Und plötzlich bleiben alle sitzen
Es ist noch gar nicht lange her, da waren Arthouse- und Blockbuster-Kino durch ein kleines Indiz feinst säuberlich zu trennen. Im einen nämlich blieben die Zuschauer nach Ende des Films so lange sitzen, bis auch noch der letzte Friseurund Fahrername über die Leinwand gelaufen, der letzte Ton Musik verklungen war und das Licht anging – das Gesehene sollte nachwirken, Kultur ist, wenn das Leben Platz zum Atmen, ein Urteil Raum zum Reifen hat. Im anderen dagegen sprangen sofort nach der letzten Szene alle auf und flohen zurück ins Leben – das verlangte bereits nach neuen Events.
Doch dieses Abspann-Kriterium ist Geschichte. Nirgends bleiben nun alle Zuschauer so lange sitzen wie im größten Blockbuster-Kino. Mehr noch: Wer die endlose Reihung von hunderten Mitwirkenden unter dem Punkt „Digital Artists“nicht abwartet (von Animierern und Programmierern also), offenbart, dass er keine Ahnung vom erfolgreichsten Filmgenre der Gegenwärtigen hat. Denn nach jedem Superhelden-Film der Comic-Verwerter von DC und Marvel folgt ganz am Schluss immer noch ein kleines Filmchen, das mindestens ein Witzchen draufsetzt, meistens aber gleich einen ersten Ausblick auf die nächste Folge des Heldenreigens gewährt. So bleiben Blockbuster-Glotzer jetzt deutlich länger sitzen als Arthouse-Genießer. Man kann das durchaus clever nennen.
Oder sich erinnern, dass es so was Ähnliches früher auch schon mal gegeben hat. Da wurden nämlich (legendär etwa in „Auf dem Highway ist die Hölle los“) im Abspann Pannen-Szenen vom Dreh gezeigt, sogenannte „Outtakes“. Aber auch das wurde dann vom animierten Kino gekapert. Für Filme wie „Monster AG“oder „Toy Story 2“nämlich wurden diese Abspann-Pannen extra produziert.
Als es vor zwei Jahren wieder hieß „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“und sich der vertraute Buchstabenteppich erneut ins Weltall schob, war der Erfolgsdruck so groß wie bei kaum einem anderen Filmereignis in der Milchstraße. Zehn Jahre lang hatte die Star-Wars-Saga geruht, während eine unermüdliche, sich stetig reproduzierende Schar an getreuen Fans den popkulturellen Mythos zu Hause am DVD-Player oder auf Themen-Partys hegte und pflegte.
Deren Aufschrei war groß, als der Schöpfer George Lucas daselbst die Franchise-Rechte an Disney verkaufte – den großen Allesfresser, der sich schon „Pixar“und „Marvel“einverleibt hatte. Aber Regisseur J.J. Abrams gelang es, das Raumschiff unter dem Namen „Das Erwachen der Macht“sicher durch den Meteoritenhagel von Erwartungen hindurchzumanövrieren, indem er auf eine ausgewogene Mischung aus Referenzen, Wiedererkennungswerten und einer vorsichtigen Erneuerung des Personalbestandes setzte. Die alten und neuen Fans erteilten mit einem weltweiten Einspielergebnis von über zwei Milliarden Dollar ihren Segen.
Nach dieser vertrauensbildenden Maßnahme wagt man sich nun mit der Fortsetzung „Die letzten Jedi“