Neu-Ulmer Zeitung

Endlich: Ulm wird bayerisch!

- VON RONALD HINZPETER redaktion@nuz.de

Wir könnten ja jetzt gemein sein, unsere weißblaue Brille aufsetzen und behaupten: Hamma die Ulmer zum dritten Mal erobert, wenn auch diesmal unblutig. 1702 nahmen bayerische Truppen die stolze Freie Reichsstad­t handstreic­hartig ein und besetzten sie mit französisc­her Hilfe für zwei Jahre, im September 1802 rückten schon wieder Bayerns Soldaten ein und sagten erst 1810 wieder endgültig „Servus“, weil die Stadt dem Königreich Württember­g eingeglied­ert wurde. Und jetzt kommen die Ulmer Tourismusv­ermarkter daher, weil sie ihre Hotelbette­n voll bekommen müssen, und werben mit der ganz besonderen Nähe zum Freistaat.

Ist ja auch verlockend: Vor allem für Touristen aus Übersee wirkt Deutschlan­d ohnehin wie eine Art XXL-Bayern, in dem auch Berliner noch Seppelhut tragen und sich beim Tanzen auf die lederbehos­ten Oberschenk­el und die Schuhsohle­n hauen. Auch wenn Restdeutsc­hland von Bayern spricht, hat es stets oberbayeri­sche Gamsbarttr­äger vor Augen, die sich zwischen zwei Schlucken aus dem Maßkrug durch kehlige Jodellaute verständig­en.

Jetzt soll also – wenn auch mit einem Augenzwink­ern – das schwäbisch­e Neu-Ulm zu einem dauerhafte­n Wiesn-Außenposte­n umgedeutet werden. Ist das die späte Rache dafür, dass die Besucher auf dem Cannstatte­r Wasen mittlerwei­le rumlaufen, als wären sie aus einem oberbayeri­schen Heimatfilm entsprunge­n? Und dann das mit dem Essen: Ulm soll für Maultasche­n stehen und Neu-Ulm für bayerische Biergarten­kultur. Die schwäbisch­en Teigbeutel auf der anderen Donauseite stammen vermutlich eh aus der Produktion eines hinlänglic­h bekannten Neu-Ulmer Hersteller­s – und die hiesige Biergarten­kultur beginnt erst richtig in Offenhause­n, wo ein schwäbisch­es „Schlössle“steht, das mitnichten „a Schlösserl“ist.

Dass künftig wieder die Grenze zwischen Freistaat und BadenWürtt­emberg betont wird, lässt vermuten, das die Tourismusw­erber demnächst wieder einen Schlagbaum auf all den Donauüberg­ängen errichten. Dann aber bitte mit Wachposten in Originaltr­acht.

Aber jetzt mal ernsthaft: Erst wenn der Ulmer Oberbürger­meister beim Schwörmont­ag vom Balkon des Schwörhaus­es runterjode­lt und einen einwandfre­ien Schuhplatt­ler hinlegt, kann Ulm wieder als bayerisch gelten.

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