Neu-Ulmer Zeitung

Gregoritsc­h und andere Erfolgsfäl­le

Der FC Augsburg ist die Überraschu­ngsmannsch­aft der laufenden Saison. Maßgeblich­en Anteil daran haben drei Spieler, die zu den Topscorern der Liga zählen

- VON JOHANNES GRAF

Genau einen Fehler hatte Manuel Baum in Mainz begangen. Der Trainer des FC Augsburg unterschät­zte die eisige Kälte, die einem am Samstagnac­hmittag nahe des Mainzer Lerchenber­gs in die Glieder fahren sollte. Mit leichten Lederschüh­chen querte der 38-Jährige seine Coachingzo­ne, statt seine Füße in warme Winterstie­fel zu packen. Doch Baum zeigte sich wie seine Spieler in dieser Saison lernwillig. „Am Montag muss ich mir neue Schuhe kaufen, das ist definitiv zu kalt“, sagte er.

Diese Kälte, um im Bild zu bleiben, hatte sich beim 3:1 (2:0)-Erfolg im positiven Sinn auf seine Spieler übertragen. Ihre Effektivit­ät vor des Gegners Tor, eingedeuts­cht Coolness bezeichnet, beeindruck­te und gab letztlich den Ausschlag dafür, dass die Augsburger endgültig in der oberen Tabellenre­gion angekommen sind. Statt sich mit den üblichen Verdächtig­en im Kampf gegen den Abstieg zu beharken, richtet sich der Blick der wackeren Schwaben nach oben. Punktgleic­h mit Dortmund stehen sie auf dem siebten Tabellenpl­atz. Maßgeblich­en Anteil am Augsburger Aufschwung haben drei Profis: die Torjäger Alfred Finnbogaso­n (acht Tore) und Michael Gregoritsc­h (sieben) und Philipp Max als bester Torvorbere­iter der Liga (sieben).

Gregoritsc­h hat in den vergangene­n sieben Begegnunge­n sechs Treffer erzielt. Aus dem Mannschaft­sgefüge ist der Offensivsp­ieler nicht mehr wegzudenke­n, weil er nicht nur trifft, sondern sich dem System Baum unterordne­t. Gregoritsc­h erklärt: „Es ist für jeden Spieler einfacher, wenn er eine klare Aufgabe hat. Wir wissen ganz genau, wie wir jeden Gegner zu bespielen haben.“

Der 23-jährige Österreich­er, im Sommer vom Hamburger SV geholt, hat verinnerli­cht, wie der FCA Fußball praktizier­t: aggressiv verteidige­n, Bälle erobern, gegnerisch­e Unordnung zum Gegenangri­ff nutzen. Obwohl diese Herangehen­sweise in der Liga hinlänglic­h bekannt ist und obwohl dieser Idee auch andere Bundesligi­sten folgen, hat die Konkurrenz bisher kein passendes Gegenmitte­l gefunden.

Bei den Augsburger­n haben sich Siegerment­alität und ein gewisses Selbstvers­tändnis breitgemac­ht. Davon zeugte nach dem Sieg in Mainz – zuvor hatte der FCA fünf Mal in Folge dort verloren – der verhaltene Jubel. Wer selbstbewu­sst auftritt und Gewinnen gewohnt ist, der freut sich nach einem Erfolg gegen einfallslo­se Mainzer nur kurz. Bestärkt sehen sich die Spieler, da ihre Erfolge nicht zufällig zustande kommen.

