100 Jahre im Dienst der Nächstenliebe
Die evangelische Sozialstation Neu-Ulm feiert Jubiläum. Ein Blick in die bewegte Geschichte der Einrichtung, die kranken, armen und behinderten Menschen hilft
Vom evangelischen Krankenpflegeverein zur evangelischen Sozialstation Neu-Ulm: Seit 100 Jahren helfen die Mitarbeiter der Einrichtung kranken, armen, behinderten und bedürftigen Menschen. Der runde Geburtstag wird nun am ersten Advent, 3. Dezember, gebührend gefeiert. Auftakt ist am Sonntagmorgen mit einem Festgottesdienst in der Petruskirche.
Was vor 100 Jahren begann, ist heute ein Hilfsangebot unter dem Dach des Vereins für evangelische Gemeindediakonie – Sozialstation Neu-Ulm. Pflegedienstleiterin Ilse Rautenberger beschreibt die Aufgaben ihres Teams: „Wir orientieren uns bei unserer Arbeit an den Grundwerten: Menschenwürde, Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Toleranz und Vertrauen.“Indes stöberte Geschäftsführer und Kassenwart (jeweils seit 40 Jahren ehrenamtlich) Dieter Wegerer in der Vereinsgeschichte und entdeckte: „Die Wurzeln der gegenseitigen Hilfe reichen noch viel weiter zurück.“Demnach existierte bereits 1874 – fünf Jahre nach der Stadterhebung Neu-Ulms durch den bayerischen König Ludwig II – in Neu-Ulm ein „paritätischer Privatkrankenverein“. Seit dieser Zeit versorgten jahrzehntelang zwei Diakonissen die Hilfsbedürftigen. Sie kamen zuerst aus dem Stuttgarter Mutterhaus, dann aus Augsburg. 1917 – mitten in den Kriegsjahren – wird erstmals der evangelische Gemeindeverein schriftlich erwähnt.
Er überstand zwei Weltkriege, und nach einer kurzen Auflösung wurde er am 27. April 1949 wieder gegründet, informiert der Geschäftsführer im Gespräch mit unserer Zeitung. Nach wie vor versorgte und pflegte ein Diakonissen-Paar aus Augsburg die Hilfesuchenden. Zu wünschen übrig ließen allerdings die Stationsräume, die damals klein und schlicht waren und mehrmals gewechselt wurden, bis man die komfortable Unterkunft im Dekanatsgebäude am Petrusplatz beziehen konnte.
Unvorstellbar in der heutigen Zeit sind auch die Pflegepreise von damals: Der Jahresbeitrag für Mitglieder betrug etwa nach dem Zweiten Weltkrieg drei Mark (heute zwölf Euro), für eine halbe Tagespflege mussten 50 Pfennige und für eine ganze Tagespflege eine Mark berappt werden und eine Tag- und eine Nachtpflege kostete insgesamt 2,50 Mark.
Lange waren die Diakonissen zu Fuß unterwegs, bis schließlich 1955 zwei Dienstfahrräder angeschafft wurden, denen 1962 ein VW-Käfer folgte. Heute sind die roten Flitzer quasi das Markenzeichen der Helfer in der Not.
Als Dekan Peter Schmid 1962 nach Neu-Ulm berufen wurde, brachte dieser in Sachen Dekanatsdienste und Diakonie viel ins Rollen. Er nämlich stellte fest, dass damals die Region Neu-Ulm noch in diesem Bereich ein weißer Fleck auf der Landkarte war. „Das war praktisch die Geburtsstunde des Diakonischen Werkes in Neu-Ulm“, sagt Dieter Wegerer. Unter der Ägide von Schmid wurden am 26. August 1963 die „Innere Mission und das evangelische Hilfswerk im evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk Neu-Ulm gegründet. Seit 1971 heißt die Einrichtung Diakonisches Werk Neu-Ulm.
Zurück zum Geburtstagskind: 1987 ging gezwungenermaßen die lange Diakonissen-Ära zu Ende – aus Personalmangel. Dieter Wegerer zufolge wurde damit eine neue Zeit mit den freien und examinierten Krankenschwestern und Altenpflegern eingeläutet. Die jetzige Pflegedienstleiterin der Sozialstation, Ilse Rautenberg, war damals eine der ersten Mitarbeiterinnen von Schwester Christa Best, die 1987 die allererste Pflegedienstleiterin war. Mit Blick auf das seither Geleistete resümiert Dieter Wegerer: „Wir haben ein tolles Team.“O
Am Sonntag, 3. De zember, gibt es um 10 Uhr einen Fest gottesdienst mit Abendmahl in der Petrus kirche. Um 11.30 Uhr ist Empfang im Petrussaal mit Ehrungen und musikali scher Umrahmung. Um 12.30 Uhr gibt es ein gemeinsames Mittagessen.