Leitartikel
Die SPD spielt nach ihrem Rückwärtssalto auf Zeit. Dabei könnten die Gespräche mit der Union sofort beginnen. Was ist mit der Einwanderungspolitik?
Man kennt sich und hat ja in acht der vergangenen zwölf Jahre gemeinsam regiert – ganz passabel übrigens. Und irgendwie werden ja CDU/ CSU und SPD wieder zueinanderfinden müssen, wenn sie Neuwahlen verhindern wollen. Wozu also dieses Spiel auf Zeit, das die SPD dem zunehmend genervten Publikum bietet? Soll das Land bis weit ins nächste Jahr hinein warten, ehe es in Berlin wieder eine nach innen und außen handlungsfähige Regierung gibt? Die zügige Aufnahme von Gesprächen ist das Mindeste, was die Bürger nach der „jamaikanischen“Bruchlandung erwarten können.
Nein sagen und in die Opposition gehen kann die SPD ja immer noch. Erst mal geht es darum, die Chancen einer neuen GroKo auszuloten. Dass sich die Partei bereits damit so schwertut, hat nicht nur mit dem überstürzten Ohne-unsBeschluss zu tun. Es zeugt auch von der mangelnden Führungsautorität des Vorsitzenden Schulz, der um sein politisches Überleben kämpft, extrem taktiert und größte Mühe hat, seine Partei für den Rückwärtssalto zu gewinnen. Schulz ist im Wahlkampf gewogen und für zu leicht befunden worden. Die Partei mag ihn und lässt ihm den Vorsitz, zumal sich noch kein anderer hierfür aufdrängt. Aber er ist nicht der Mann, der den Traum vom Wiederaufstieg der Sozialdemokratie erfüllen könnte.
Niemand kann die SPD in ein Bündnis mit der Union zwingen – auch Steinmeier nicht. Die Furcht, an der Seite Merkels weiter an Boden zu verlieren, ist ja begründet, wenngleich die Kanzlerin den Zenit ihrer Macht überschritten hat und an Dominanz einbüßt. Auch fiele der SPD ein Neuanfang in der Opposition leichter. Und natürlich ginge bei einer Minderheitsregierung die Republik nicht unter. Aber was ist für die SPD in den dann über kurz oder lang sowieso anstehenden Neuwahlen zu gewinnen? Nein, die Risiken einer Neuwahl und die Chance auf Mitgestaltung wiegen zu schwer, als dass sich die SPD am Ende einer schwarz-roten Allianz verweigern könnte. So weit liegen die Parteien nicht auseinander, als dass man auf den strittigen Feldern der Europa-, Steuer- und Sozialpolitik keine fairen Kompromisse finden könnte. Mit einer GroKo um der reinen Stabilität willen allerdings ist dem Land nicht geholfen. Die Herausforderung besteht darin, in guten Zeiten wie diesen Vorsorge für die Zukunft zu treffen, gezielt in Bildung und Digitalisierung zu investieren und die soziale Balance zu verbessern, ohne das viele zur Verfügung stehende Geld überwiegend in neue staatliche Leistungen zu stecken. Daran wird das Programm einer Großen Koalition, so sie denn nach einer langen Hängepartie zustandekommt, zu messen sein – und an dem Bemühen, die vielbeschworene Spaltung des Landes zu überwinden.
