Erdogan heizt den Nahost Konflikt an
Der türkische Präsident will mit scharfen Attacken den Jerusalem-Streit nutzen, um eine Führungsrolle in der muslimischen Welt zu übernehmen. Doch sein Erfolg bleibt fraglich
Von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit OIC nahm man im Westen bislang meist nur in Fachkreisen Notiz, doch nun rückt sie mit einem Schlag ins Zentrum der Weltöffentlichkeit. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte als derzeitiger Ratsvorsitzender ein OIC-Sondertreffen einberufen, um Donald Trump eine gemeinsame Antwort der islamischen Welt entgegenzusetzen. Zwar war Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels von muslimischen Nationen kritisiert worden, allerdings in sehr unterschiedlicher Schärfe. Viele Staaten wollen es sich in der Streitfrage nicht mit den USA verderben.
Bei dem Treffen in einem Konferenzzentrum in Istanbul versuchte Erdogan deshalb, die Delegierten auf eine scharfe Linie gegenüber den USA einzuschwören. Er nannte Israel einen „Besatzungsstaat“und einen „Terrorstaat“und warf Washington vor, nicht an der Seite der friedliebenden Kräfte im Nahen Osten zu stehen. Das mache Frieden unmöglich. „Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet“, gab Erdogan den Scharfmacher.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte, die USA hätten sich als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern disqualifiziert. Trump wolle Jerusalem den Israelis zum „Geschenk“machen, ganz so, als ob der amerikanische Präsident allein über die Angelegenheit entscheiden könne. „Niemals“wieder könnten die USA beim Friedensprozess eine Rolle spielen, sagte Abbas. Schon vor der Konferenz in Istanbul hatte der Palästinenserchef diese Haltung in die Tat umgesetzt, indem er ein Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence ausschlug, der in den kommenden Tagen in Nahost erwartet wird.
So weit wie Abbas wollen andere trotz der teilweise scharfen Rhetorik nicht gehen. In der Abschlusserklärung wird zwar mit großer Symbolik Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenser-Staates anerkannt. Allerdings hat dies die OIC schon früher längst beschlossen, ebenso die nun wiederholte Forderung an die internationale Gemeinschaft, Palästina als Staat und Ost-Jerusalem als „besetzte“Palästinenser-Hauptstadt zu betrachten. Die Vertreter der 57 OIC-Mitgliedstaaten erklärten zwar ebenso Trumps Jerusalem-Ankündigung für null und nichtig. Doch anders als eine Schlüsselrolle spielt, geht offenbar eigene Wege. Noch während die Konferenz von Istanbul tagte, bestätigte der israelische Geheimdienstminister Yisrael Katz gegenüber der Zeitung Haaretz, er habe den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Israel eingeladen. Saudi-Arabien könne beim Versuch zur Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses eine entscheidende Funktion einnehmen, sagte er. Laut Medienberichten hat sich der Kronprinz bereits in der Vergangenheit mehrmals mit israelischen Regierungsvertretern getroffen.
Diese Verbindungen entsprechen dem Kalkül der Trump-Regierung in Washington. Sie will eine neue Allianz aus Saudi-Arabien, anderen Golfstaaten und Israel bilden, um gegen die Machterweiterung des gemeinsamen Gegners Iran in der Region vorgehen zu können. Die OIC oder Erdogan, der in der islamischen Welt eine Führungsrolle anstrebt, kommen in diesen Plänen nicht vor. Im Gegenteil: Erdogans Auftreten wird in den USA mit immer größerem Misstrauen verfolgt. Die „demokratische Opposition“in Venezuela ist mit dem SacharowPreis für Meinungsfreiheit des Europaparlaments ausgezeichnet worden. Parlamentspräsident Antonio Tajani übergab den Preis stellvertretend dem Präsidenten der de facto entmachteten venezolanischen Nationalversammlung, Julio Borges, und den früheren Bürgermeister von Caracas, Antonio Ledezma, der im Frühjahr 2015 mehrere Monate in Haft und anschließend unter Hausarrest war, bis er nach Spanien flüchtete.