Liegt es an dem fehlenden Hormon Östrogen?
1,3 Mal häufiger an der Grippe als Frauen. Die Erklärung hierfür liegt nach Ansicht von Grubeck-Loebenstein im Immunsystem. Dringen Krankheitserreger in unseren Körper ein, so werden sie von Immunzellen bekämpft. Dabei wird unterschieden zwischen spezifischen und unspezifischen Immunzellen. Spezifische Immunzellen sind im Körper rar, aber sie sind im Kampf gegen einen bestimmten Erreger besonders wirksam. Bei einer Grippe sind daher spezifische Immunzellen gegen Grippeviren in unserem Körper unterwegs und bekämpfen den Erreger. Bei einer anderen Infektion kommen andere spezifische Immunzellen zum Einsatz.
Grubeck-Loebenstein hat in ihrer Forschungsarbeit herausgefunden, dass Frauen hierbei einen entscheidenden Vorteil haben: ihre Hormone. Das weibliche Hormon Östrogen fördert die Vermehrung von spezifischen Immunzellen – im Gegensatz zum männlichen Hormon Testosteron. Im ganzen Land gaben Zeitungen, Radio- oder TV-Sender daher bekannt: Den Männerschnupfen gibt es wirklich. Also alles gut, bleibt das starke Geschlecht auch das starke Geschlecht?
In der Medizin sind nicht alle dieser Meinung. Einer davon ist Rainer Kuhn, ärztlicher Direktor und Chefarzt am Klinikum für Innere Medizin am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. Geht es um den Männerschnupfen oder die Männergrippe, will er „gewisse immunolo- gische Differenzen“nicht verneinen. Aber: „Ich bin der festen Überzeugung, dass hier der Unterschied marginal ist.“Vielmehr sei der Männerschnupfen für ihn ein soziokulturelles Phänomen.
In diese Kerbe schlägt auch Hartwig Klinker, Grippeexperte und Leiter des Fachbereichs Infektiologie am Universitätsklinikum Würzburg. „Tatsächlich erkranken in Deutschland Frauen sogar etwas häufiger an der Grippe als Männer“, erklärt der Fachmann und beruft sich dabei auf Zahlen des RobertKoch-Institutes. Die Zahlen sind schwankend und unterscheiden sich nur minimal, geben dem Mediziner aber Recht.
Woher also kommt der Mythos vom Männerschnupfen? Psycholo- gisch betrachtet stelle der Mann sein Leiden zur Schau, erklärt der Bad Neustädter Mediziner Kuhn. Für ihn ein Akt der Regression, dem Rückfall in kindliches Verhalten: „Wir wollen auf den Mutterschoß zurück und getröstet werden.“Er spricht vom Phänomen des „sekundären Krankheitsgewinns“. Das heißt, Männer wollen positive Dinge aus der Erkrankung ziehen, nämlich Zuwendung und Beachtung. Für Kuhn ist dieses Verhalten ein Ergebnis der Sozialisation von Männern. Nicht nur in seinem Jahrgang, auch heute noch sei der Erziehungsansatz „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“weit verbreitet. Dies hätte natürlich auch negative Auswirkungen für Männer: „Frauen haben ein unverkrampftes Verhältnis zu