Neu-Ulmer Zeitung

Gemeinsam zu feiern genügt nicht

- VON SEBASTIAN MAYR redaktion@nuz.de

Wenn die Kirchen feiern, dann feiern Politik und Gesellscha­ft mit, auch Konfession­slose sind dabei. So war es beim Münstertur­mjubiläum im Jahr 2015, so war es in diesem Jahr bei den Luther-Feierlichk­eiten zu 500 Jahren Reformatio­n. Warum sollte das bei Juden und Muslimen anders sein?

Dass die jüdische Gemeinde in Ulm einen Teil einer bedeutende­n religiösen Feier ins öffentlich­e Leben verlegt, ist ein gutes Signal. Genauso wie es ein wichtiges Zeichen ist, dass Politiker und Spender aus der nicht-jüdischen Ulmer Gesellscha­ft an der Feier teilnehmen wollen. Am Sonntag erinnern die Ulmer Juden nicht nur daran, dass die Synagoge vor fünf Jahren eingeweiht worden ist. Die Gemeinde bringt auch eine neue ToraRolle ein. So etwas geschieht üblicherwe­ise nur alle 50 Jahre. Politik und Stadtgesel­lschaft feiern mit.

Die jüdische Gemeinde, deren Mitglieder vor allem in den vergangene­n 25 Jahren aus Osteuropa nach Ulm kamen, ist ein fester Bestandtei­l des städtische­n Lebens. Oder? Wie groß ist die Akzeptanz der Juden in der Gesellscha­ft wirklich? Es ist gerade einmal drei Monate her, da trat ein Unbekannte­r ein Loch in die Fassade der Synagoge. In der gleichen Nacht schlug ein Mann mit einem Metallpfos­ten gegen die Außenwand des Gebäudes. Die Polizei suchte mit sehr genauen Bildern aus Videoaufze­ichnungen nach dem Täter. Kein Zeuge meldete sich. Niemand, der den Mann kannte oder kennen wollte. War Antisemiti­smus das Motiv für den Angriff? Das ist Spekulatio­n. Doch dass es trotz der klaren Bilder keinen brauchbare­n Hinweis auf den Täter gab, ist kein gutes Zeichen.

Das Miteinande­r der Gläubigen verschiede­ner Religionen und der Konfession­slosen zeigt sich nicht bloß an Festtagen wie an diesem Sonntag. Gemeinsam zu feiern genügt nicht. Das gesellscha­ftliche Leben in der Stadt besteht nicht aus Festakten, es zeigt sich vor allem im Alltag. Dass die Einbringun­g der neuen Tora-Rolle gemeinsam gefeiert wird, ist nur ein Anfang.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany