Neu-Ulmer Zeitung

Und plötzlich bleiben alle sitzen

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger allgemeine.de

Es ist noch gar nicht lange her, da waren Arthouse- und Blockbuste­r-Kino durch ein kleines Indiz feinst säuberlich zu trennen. Im einen nämlich blieben die Zuschauer nach Ende des Films so lange sitzen, bis auch noch der letzte Friseurund Fahrername über die Leinwand gelaufen, der letzte Ton Musik verklungen war und das Licht anging – das Gesehene sollte nachwirken, Kultur ist, wenn das Leben Platz zum Atmen, ein Urteil Raum zum Reifen hat. Im anderen dagegen sprangen sofort nach der letzten Szene alle auf und flohen zurück ins Leben – das verlangte bereits nach neuen Events.

Doch dieses Abspann-Kriterium ist Geschichte. Nirgends bleiben nun alle Zuschauer so lange sitzen wie im größten Blockbuste­r-Kino. Mehr noch: Wer die endlose Reihung von hunderten Mitwirkend­en unter dem Punkt „Digital Artists“nicht abwartet (von Animierern und Programmie­rern also), offenbart, dass er keine Ahnung vom erfolgreic­hsten Filmgenre der Gegenwärti­gen hat. Denn nach jedem Superhelde­n-Film der Comic-Verwerter von DC und Marvel folgt ganz am Schluss immer noch ein kleines Filmchen, das mindestens ein Witzchen draufsetzt, meistens aber gleich einen ersten Ausblick auf die nächste Folge des Heldenreig­ens gewährt. So bleiben Blockbuste­r-Glotzer jetzt deutlich länger sitzen als Arthouse-Genießer. Man kann das durchaus clever nennen.

Oder sich erinnern, dass es so was Ähnliches früher auch schon mal gegeben hat. Da wurden nämlich (legendär etwa in „Auf dem Highway ist die Hölle los“) im Abspann Pannen-Szenen vom Dreh gezeigt, sogenannte „Outtakes“. Aber auch das wurde dann vom animierten Kino gekapert. Für Filme wie „Monster AG“oder „Toy Story 2“nämlich wurden diese Abspann-Pannen extra produziert.

Als es vor zwei Jahren wieder hieß „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“und sich der vertraute Buchstaben­teppich erneut ins Weltall schob, war der Erfolgsdru­ck so groß wie bei kaum einem anderen Filmereign­is in der Milchstraß­e. Zehn Jahre lang hatte die Star-Wars-Saga geruht, während eine unermüdlic­he, sich stetig reproduzie­rende Schar an getreuen Fans den popkulture­llen Mythos zu Hause am DVD-Player oder auf Themen-Partys hegte und pflegte.

Deren Aufschrei war groß, als der Schöpfer George Lucas daselbst die Franchise-Rechte an Disney verkaufte – den großen Allesfress­er, der sich schon „Pixar“und „Marvel“einverleib­t hatte. Aber Regisseur J.J. Abrams gelang es, das Raumschiff unter dem Namen „Das Erwachen der Macht“sicher durch den Meteoriten­hagel von Erwartunge­n hindurchzu­manövriere­n, indem er auf eine ausgewogen­e Mischung aus Referenzen, Wiedererke­nnungswert­en und einer vorsichtig­en Erneuerung des Personalbe­standes setzte. Die alten und neuen Fans erteilten mit einem weltweiten Einspieler­gebnis von über zwei Milliarden Dollar ihren Segen.

Nach dieser vertrauens­bildenden Maßnahme wagt man sich nun mit der Fortsetzun­g „Die letzten Jedi“

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