Seltsam ist, dass das Megathema Zuwanderung auf den langen Wunsch- und Preislisten von SPD und CDU unter ferner liefen rangiert. Ist schon vergessen, dass der Aufstieg der rechten AfD und die massiven Verluste der Volksparteien vor allem der unkontrollierten Massenzuwanderung geschuldet waren und sich das Vertrauen von Millionen Bürgern nur zurückgewinnen lässt, wenn die Regierung ein schlüssiges Konzept für die Begrenzung der Zuwanderung hat und umsetzt sowie die Probleme der Integration energisch löst? Eine stringente, mit Herz und Verstand betriebene Flüchtlingspolitik ist eine der wichtigsten Aufgaben, die eine neue Regierung um des inneren Friedens und der Zukunft der Gesellschaft willen anpacken muss. Wenn dies nicht geschieht, braucht sich übrigens auch die AfD trotz ihrer Richtungskämpfe und ihrer radikalen, fremdenfeindlichen Elemente keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen. Ebenfalls dazu: Auch Herr Schmidt wird mit seiner Agrarindustrielobby feststellen müssen: Man kann Geld nicht essen. Alle Untersuchungen und Statistiken bezüglich des Insektensterbens sind anscheinend an ihm und seiner Klientel vorbeigerauscht. Für seine Sachkenntnis spricht es jedenfalls nicht. Das Buch von Maja Lunde „Die Geschichte der Bienen“sollte Herrn Schmidt und dem Bauernverband zur Pflichtlektüre gemacht werden. Augsburg Ebenfalls dazu: CSU und CDU (insbesondere Herr Schmidt und Herr Seehofer, aber auch Frau Merkel) haben der SPD in der Glyphosatfrage ganz klar gezeigt, dass sie Verträge und Vereinbarungen mit Koalitionspartnern nicht ernst nehmen. Wenn die SPD unter den Umständen noch in der Regierung bleibt und überdies weitere Koalitionsgespräche führt, hat sie jede Selbstachtung verloren und darf sich nicht wundern, wenn sie unwählbar wird und in der Versenkung verschwindet.
Oettingen Ebenfalls dazu: Wie kann es sein, dass ein einzelner Minister, welcher sogar auch – wenn nur kommissarisch – in einer Koalition mit der SPD ist, über ein Volk mit rund 80 Millionen Einwohnern über deren Wohlergehen entscheiden kann? Meiner Ansicht nach muss bei geringstem Verdacht über gesundheitliche Bedenken eines Produktes – hier Glyphosat – das Allgemeinwohl über dem einzelner Interessengruppen stehen. Kammeltal Zum Kommentar „Ein Affront gegen die SPD“von Walter Roller (Seite 1) vom 29. November: Es ist schon traurig, wenn die unsägliche Zustimmung für Glyphosat von Herrn Schmidt allein polittaktisch abgehandelt wird. Kein Wort zum Kernproblem der erwiesenen Schädlichkeit von Glyphosat. Die Steigerung der Lebenserwartung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zahllose kranke Kinder gibt, die „dank“medizinischer Betreuung ganz gut zurechtkommen. Stichwort Allergien, Neurodermitis, aber auch Krebs.
Auch viele Erwachsene halten sich mehr durch moderne Medizin als durch wirkliche Gesundheit über Wasser.
Solange Grenzwerte für giftige Rückstände lobbyistisch ermittelt werden und eine seelenlose Landwirtschaftsindustrie gefördert wird, wird sich an den bestehenden kleingeredeten Problemen nichts ändern.
Augsburg Zu „ Leben ohne Gott?“(Wochenend Journal) vom 25. November: Beim Lesen des Artikels ist mir zu dieser Thematik „Die Wette“von Blaise Pascal eingefallen! Da versucht der Naturwissenschaftler, die Entscheidung für oder gegen Gott zu analysieren und kommt in der Gegenüberstellung zu folgender Erkenntnis: Wer sich für ein Leben ohne Gott entscheidet, könnte dann, wenn es doch einen Gott gibt, bei dieser „Wette“der große Verlierer sein; denn er verspielt mit dieser Einstellung womöglich das „ Ewige Leben“!
Wogegen der Gottgläubige in beiden Fällen – egal, ob es einen Gott gibt oder nicht, auf der Gewinnerseite stehen wird. Deswegen verwundert es schon, dass so viele die Möglichkeit der Erlösung leichtfertig aufs Spiel setzen und anscheinend die Folgen nicht bedenken. Friedberg