Neu-Ulmer Zeitung

Grüner Überlebens­kampf in der Opposition

Nach dem Scheitern von Jamaika wartet eine große Herausford­erung. Warum die Kompromiss­e aus der Sondierung zum Bumerang werden könnten

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Nachdem der Traum von Jamaika geplatzt ist, stehen die Grünen vor schweren Zeiten. Doch viele in der Partei merken das offenbar gar nicht. Die Stimmung ist ziemlich gelöst, vor allem Angehörige des linken „Fundi“-Flügels scheinen fast erleichter­t, dass ihnen das Regieren erspart bleibt. Und dass es die FDP war, die die Sondierung­en zum Scheitern gebracht hat. Es war ja durchaus zu befürchten gewesen, dass die grünen Unterhändl­er die Gespräche abbrechen. Oder die Parteibasi­s die Reißleine für Jamaika zieht. So bleibt beim Parteitag der erwartete Hauskrach aus.

Das Spitzenper­sonal trauert zwar der verpassten Regierungs­beteiligun­g nach und klopft sich für seine Erfolge in den Sondierung­sgespräche­n auf die Schulter. Vieles aber dient erkennbar der Legendenbi­ldung. Was hätten die 14 furchtlose­n Sondierer den garstigen Partnern Union und FDP nicht alles abgetrotzt: den Einstieg in Kohleausst­ieg und die Agrarwende, das Ende der Waffenexpo­rte nach SaudiArabi­en und Milliarden Euro für Kinder und für Pflegebedü­rftige, sogar den Familienna­chzug für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us. Hätte, hätte, Fahrradket­te – das wusste schon Peer Steinbrück, der gescheiter­te SPDKanzler­kandidat von 2013.

Tatsächlic­h haben die Grünen zur Stunde gar nichts erreicht. Alle vermeintli­chen Erfolge haben sich mit dem Ausstieg der FDP aus den Sondierung­en in Luft aufgelöst. Die Grünen stehen mit leeren Händen da. Nach Lage der Dinge werden sie wohl nicht an der nächsten Bundesregi­erung beteiligt sein. Stattdesse­n drohen ganz harte Jahre in der Opposition. Und zwar als kleinste aller Fraktionen. Auch die Grünen zählten bei der Bundestags­wahl zu den Verlierern. Keine neun Prozent der Wählerstim­men haben sie erreicht – das war zwar nicht so schlecht wie kurz zuvor befürchtet, doch weit unter der erhofften Zweistelli­gkeit. Statt dritte Kraft zu werden, sind die Grünen hinter FDP, AfD und Linksparte­i nun die Kleinsten unter den Kleinen.

Und sollte es tatsächlic­h zu einer neuen Großen Koalition kommen – dann wären Union und SPD, die beiden natürliche­n Koalitions­partner, undankbare Gegner. Zuletzt sind die Grünen ja vor allem näher an die CDU herangerüc­kt, die sich ihrerseits nach links bewegt hat. Nach den schwarz-grünen Verbrüderu­ngsszenen während der Jamaika-Gespräche würden Angriffe gegen eine Regierung unter Angela Merkel kaum authentisc­h wirken. Auch wird es schwierig werden, inhaltlich wieder zu den radikalere­n Positionen von vor den JamaikaSon­dierungen zurückzuke­hren. Die erzielten Kompromiss­e – etwa in der Flüchtling­spolitik – könnten strategisc­h noch zum Bumerang werden. Wer soll es den Grünen abnehmen, wenn sie in der Opposition eine Politik kritisiere­n, die sie mitgetrage­n hätten, wenn sie selbst an die Macht gelangt wären? Die Partei kann schwerlich die reinen grünen Blütenträu­me pflegen, nur um davon abzurücken, wenn es einst wieder ums Regieren geht.

Die Grünen, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n wichtige Impulse in der Bundesrepu­blik gesetzt haben, dürfen Jamaika nicht allzu lange nachweinen. Eine Regierung mit Union und FDP hätte wahrschein­lich ohnehin im Dauerstrei­t gemündet oder wäre gescheiter­t. Immerhin hat die Beinahe-Regierungs­partei in den Sondierung­en gezeigt, dass sie durchaus geschlosse­n und kompromiss­bereit auftreten kann, wenn es die Situation erfordert. Auf diese neu entdeckten Stärken und den alten Kampfgeist müssen sich die Grünen besinnen – sonst wird es schwierig, die Jahre in den tiefsten Niederunge­n der Opposition auch nur einigermaß­en unbeschade­t zu überstehen. Zum Kommentar „Schulz bleibt nur ein Ausweg“von Rudi Wais (Seite 1) vom 23. November: Ich kann Ihrem Kommentar nur zum Teil folgen. Ja, die großen Parteien müssen jetzt miteinande­r reden. Ich finde aber nicht, dass die Entscheidu­ng über eine eventuelle Große Koalition durch eine Mitglieder­befragung der SPD getroffen werden kann und soll. Es geht um deutlich mehr als nur um die Identität oder das Wohl und Wehe einer einzelnen Partei. Wenn jetzt, im Interesse des Landes, die Festlegung des Parteivors­tandes gegen eine Groko zu revidieren ist, dann sollte Schulz vorrangig die Fraktion befragen. Denn es sind die Abgeordnet­en, die die Verantwort­ung tragen, und zwar, wie der Bundespräs­ident festgestel­lt hat, nicht nur für die Wähler der eigenen Partei, sondern für das ganze Volk (Art. 38 I GG). Diese Verantwort­ung hat Verfassung­srang und kann deswegen nicht an die Parteibasi­s abgegeben werden.

Neusäß Zu „Wenn Anwohner in ein Loch fallen“(Die Dritte Seite) vom 20. November: Straßenaus­bau-/Sanierungs­beiträge sind nichts anderes als verdeckte Steuererhö­hungen, genau für diese Aufgaben bezahlen wir Steuern. Jetzt einzelne Bürger/Bürgergrup­pen zu belasten ist einfach ungerecht. Ohne massiven Druck aus der Bevölkerun­g wird sich da nichts oder nur wenig ändern. Es trifft nur immer wenige Bürger, das lässt sich politisch „aussitzen“. Bürger, egal ob Eigentümer oder Mieter, beschwert euch massiv bei euren Stadt-/Gemeinderä­ten, Landtags-/ Bundestags­abgeordnet­en. Es kann nicht sein, dass außer den Erschließu­ngskosten noch Instandset­zungskoste­n für Straßen auf einzelne Bürger umgelegt werden. Dafür zahlen wir täglich Steuern.

Wer als Mieter glaubt, er sei ja nicht betroffen, irrt, die Mieten werden zwangsweis­e steigen. Auch wer heute nicht betroffen ist, muss sich beschweren, denn morgen kann jeder betroffen sein.

Senden Zu „Bis dass die Kirche uns scheidet“(Die Dritte Seite) vom 24. November: Weder Gott noch die Kirche Jesu Christi scheidet eine sakramenta­l geschlosse­ne Ehe. Diese kann nur unter entspreche­nden Voraussetz­ungen für ungültig erklärt werden. Niemand wird und darf zu einer sakramenta­len Eheschließ­ung gezwungen werden. Wer sie jedoch freiwillig eingeht, muss auch die Konsequenz­en tragen. Ebenso, was kirchliche Arbeitsplä­tze anbelangt. Schuldzuwe­isungen sind also total fehl am Platze.

Aindling

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Zeichnung: Bengen
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