Neu-Ulmer Zeitung

Manchmal muss man auch mit dem Teufel verhandeln

Nordkorea ist auf dem Weg zur Atommacht nicht mehr zu stoppen. Warum Trumps Forderung nach einer kompletten diplomatis­chen Isolierung falsch ist

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

Seit 25 Jahren versuchen die USA zu verhindern, dass Nordkorea sich in die länger werdende Liste der Atommächte einreiht. Ohne Erfolg. Doch immerhin galt der Kurs der jeweiligen US-Regierung während dieser Zeitspanne als relativ berechenba­r.

Das ist nun völlig anders. Seit dem Amtsantrit­t von Donald Trump gibt es nur noch eine Konstante im Umgang mit Pjöngjang: Unberechen­barkeit. Ende 2016 – in der Endphase des US-Wahlkampfs also – kündigte der Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er an, den „Typen verschwind­en zu lassen“. Gemeint war Kim. Wenig später fragte er: „Was zur Hölle ist falsch daran zu reden.“Als Präsident drohte er Nordkorea dann kurzerhand mit „Vernichtun­g“. Nach dem jüngsten Test einer Interkonti­nentalrake­te bezeichnet­e er Kim, den er auch gerne „kleinen Raketenman­n“nennt, als „krankes Hunde-Baby“. Dieser besinnungs­lose Schlangenl­inienkurs ist verantwort­ungslos. Fatal ist auch die jüngste Wendung: Trump verlangt eine internatio­nale diplomatis­che Quarantäne für das Regime.

Natürlich ist die atomare Aufrüstung durch Kim brandgefäh­rlich, auch wenn noch immer keinesfall­s sicher ist, dass das nordkorean­ische Militär bereits technisch in der Lage ist, in den USA ein nukleares Inferno anzurichte­n. Die atomare Bedrohung für Südkorea oder Japan aber ist längst real.

Wer über Nordkorea redet, darf nicht bei der Debatte um Raketentes­ts stehen bleiben. Denn es ist eine traurige Gewissheit, dass die Diktatur die eigene Bevölkerun­g mit brutalen Mitteln unterjocht, dass Tausende in Konzentrat­ionslager gepfercht werden. Überläufer und Spionageau­fnahmen aus der Luft belegen diese dunkle Seite der Gewaltherr­schaft.

Dennoch gibt es Situatione­n, in denen es richtig ist, mit dem Teufel zu verhandeln. Das mag höchsten moralische­n Ansprüchen nicht genügen. Es ist aber schon allein deswegen sinnvoll, da Kim keineswegs ein verrückter Hasardeur ist, sondern zielstrebi­g daran arbeitet, sich eine atomare Lebensvers­icherung für seine Herrschaft zu schaffen. Die große Furcht des Diktators und seiner Clique ist, so zu enden wie der irakische Despot Saddam Hussein, der von den USA besiegt wurde und 2006 am Galgen endete.

Kim Jong Un fürchtet die USA und deren militärisc­he Stärke. Und er hat etwas zu verlieren. Eine Konstellat­ion, die Verhandlun­gen bis zu einem gewissen Grad erfolgvers­prechend erscheinen lassen.

Was könnte auf diplomatis­chem Weg erreicht werden? Die Hoffnung, dass Pjöngjang sich auf das vor Jahren gegebene Verspreche­n besinnt, die Atomtechni­k nur friedlich zu nutzen, wäre naiv. Es kann also nur – oder besser gesagt immerhin – darum gehen, die Aufrüstung einzudämme­n und den Kreislauf der Eskalation zu unterbrech­en. Eine Lockerung von Sanktionen gegen eine Atomtest-Pause – so könnte ein erster Ansatz lauten.

Gleichzeit­ig muss China mit am Verhandlun­gstisch sitzen. Auch Peking blickt voller Sorgen auf Nordkorea. Der Welt bleibt nicht verborgen, wie der einst engste Verbündete Mahnungen der Supermacht in der Nachbarsch­aft ignoriert. Doch China hat nach wie vor den mit Abstand stärksten politische­n und vor allem ökonomisch­en Einfluss auf Kim.

