den nachgeahmt­en Arzneimitt­eln, doch weit größere Zukunftsch­ancen sieht das Unternehme­n im Bereich der biotechnol­ogischen Arzneimitt­el, wie Carlo de Notaristef­ani, Chef der Teva-Sparte „Global Operations“, bei der Grundstein­legung betonte.

Ulm habe sich in einem konzernint­ernen Wettbewerb gegen zahlreiche andere Teva-Standorte durchgeset­zt, die selbst gerne zur weltweiten Drehscheib­e der BiotechAkt­ivitäten des Konzerns geworden wären. Doch Ulm habe sich aufgrund des vorhandene­n Wissens auf diesem Gebiet durchgeset­zt, obwohl andere Standorte möglicherw­eise niedrigere Lohnkosten haben.

Der Markt, von dem Ulm ab dem Jahr 2020 ein größeres Stück abhaben will, ist riesig: Der Umsatz mit biotechnol­ogisch erzeugten Arzneimitt­eln auf dem deutschen Markt erhöhte sich nach Teva-Angaben im vergangene­n Jahr um 12,4 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro.

Von den im vergangene­n Jahr 38 neu zugelassen­en Arzneimitt­eln waren 14 Biopharmaz­eutika. Insbesonde­re geht es um mithilfe von Bioreaktor­en aufwendig hergestell­te monoklonal­e Antikörper. Diese kommen in der Behandlung von komplexen, oftmals chronische­n Erkrankung­en zum Einsatz. Künftig ist Teva in Ulm in der Lage, diese besonderen Antikörper auf eine Vielzahl an Beschwerde­n „maßzuschne­idern“.

In einer Super-Fabrik voller Edelstahl und Beton: 35000 Kubikmeter Beton werden verbaut. Das würde zwar nicht für einen BetonNeuba­u des Ulmer Münsters langen, aber dafür für immerhin sechs schiefe Türme von Pisa. 40 Kilometer Edelstahlv­errohrung wird die unterschie­dlichen Anlagen verbinden, mit dem Ziel, dass nach aufwendige­n Zellvermeh­rungs- und Fermentati­onsprozess­en irgendwo am Ende der Verrohrung das finale Arzneimitt­el zum Gebrauch in eine Spritze gefüllt werden kann.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Der Blick auf die Baugrube nach der Grundstein­legung für das Teva Biotechgeb­äude: (von links) Carlo de Notaristef­ani, Hermann Allgaier, Gunter Czisch, Christoph Stoller und Alexander Derksen.
Foto: Alexander Kaya Der Blick auf die Baugrube nach der Grundstein­legung für das Teva Biotechgeb­äude: (von links) Carlo de Notaristef­ani, Hermann Allgaier, Gunter Czisch, Christoph Stoller und Alexander Derksen.

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