Neu-Ulmer Zeitung

Er hat nur seinen Job gemacht

- WeltKorres­pondent Die VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger allgemeine.de

Nicht mehr lang, und Deniz Yücel sitzt ein Jahr lang in der Türkei in Haft. Bis vor kurzem isoliert wie ein höchst gefährlich­er Schwerkrim­ineller. Ihm wurde bisher keine Möglichkei­t gegeben, sich gegenüber einem unabhängig­en Gericht zu rechtferti­gen. Er hat seinen Job gemacht, hat auch unbequeme Wahrheiten über die Türkei und ihren unumschrän­kten Führer Recep Tayyip Erdogan geschriebe­n. Das machte ihn in den Augen der türkischen Führung terrorverd­ächtig. Internatio­nale Proteste prallen an ihr ab. Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte, der in dem Fall angerufen wurde, wird von den Behörden in Ankara hingehalte­n.

Der Fall Yücel ist ein Skandal, genauso wie der der aus Ulm stammenden Journalist­in Mesale Tolu und all der anderen in der Türkei unschuldig festsitzen­den Deutschen. Wie lange sollen sie noch in der Haft leiden? teilt. „Natürlich ist es schön, dass es jetzt einen Menschen gibt, mit dem ich mich unterhalte­n kann“, schreibt Yücel.

In seinem Brief, in dem er auf viele Zuschrifte­n persönlich eingeht, bedankt er sich unter anderem für Zuspruch und Unterstütz­ung. Da er außer an seine Frau Dilek Mayatürk-Yücel, die er im April in Haft geheiratet hatte, keine Briefe versenden dürfe, wolle er mit dem öffentlich­en Brief antworten. Einer Schreiberi­n versichert er: „Das hier ist keine Folterhöll­e“. Allerdings gebe es Schikanen, die kalt und steril seien. Aus seinem Gefängnis-Alltag berichtet Yücel etwa, dass er den Strom selber bezahlen müsse, der Friseurbes­uch aber umsonst sei. Er habe seinen Schnauzbar­t abrasieren lassen, schaue am liebsten Naturfilme und versuche, seine Zelle mit getrocknet­en Chilischot­en, Dill und Petersilie aufzuhübsc­hen.

Die türkische Regierung hält die lange Untersuchu­ngshaft für gerechtfer­tigt. Das geht aus einer türkischen Stellungna­hme beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Maßnahmen gegen den Journalist­en seien „notwendig und angemessen“, heißt es darin.

Der jüngst aus der Haft in der Türkei entlassene deutsche Menschenre­chtler Peter Steudtner wandte sich mit einem offenen Brief an den Journalist­en. „Ich rufe dir zu: ,Du schaffst das!‘, heißt es darin unter anderem.

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Foto: Karlheinz Schindler, dpa Ein Foto aus dem Sommer 2016, als der Journalist Deniz Yücel noch in Berlin und in Freiheit war.

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