Der Dichter der Hiesigkeit
Rebell, Randständiger, Unbeirrbarer: Peter Handke schreibt seit einem halben Jahrhundert und spaltet das Publikum in Begeisterte und Spötter. Heute wird er 75. Sein neues Werk ist wieder: Wahrnehmungskunst, handlungsarm
Mögen andere Autoren zum Jubiläum eine ehrbare Werkausgabe erhalten – Peter Handke bekommt von seinem Verlag, Suhrkamp, eine ganze Bibliothek: „Die Peter Handke Bibliothek“. Sie erscheint im Februar 2018, umfasst 14 Bände und sammelt das Schreiben des Autors, der ein singuläres Dichterleben führt, auf 11 424 Seiten. Bevor dieses Gewicht in die Welt kommt, hat Peter Handke Geburtstag. Heute wird er ein Dreivierteljahrhundert alt.
Und ein Buch, ein neues, gibt es dazu auch. Es heißt „Die Obstdiebin“– und ist eine, wenn man so will, typische Lesefrucht vom knorrigen Baum Handke, der weit verzweigt und tief verwurzelt ist. Allein, dass der Autor fast 100 Seiten braucht für ein paar hundert Meter zu Fuß von seinem Haus bis zum Pariser Vorortbahnhof von Chaville, bürgt dafür, dass auch in diesem Buch – Roman? Erzählung? Epos in jedem Fall – das Wahrnehmen und Deuten, Benennen, Wägen, Staunen und Stromern jede sowieso nebensächliche Handlung überwölbt, überragt, überwältigt, ein Vermittler, ein Künstlerfreund, ein Entdecker, Übersetzer, Fürsprecher.
Er war es, der dem Dichter Hermann Lenz zu Beachtung verhalf. Handkes Übersetzung von Romanen machte den vergessenen Franzosen Emmanuel Bove hierzulande bekannt. Wim Wenders widmet seinen neuen Bildband mit Polaroids wem? Peter Handke.
Der durchmisst in seinem neuen Buch all das, was sein Werk auszeichnet: Welthaltigkeit trifft auf den Echoraum der alten Epen. Da sind der genaue Blick, das Befragen und die Suchbewegung in der Sprache, der „hohe“, eigene Ton. Mystik und Moderne: Naturbeschreibungen (drei Seiten über die Haselnuss!) stehen neben, ja gehen einher mit der Würdigung von „banalen“Orten wie einer Kebabbude oder dem Lärm einer Durchfahrtstraße. Weltfremdheit, Kauzigkeit, Entrücktheit werden Peter Handke oft kurzsichtig vorgeworfen. Doch seine Auffassung von „Hiesigkeit“ist wirklichkeitsgesättigt und unbeirrbar, verharrend. Mehr als einmal empfiehlt er seinen Lesern, Details „nachzuschauen im Internet“. RapMusik, Mobiltelefon, der Ausnahmezustand