Wann ist ein Leben geglückt?
Der Augsburger Schriftsteller Thomas von Steinaecker und die Münchner Zeichnerin Barbara Yelin erzählen berührend über das Alter und die Kraft der Erinnerungen
Eine alte Frau in ihrem letzten Zuhause: Gerda Wendt schiebt sich mit ihrem Rollator durch die Flure des Altersheims, manchmal verwechselt sie die Flure, eins oder zwei, obwohl doch Zahlen „einmal das Einzige waren, womit ich mich wirklich auskannte“. Abends hockt sie gemeinsam mit anderen Bewohnern vor dem Fernseher, Krankenhausserie, dann kommt die Pflegerin zum Waschen, wartet die Nacht ... Ein Leben noch, aber ein ziemlich graues eben, und manchmal ist sich die alte Dame auch da gar nicht mehr sicher: „Oft denke ich, ich bin bereits tot. Und das hier ist die Ewigkeit. Früher raste die Zeit. Erinnere ich mich daran, sticht es. Trotzdem will ich jetzt wieder öfter an früher denken. Ich spüre dann, ich lebe noch.“
Mit diesen Sätzen beginnt der Comic „Der Sommer ihres Lebens“, geschrieben von Thomas von Steinaecker, gezeichnet von Barbara Yelin. Auf 80 Seiten erzählen sie gemeinsam das fiktive Leben der Astrophysikerin Gerda Wendt, lassen
Und das Ergebnis? Geglückt! Und nun, überarbeitet und ergänzt, erschienen auch als Buch. Fein gezeichnete, in gedeckten Farben gehaltene Bilder von großer Tiefe, die den Leser hineinziehen ins Leben der Gerda Wendt, von Steinaecker poetisch erzählt, immer auch mit Sinn fürs Komische. Einmal, da sitzt Gerda bereits im Rollstuhl, trifft sie an einer Bushaltestelle mitten im Park des Altenheimes auf ihren Mitbewohner Jörg. „Kommen Sie, wir gehen rein“, sagt Jörg, als heftiger Wind abhebt, die Blätter wirbeln. „Aber der Bus“, fragt Gerda, und Jörg, der sie später verwirrt für die eigene Tochter halten wird, antwortet mit Blick aufs Haltesymbol: „Ach das. Das ist doch nur für die Demenzkranken.“
Steinaecker und Yelin nutzen die Möglichkeiten der Gattung aus: erzeugen Stimmungen mit Farbe, Strich und Ton, setzen die Geschichte einer Art Wellengang aus, der mal nach unten ins SchwarzGraue zieht, dann wieder an die hellere Oberfläche, lassen Tristesse der Gegenwart und Trubel der Vergangenheit wie die Farben ineinanderfließen, springen in der Zeit, halten sie einmal auch an… großartig! Und erzählen dabei vom Alltag des Alters, vom körperlichen Verfall und wie sich am Ende des Lebens letztendlich die Frage stellt: War es das jetzt? War’s gut, geglückt? Habe ich etwas Wichtiges verpasst? All die Jahre, umsonst gelebt? Oder hatte alles doch einen tieferen Sinn.
Über die Schlüsselmomente in Gerdas Leben gelangen sie zu einer Antwort. Sie zeigen das junge Mädchen, begabt für Zahlen, kritisch beäugt daher von den anderen. Dann die junge Wissenschaftlerin auf dem Weg nach Cambridge, der große Erfolg, da entscheidet sie sich für die Liebe, einen Musiker. Ein Kind kommt zur Welt, der Gitarrengott geht fremd ... ach, ein Leben eben. Und dennoch entscheiden sich Thomas von Steinaecker und Barbara Yelin für eine tröstliche Antwort. Die entscheidenden Momente fügen sich zu einem Ganzen. Mit Jörg steht Gerda in der Nacht am Fenster, zeigt auf die Sterne, ihre große Leidenschaft, und erklärt ihm, wie aus dem blinkenden Wirrwarr ein Bild entsteht: „Sie müssen nur die Punkte miteinander verbinden.“Gelungen. All das! Die Maschine rollt schon seit Ende August. Da nämlich veröffentlichte Ex-Country-Königin und inzwischen US-Pop-Diva Taylor Swift mit „Look What You Made Me Do“den ersten Song des jetzt komplett erschienenen Albums „Reputation“. Und im inzwischen über hunderte Millionen mal geklickten Video dazu badete sie nicht nur nackt in Klunkern und tönte wie eine Mischung aus Beyoncé und Lady Gaga, sie spielte auch kokett mit den politischen und gesellschaftlichen Vereinnahmungsversuchen. Im ganzen Paket formt sich ein anderes Statement. Während etwa Miley Cyrus und Lady Gaga zuletzt nach mehr handgemachter Musik verlangten, geht Taylor Vollgas in Richtung effektmaximiertem Pop. Allein Auskopplung Nummer zwei namens „ … Ready For It?“mitsamt Video ist ein Fantasy-Spektakel zu einem halb gerappten und dann im Refrain ohrwurmschwanger geträllerten Song. Unternehmen Superstar eben. Bloß: Beyoncé kann das besser. (ws) ★★★✩✩
(Big Machine)
Über 20 Jahre sind die Emil Bulls mittlerweile im Geschäft. Wobei „im Geschäft“etwas übertrieben klingt. Die fünfköpfige Band aus München schwamm lange Zeit nur im großen Strom mit. Erst mit dem Album „Scarifice to Venus“im Jahr 2014, als die Alternativ-Metaler auf Rang sechs der deutschen Charts kletterten, genossen sie endlich mehr Aufmerksamkeit. Haben sie sich auch verdient. Denn die Bulls können fast alles – nur nicht leise. Das Album „Kill your Demons“ist deshalb auch typisch für die Ex-Klosterschüler. Und sie gehen mit der Zeit. Jedenfalls videotechnisch ist ihr Opener „Kill your Demons“stark angelehnt an Stephen Kings Horrormeisterwerk „Es“. Aber auch nur hören macht Spaß. „The ninth Wave“oder „Euphoria“zaubern Stimmung in die Bude. Die „Bulls“bleiben am Ball und ernten langsam das, was sie gesät haben. (wla) ★★★★✩
(Afm/Soulfood)