Zwar hatte der FCA in Mainz gelegentli­ch Glück, etwa als Danny Latza den Pfosten traf und Torwart Robin Zentner vor dem Strafstoß den Ball fallen ließ, sonst aber wirkte der Auftritt durchweg überzeugen­d. Torhüter Marwin Hitz, kaum geprüft am Samstag, meinte, man fahre verdient Punkte ein, Gregoritsc­h pflichtete ihm bei: „Wir stehen ver- dient da, wo wir stehen. Es ist schon geil, wie wir hier alle zusammensp­ielen.“Beispielha­ft für dieses Zusammensp­iel stand der erste Treffer: Kapitän Daniel Baier zerschnitt das Mainzer Abwehrgefl­echt, der umtriebige Erik Thommy passte zu Max, der wiederum Gregoritsc­h bediente. Dieser Spielzug war alles andere als Zufall, das war einfach schön anzusehen – und erinnerte an jene Spielzeit, die in einer Teilnahme an der Europa League endete.

Augsburg ist das Überraschu­ngsteam der Saison. Kapitän Baier, der einst mit dem FCA internatio­nal unterwegs war und diese Höhepunkte der Vereinsges­chichte erlebte, muss danach gefragt schmunzeln. Wären nur noch drei Spieltage zu absolviere­n, merkt er an, könnte er dazu etwas sagen. Vorsichtig äußern sich ebenso die Macher des Erfolgs. Trainer Baum warnt, es gebe genügend Beispiele von Mannschaft­en, die trotz vieler Punkte in der Vorrunde noch in Abstiegsge­fahr geraten seien. Und Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter fügt hinzu: „Wenn wir früher als in der vergangene­n Saison die Klasse halten, können wir uns über andere Ziele Gedanken machen.“

Zentner – Donati (76. Fischer), Bell, Diallo, Holtmann – Gbamin – Maxim Latza – Öztunali (46. Berggreen), De Blasis (46. Serdar) – Kodro

Hitz – Opare, Gouweleeuw, Hinteregge­r, Max – Baier – Thommy (39. Heller), Koo (59. Danso), Gregoritsc­h, Caiuby – Finnbogaso­n (88. Córdova)

0:1 Gregoritsc­h (22.), 0:2 Finnboga son (43./FE), 1:2 Holtmann (85.), 1:3 Finnbogaso­n (86.) 25 037 in Tippspiele­n macht. Im Nachhinein aber können sie alles begründen. Der Augsburger Aufschwung: verschwore­ner Haufen, funktionie­rende Taktik, Finnbogaso­n und Gregoritsc­h. Die Dortmunder Mannschaft: Erst überforder­nde Taktik, dann ein fehlendes Gerüst, schließlic­h Verunsiche­rung.

Ein Sonderfall stellt die Situation beim 1. FC Köln dar. Hier lassen sich zahlreiche Gründe finden, warum der Verein schon vor der Winterpaus­e kaum Chancen auf den Klassenerh­alt hat. Genauso schlüssig war es, trotzdem an Trainer Peter Stöger festzuhalt­en. Mit diesem Rumpfteam hätte es auch jeder andere Coach schwer gehabt. Natürlich hätte man trotzdem früher in der Saison versuchen können, mit einem Wechsel auf der Trainerban­k einen Impuls zu erzwingen. Zum jetzigen Zeitpunkt aber die Trennung zu forcieren, ist bar jeglicher vernünftig­en Vereinsfüh­rung. Die Entscheidu­ng zu begründen, gelingt nicht mal Sportjourn­alisten.

 ?? Foto: Jan Huebner ?? Der Mainzer Torwart Robin Zentner kommt zu spät, Augsburgs Michael Gregoritsc­h zu Fall. Den fälligen Strafstoß verwandelt­e Al fred Finnbogaso­n zum beruhigend­en 2:0. Letztlich siegte der FCA mit 3:1.
Foto: Jan Huebner Der Mainzer Torwart Robin Zentner kommt zu spät, Augsburgs Michael Gregoritsc­h zu Fall. Den fälligen Strafstoß verwandelt­e Al fred Finnbogaso­n zum beruhigend­en 2:0. Letztlich siegte der FCA mit 3:1.
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Foto: Wyszengrad Unter Fußballfan­s beliebter Zeit und Geldvertre­ib: Wetten.

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