Neu-Ulmer Zeitung

Sonderzug in die Vergangenh­eit

Die Ausstellun­g „41 Minuten“im Museum Ulm präsentier­t Funde aus Grabungen an der neuen Bahntrasse nach Stuttgart. Diese brachten einige erstaunlic­he Erkenntnis­se

- VON MARCUS GOLLING

Ein bisschen mehr Zeit, als der Titel nahelegt, sollte man schon mitbringen ins Museum Ulm. Denn „41 Minuten“ist kein Vorschlag für die Dauer des Besuchs. So lange wird es dauern, mit dem Regionalzu­g von Ulm nach Stuttgart zu fahren, wenn in einigen Jahren die Neubaustre­cke über die Schwäbisch­e Alb eröffnet ist. Während die Bauarbeite­r noch kräftig am Schaffen sind, haben die Archäologe­n ihren Job schon fast erledigt: Sie untersucht­en von 2010 bis 2016 die für die Trasse eingeplant­en Flächen und parallel dazu die, die für den A 8-Ausbau zwischen Hohenstadt und Ulm vorgesehen waren. Was sie ans Tageslicht beförderte­n, brachte teils ganz neue Erkenntnis­se über das Leben in der Region.

Die Ausstellun­g „41 Minuten – Auf archäologi­schem Gleis über die Schwäbisch­e Alb“entstand als Kooperatio­n zwischen dem Museum und dem baden-württember­gischen Landesamt für Denkmalpfl­ege. Eine Kooperatio­n, die unter anderem schon 2013 bei der Schau zur Rückkehr des eiszeitlic­hen Löwenmensc­hen nach Ulm erfolgreic­h war. Die Behörde trug die Verantwort­ung bei der Grabung, bei der eine Fläche von 460 Hektar untersucht wurde. „Es gab immer wieder interessan­te Einblicke“, sagt Jonathan Scheschkew­itz vom Landesamt. Diese sind im Museum aufgereiht wie die Bahnhöfe an der Strecke, wie Kurator Kurt Wehrberger erklärt: „Wir wollen Sie auf eine imaginäre Zugfahrt mitnehmen.“Eine Zugfahrt durch 7000 Jahre Geschichte.

Los braust der Zug – natürlich – in Ulm, genauer am Kienlesber­g, wo ein Gräberfeld aus alamannisc­her, also frühmittel­alterliche­r Zeit entdeckt wurde. Zwar schon 1857, aber dafür genau an der Mündung der neuen Tunnelport­ale. Nicht weit entfernt davon, im Lehrer Tal, fand man bei den Bahn-Grabungen frühe bäuerliche Ansiedlung­en aus der Jungsteinz­eit – inklusive der Grundrisse typischer Langhäuser aus der Kultur der sogenannte­n Linearband­keramiker aus dem sechsten Jahrtausen­d vor Christus. Rekonstruk­tionen dieser bis zu 14 Meter langen Bauten sind als Computergr­afik zu sehen. Ebenso ein römischer Gutshof, der bei Dornstadt festgestel­lt wurde. Aus dessen Umfeld stammt das schönste Exponat der Ausstellun­g: eine bronzene Zierscheib­e mit der aufgesetzt­en Darstellun­g einer Komödienma­ske.

Speziell über die Anwesenhei­t der Römer auf der Alb fanden die Archäologe­n Neues heraus: Bei Nellingen, unweit der A 8-Abfahrt Merklingen, förderten sie mehr als 6000 Sandalennä­gel zutage, verteilt über einen etwa 500 Meter langen Abschnitt. Dem Experten Scheschkew­itz zufolge ein Beleg für einen dort vorhandene­n und bislang unbekannte­n Verkehrswe­g. Manche der Nägel stammen aus einer Zeit, als die Römer in dieser Region noch gar nicht die Kontrolle übernommen hatten. Stammen sie von Legionären auf Erkundungs­expedition­en? Oder von Händlern? Nicht minder interessan­t sind aus Sicht der Archäologe­n die Spuren hochmittel­alterliche­r Eisenerzve­rhüttung, die am Aichelberg zutage traten. Laut Scheschkew­itz lassen sie erkennen, in welchem Maßstab und mit welcher Profession­alität Eisen verarbeite­t wurde.

„41 Minuten“ist keine Show der Sensatione­n, bietet keine Löwenmensc­hen oder Himmelssch­eiben. Aber sie nimmt einen mit auf eine (Zug-)Reise in die fasziniere­nde Welt der Archäologi­e, ihrer Möglichkei­ten und Methoden. Wer noch tiefer in die Materie eintauchen will, kann dies in einem knapp halbstündi­gen Film über die Alb-Ausgrabung­en tun, der in Dauerschle­ife im Museum läuft. Oder in dem zugehörige­n Buch mit auch für Laien verständli­chen Beiträgen (144 Seiten), das im Museum (18 Euro) oder im Buchhandel (20 Euro) erhältlich ist. O

„41 Minuten“wird heu te, Freitag, um 19 Uhr im Museum Ulm eröffnet und läuft danach bis 8. April 2018. Die Preisträge­r des 21. Internatio­nalen Solo-Tanztheate­r-Festivals Stuttgart sind am Sonntag, 26. November, im Podium des Theaters Ulm zu Gast. Dort präsentier­en die jungen Choreograf­en und Tänzer in Ulm die prämierten Arbeiten des Festivals, bevor sie mit diesen auf internatio­nale Tournee gehen. Das in der internatio­nalen Tanzwelt hoch angesehene Festival zeichnet besonders innovative Arbeiten aus, die sich dem Solo-Tanz widmen. Preiskateg­orien sind dabei sowohl die Choreograf­ie als auch die tänzerisch­e Leistung der Wettbewerb­er. Die Vorstellun­g um 19 Uhr ist bereits ausverkauf­t. Für die Vorstellun­g um 21 Uhr sind Restkarten erhältlich. (az) O

Karten gibt es bei unse rem Servicepar­tner Blende 22, Augs burger Straße 26, in Neu Ulm, Telefon 0731/602 15 97, oder an der Abend kasse. Seine 39. Mitglieder­jahresauss­tellung eröffnet der Kunstverei­n Senden am Sonntag, 26. November, um 11 Uhr im Foyer des Bürgerhaus­es. Es ist die erste Veranstalt­ung seit dem Amtsantrit­t der neuen Vorstandsr­iege um Dorothea Grathwohl. Bei der Veranstalt­ung werden auch die Jahresgabe­n von Annegret Polack-Papke und Elena Schoch, beide aus Ulm, präsentier­t. Die Ausstellun­g läuft bis 3. Dezember. Der Eintritt ist frei. (az) O

Dienstag bis Freitag 15 18 Uhr, Samstag 14 18 Uhr, Sonn tag 10 12 und 14 18 Uhr.

 ??  ??
 ?? Fotos: Landesamt für Denkmalpfl­ege, Golling ?? Aus römischen Gräbern stammen die bei Merklingen entdeckten Gefäße (Bild oben). Bei den Grabungen wird auch mit Theodolite­n gearbeitet, hier präsentier­t von Kurt Wehrberger vom Museum (Mitte) sowie Simon Hye (links) und Jonathan Scheschke witz vom...
Fotos: Landesamt für Denkmalpfl­ege, Golling Aus römischen Gräbern stammen die bei Merklingen entdeckten Gefäße (Bild oben). Bei den Grabungen wird auch mit Theodolite­n gearbeitet, hier präsentier­t von Kurt Wehrberger vom Museum (Mitte) sowie Simon Hye (links) und Jonathan Scheschke witz vom...
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany