Wie jetzt: Herr Remling, Herr Petry oder Herr Wolf?
Haar will eigentlich nicht mit Journalisten sprechen, schon gar kein Treffen vereinbaren. „Ich fühle mich nicht mehr als öffentliche Person, also braucht auch keiner ein neues Bild von mir“, sagte er vor zwei Jahren. Zur Veröffentlichung seines neuen Albums „Happy Man“lässt er einem ausrichten, ein Interview mit einem Nachrichtenmagazin sei genug. Gegenüber dem Spiegel lässt er auf acht Seiten schildern, wie sein neues Leben aussieht.
Immerhin ist Remling alias Petry alias Wolf zum E-Mailen bereit. Wolf? Ja, so nennt er sich nun: Pete Wolf. Wie soll man ihn dann anschreiben? Herr Remling, Herr Petry, Herr Wolf? Er höre auf alle drei Namen, schreibt er zurück. Es komme darauf an, wer ihn gerade anspricht oder anruft. Einen Lieblingsnamen, sagt er, hat er nicht.
Die Kontaktaufnahme, vermittelt von einer Berliner PR-Agentur, ist also gelungen. Aber schon bei der ersten Antwort bekommt man das Gefühl, dass da einer nicht viel von sich preisgeben will und sich hinter den Pseudonymen versteckt wie unter seiner Baseballkappe, die inzwischen die Rolle der früheren Freundschaftsbänder an seinem Arm übernommen hat. Petry nennt sie Tarnkappe, weil ihn so nicht jeder auf der Straße erkennt. Das wäre wohl eh nicht der Fall, denn mit kurzen Haaren und ohne Schnauzer sieht er ganz anders aus als früher.
Eine Frage drängt sich auf: Warum hat er das Image des Schlagerstars Wolfgang Petry abgelegt und nun als Pete Wolf ein Blues-PopRock-Album veröffentlicht, das auf Platz 65 in die Charts eingestiegen und ganz sicher nicht auf die Eins hochschießen wird? Petry bleibt eine richtige Antwort schuldig. Er sagt: „Alles hat seine Zeit, und damals war für mich der richtige Punkt, sich zurückzuziehen. Es waren tolle Jahre von 1976 bis 2006. Was danach gekommen ist, gehört genauso dazu und ist auch sehr spannend.“Wirklich emotional klingt das nicht.
In diesem Stil läuft die ganze Kommunikation. Petry schreibt: „Mein neues Album gefällt mir sehr gut. Ich habe auch einige positive Reaktionen bekommen.“Kann es sein, dass einem, der vom süßen Nektar des Erfolgs ordentlich genascht hat, ein paar Presse-Veröffentlichungen reichen, in denen bestätigt wird, dass das neue Album „schon okay“sei?
Schließlich hat er drei Jahre lang produziert, zwölf Lieder, der Titel soll programmatisch sein: „Happy Man“. Es sind Stücke über einen, der mit sich im Reinen sein will. Titel wie „Girl Crush“oder „I’d really love to see you tonight“klingen gefällig, gut gemixt, das ist keine Mitgrölware. Aber mit der Vermarktung will Pete Wolf nichts zu tun haben. Er soll sogar Fernsehauftritte abgelehnt haben, die seine Plattenfirma vereinbaren wollte.
Die Frage, warum er vor gut elf Jahren aus der Schlagerbranche ausgebrochen ist, lässt er zwar unbeantwortet. Aber aus allem, was er seitdem gesagt hat, lässt sich schließen: Das Musikbusiness mit seinen Ritualen, seiner ewigen Gier nach neuen Hits, hing ihm, um es deutlich zu sagen, zum Halse raus. Darum hat er erst mal gar nicht mehr gesungen. Stattdessen reiste er mit seiner Frau Rosie nach Neuseeland und hörte mit dem Rauchen auf.
Klar, wer die Droge Schlager von einem Tag auf den anderen erfolgreich absetzt, der hat auch ausreichend Willen, dem blauen Dunst zu entsagen. Aber die dabei entstandene Leere muss wieder gefüllt werden. Auf der Suche nach einer mehr oder weniger sinnvollen Beschäftigung landete der Sänger dann – man glaubt es kaum – beim Briefmarkenist sammeln. Was hat ihn daran gereizt? „Mein Vater hat das schon gemacht, und es hat mich immer interessiert, was er da gemacht hat“, antwortet er. Die Suche nach der besonderen Marke und die Freude, wenn man diese zu einem guten Preis gefunden hat, sei ein Antrieb gewesen. Gerade hat er wieder so ein Schnäppchen gemacht. Vielleicht ist das seine Art von Genugtuung dem Leben gegenüber.
Er sammle Briefmarken mit genauso viel Freude und Einsatz, wie er für die Musik aufgebracht habe, schreibt er. „Ganz oder gar nicht“, ist sein Motto. Er sagt, er kenne sich mit Briefmarken aus, wisse, worauf zu achten ist beim Kauf. So ist Remling wohl. Einer, der sich nach Strukturen sehnt, der sein Leben wohlgeordnet führen will.
Darum hat er auch einen strikten Tagesplan. Jeden Morgen steht er schon um sechs auf – obwohl ihm Wolfgang Petry vermutlich ausreichend Geld eingespielt hat, um täglich bis nachmittags im Bett bleiben zu können. Er treibt viel Sport. Jeden Tag gibt es Joghurt mit Haferflocken zum Frühstück, dann geht er aufs Laufband oder in den Kraftraum. Punkt halb eins isst er zu Mittag. Er ist viel an der frischen Luft und verbringt Zeit mit der Familie. Wenn er Rotwein trinkt, dann stets zwei Gläser zusammen mit einem Glas Cognac. Nicht mehr, nicht weniger. Das hat schon fast pedantische Züge.
Aber reicht das aus als Kompensation für die Leidenschaft, die er nach Jahrzehnten an den Nagel gehängt hat? Man spürt doch, wie er noch an der Vergangenheit hängt. Seine alten Hits, sagt er, könne er jederzeit vortragen. Das sei wie mit Fahrradfahren oder Schwimmen. Aber er macht es nicht mehr, weil er beschlossen hat, dass diese Zeit vorbei ist. Die für so eine Einstellung notwendige finanzielle Unabhängigkeit hat er. Ehefrau Rosemarie hat ihm gesagt, sie könnten es sich leisten, bis ans Lebensende zu McDonald’s zu gehen. Das reichte ihm als Sicherheit. Wolle und Rosie sind seit 45 Jahren ein Paar und dem Vernehmen