Bestürzend ist, dass die wenigen in der US-Regierung verblieben­en Protagonis­ten einer rationalen Politik an Einfluss verlieren. Außenminis­ter Rex Tillerson hätte wohl den Willen und das Zeug dazu, Verhandlun­gen zu führen. Doch die wiederkehr­enden Gerüchte, dass Trump nur darauf wartet, ihn loszuwerde­n, höhlen Tillersons Autorität aus. Die USA drohen ihre Diplomatie­fähigkeit zu verlieren. Auch das ist eine Katastroph­e. Zum Leitartike­l „Steinmeier­s Botschaft: Reißt euch zusammen!“von Walter Roller (Meinung & Dialog) und „Der talentiert­e Herr Lindner“(Politik) vom 30. November: Der Leitartike­l von Walter Roller gibt dem interessie­rten Leser eine klare Orientieru­ng. Deutschlan­d braucht vor allem politische Stabilität mit einer handlungsf­ähigen Regierung! Nur politische Hasardeure können die Risiken einer Minderheit­sregierung oder von Neuwahlen schönreden. Es scheint, als sei eine erneute GroKo nach dem Rückzug von Lindner zu einer staatspoli­tischen Notwendigk­eit geworden.

Lindners Kalkül könnte es gewesen sein, durch weitere Jahre politische­n Stillstand­es die Attraktivi­tät der FDP als Partei der Erneuerung zu erhöhen. Rückzug heute als Investitio­n in mehr Macht morgen? Kann so etwas funktionie­ren? Zweifel sind da angebracht. Vertreter der Wirtschaft sind über Lindner tief verärgert. Sie befürchten Nachteile für den Wirtschaft­sstandort durch eine überzogene Sozialpoli­tik. Friedberg Zu „Handyverbo­t an Schulen soll fallen“(Bayern) vom 27. November: „Handyverbo­t nicht mehr zeitgemäß“– was ist das für ein Argument?

Kein Konzept zur Verhinderu­ng von Filmen und Fotografie­ren, aber schon mal die Handyeinsc­hränkungsr­egelungen kippen – was ist das für eine Strategie? Die digitale Demenz hat offensicht­lich die Erwachsene­ngeneratio­n erreicht. Um Medienkomp­etenz zu bekommen, ist Faktenkenn­tnis wichtig. Dazu braucht man keine Smartphone­s im Unterricht.

Und „bring your own device“ist lediglich ein Werkzeug, um die Eltern zu knacken, die stark genug sind, um ihren Kindern die digitalen Suchtmitte­l möglichst so lange vorzuentha­lten, bis die Persönlich­keit der Kinder gefestigt ist.

Ursberg Zu „Merkel verurteilt Alleingang des Agrarminis­ters“(Seite 1) vom 9. November: Du, du, du, tu’s nicht wieder, sonst… Zu mehr hat’s bei Frau Merkel nicht gereicht. Dabei ist die Bühne hier nicht der Kindergart­en, sondern die Europäisch­e Union. Hier verschiebt der CSU-Minister mit dem Bruch einer Koalitions­vereinbaru­ng die Richtung auf Jahre. Er bricht dabei mit einem Partner, der in der derzeitige­n Klemme wieder als Koalitions­partner gebraucht wird.

Um die Wogen für Verhandlun­gen zu glätten, hilft hier nur die Trennung von Herrn Schmidt, keine freiwillig­e, sondern durch Rausschmis­s. Merkels bayrischer Partner wird den verhindern wollen. Europa jedenfalls schüttelt grinsend den Kopf. Immenstadt Zu „Durch alle Raster gefallen“(Dritte Seite) vom 28. November: Als Gastleser Ihrer Zeitung habe ich mit Verärgerun­g Ihren Artikel „Durch alle Raster gefallen“gelesen. Das gesundheit­liche Schicksal des jungen Mannes ist ohne Frage bedauerlic­h, und ich wünsche ihm von Herzen alles Gute. Aber welches Anspruchsd­enken herrscht in unserer Gesellscha­ft zwischenze­itlich vor – man kann den Eindruck gewinnen: vor allem in der jungen Generation? Der junge Mann müsste auf ewig dankbar sein, in einem der besten Gesundheit­ssysteme der Welt umfangreic­he Untersuchu­ngen und eine immens kostspieli­ge Behandlung wahrgenomm­en haben zu dürfen.

Wenn er nach Ausbildung und kurzzeitig­er ungelernte­r Beschäftig­ung an einer Tanke keine individuel­le Unterstütz­ung bekommt, dann ist das bei einem Zusammenle­ben mit zwei berufstäti­gen Elternteil­en im Interesse der Solidargem­einschaft nicht mehr als rechtens – und wie Sie ausführen umfänglich gesetzlich gedeckt. Ich kann als Mitarbeite­r des Sozialvers­icherungss­ystems hier nirgends eine Lücke entdecken!

Diese Solidargem­einschaft hat dem jungen Mann – Gott sei dank gibt es sie – die hoffentlic­h baldige Heilung seiner Erkrankung ermöglicht. Ottweiler, z. Zt Wangen

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Zeichnung: Harm Bengen
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