In Ulm müssen die Arbeiter unter Wasser betonieren
Durchgangsbahnhof in Stuttgart, kann die Begeisterung kaum zurückhalten. Darüber, was hier alles möglich ist. Manches, was hier umgesetzt wird, wurde so noch nie gebaut.
Natürlich gehören zu Stuttgart 21 auch die noch immer anhaltenden Proteste, die politischen Diskussionen, der Streit um die Milliardensummen, die das umstrittenste Bahnprojekt des Landes seit Jahren verschlingt. Für die Ingenieure aber spielt all das keine Rolle. Sie lieben ihren Job. Und diese völlig verrückten Dinge, die sie hier umsetzen können. Da ist zum Beispiel die Sache mit der alten Bahndirektion. Ein achtstöckiger Bau, 15000 Tonnen schwer, mitten in Stuttgart, gegenüber des alten Kopfbahnhofs. Teile des Treppenhauses und der Fassade sind denkmalgeschützt. Aber der einzige Weg aus dem Innenstadtkessel für die neue Bahntrasse geht direkt unter dem Gebäude durch. Also haben die Ingenieure das Fundament gepfählt, das Gebäude auf eine 1,3 Meter dicke Betonplatte gesetzt und diese auf hydraulische Pfahlstelzen. Zwischen diesen Stelzen fahren nun die Lastwagen umher und hier werden die Tunnelröhren in den dahinterliegenden Berg gebaut. Seismische Technik misst jede minimale Erschütterung des Gebäudes, jede drohende Senkung. „Mit einem Joystick können wir das ganze Gebäude im Millimeterbereich ausrichten“, sagt Pradel und strahlt dabei vor Freude. Manchmal, wenn er erzählt, klingt es, als würde er Lego spielen.
An der anderen Seite von Pradels kann man sich in einer Zehn-Meter-Grube schon mal an die fertige Bahnsteigkante des neuen Bahnhofs stellen. Nur, dass noch keine Züge vorbeikommen, sondern Laster die Rampe hochfahren. Fünf Millionen Tonnen Aushub wurden schon aus der Stadt geschafft, rund 5000 Güterzüge voll. In der Baugrube wachsen gerade die ersten der 28 Kelchstützen samt Verschalungen in die Höhe, die später das Dach des Tiefbahnhofs tragen. Weil die Kelchstützen nach Architektenvorgaben weiß sein sollen, werden ein spezieller Zement und Sand für den Beton verwendet, aus Brandschutzgründen werden Polypropylenfasern in den Beton gemischt, um ihn hitzebeständiger zu machen.
Herz von Stuttgart 21 aber schlägt unter der Erde – dort, wo die Tunnel gegraben werden. Es ist eine unwirkliche Welt, die sich dem Besucher bietet: Nackte Erde hier, dort mannshohe Schläuche, die Staub absaugen, und Röhren, die Frischluft zuführen, dazwischen Materialberge, Matsch und Pfützen. Und überall auf dem Beton bunte Markierungen mit Zahlenkolonnen – Mess-, Bohrund Zugangspunkte.
In manchen Abschnitten herrscht über Kilometer Grabesstille; wo die riesigen Bohr-, Grab- und Vortriebsmaschinen laufen, ist das Dröhnen ohne Ohrenschutz nicht zu ertragen. Immer wieder tauchen im diffusen Licht der Tunnelröhren Trupps von Arbeitern auf und verBauabschnitt schwinden wieder. Damit sie geortet werden können, gibt es hier unten ein eigenes Mobilfunknetz.
An der unterirdischen Front des S-Bahn-Tunnels Richtung Bad Cannstatt zeigt sich, wie mühsam diese Arbeit ist. „Jumbo“, die überdimensionale Bohrmaschine, in deren Leitstand der Maschinenführer wirkt wie ein Playmobil-Männchen, treibt Eisenstangen durch eine Spritzbetonwand. Sie sollen das Gestein vor dem Einsturz bewahren. Danach wird der Tunnel mit Stahl verstärkt und die Betonwand eingerissen. 80 Zentimeter vorwärts schaffen es die Arbeiter so im besten Fall. Dann geht das Ganze von vorne los. Hier hat Bernd Fischer das Sagen. Der 57-Jährige hat vom HimaDas laja bis nach Kanada schon überall auf der Welt Tunnel gebaut. Seit einem Jahr ist er in Stuttgart. Diesen Bau hält der Ingenieur für das „geilste Projekt“, an dem ein Tunnelbauer derzeit weltweit arbeiten kann. Juchtenkäfer? Dazu will Fischer nichts sagen. Er will einfach Tunnel bauen.
Ja, der Juchtenkäfer, er hat der Bahn so einige Probleme bereitet. Denn genau dort, wo die Bahntrasse eigentlich wieder oberirdisch laufen könnte, stehen zwei Juchtenkäferbäume und vier Juchtenkäferverdachtsbäume. „Wenn ein Bauleiter die fällen lässt, macht er sich strafbar“, sagt Jörg Hamann, Sprecher des Bahnprojekts. Deswegen wird nun ein weiterer Tunnel unter den