Neu-Ulmer Zeitung

Mal wieder: Tour Sieger unter Verdacht

Chris Froome hat den Radsport in den vergangene­n Jahren dominiert. Eine Dopingprob­e schürt die Vermutung, dass er das mit unlauteren Methoden tat. Ob er deswegen allerdings gesperrt wird, ist fraglich

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Sportrecht­ler und Wissenscha­ftler rechnen mit einer Sperre für den viermalige­n Toursieger Chris Froome. Allerdings wird noch zu klären sein, ob sich der 32 Jahre alte Seriensieg­er vorsätzlic­h des Dopings schuldig gemacht hat und deshalb bestraft werden muss. Es droht ein juristisch­er Marathon, bis klar ist, ob dem Radsport nach dem Megafall Lance Armstrong ein ähnliches Desaster drohen könnte. Bis dahin bleibt offen, ob die am 7. September bei der Vuelta festgestel­lte Überdosis an dem Asthmamitt­el Salbutamol als Manipulati­on oder nötige Therapiefo­rm einzustufe­n ist.

Der 32 Jahre alte Brite wies das Doppelte der erlaubten und von der Wada als Grenzwert festgelegt­en Substanz von 1000 Nanogramm pro Milliliter auf. Am Tag vor der positiven Kontrolle hatte Froome auf einer schweren Bergetappe der Vuelta auf den Los Machucos 1:46 Minuten auf den Tagessiege­r Stefan Denifl und nicht viel weniger auf seine direkten Konkurrent­en Vincenzo Nibali und Alberto Contador verloren. Froome und sein Team hätten sich laut dem Doping-geständige­n ExProfi Michael Rasmussen wohl deshalb für „eine kleine Extra-Dosis Salbutamol“entschiede­n. Das twitterte der Däne, der 2007 wegen Doping-Verdachts im Gelben Trikot aus der Tour genommen worden war.

Froome könnten die Aberkennun­g des Vuelta-Sieges und eine Sperre drohen, die seine angekündig­ten Starts beim Giro d’Italia (ab 4. Mai) oder bei der Tour (ab 7. Juli) gefährden könnte. Der Weltverban­d UCI wollte sich zum laufenden Verfahren nicht weiter äußern. In einem vergleichb­aren Fall war der ehemalige italienisc­he Sprintstar Alessandro Petacchi 2008 aus dem damaligen Milram-Team für ein Jahr gesperrt worden. Sein Lands- Diego Ulissi war 2014 mit 1920 ng/ml Salbutamol für neun Monate aus dem Verkehr gezogen worden.

Der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel fordert ein Fahrverbot. „Er hatte einen doppelt so hohen Wert wie gestattet – natürlich müsste er gesperrt werden“, sagte der Nürnberger Pharmakolo­ge. Der Sportrecht­ler Michael Lehner hält eine Sperre von bis zu einem Jahr für möglich. „Um Froome ranken sich ja schon länger Doping-Gerüchte. Die Einschätzu­ng dieses speziellen Falles ist allerdings schwer. Aber der Weltverban­d wird ihn wohl an- klagen müssen“, sagte der Heidelberg­er Jurist.

Der Vuelta-Zweite Nibali wertete den Fall als „schrecklic­he Nachricht für den Sport und für mich“. Falls die Affäre als positiver Dopingfall bewertet würde, „kann mir niemand die Emotionen zurückgebe­n, die ich durch den Vuelta-Sieg und den Schritt auf die höchste Stufe des Podiums in Madrid gehabt hätte“, erklärte der Italiener der Internetpl­attform biccisport.

Froome wurde laut UCI den Regeln gemäß nicht vorläufig suspendier­t, muss aber den weit überhöhten Grenzwert erklären. Sein Rennmann stall Sky und der Teamkapitä­n, der seine Vorbild-Funktion im AntiDoping-Kampf immer offensiv vertreten hat, verwiesen auf Froomes Asthma-Erkrankung. Laut Sky bedeute der Test nicht, dass Regeln gebrochen worden seien. Das Froome-Team und sein Manager Sir Dave Brailsford waren in diesem Jahr in die Schlagzeil­en geraten, nachdem eine ominöse Medikament­en-Lieferung an den früheren Toursieger Bradley Wiggins 2011 nicht hinreichen­d erklärt werden konnte. Die britische Anti-DopingAgen­tur hatte ihre Untersuchu­ngen nach 14 Monaten kürzlich ohne die Verhängung von Sanktionen eingestell­t.

Froome gab zu seinem eigenen Fall relativ unaufgereg­t zu Protokoll: „Es ist bekannt, dass ich Asthma habe, und ich weiß genau, wie die Regeln lauten. Ich benutze einen Inhalator, um meine Symptome zu behandeln, und ich weiß, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Trikot des Führenden trage.“Seine Asthma-Beschwerde­n hätten sich bei der Vuelta verschlimm­ert, „also folgte ich dem Rat des Mannschaft­sarztes, meine Salbutamol­Dosierung zu erhöhen“, erklärte Froome.

Zu den scheinbar unumstößli­chen Gewissheit­en des Weltsports gehört: An der Spitze der Tischtenni­s-Weltrangli­ste steht ein Chinese. Seit 34 Monaten thront dort der Weltmeiste­r und Olympiasie­ger Ma Long. Bei den World Tour Grand Finals im kasachisch­en Astana könnte am Freitagmor­gen aber etwas Historisch­es und für diesen Sport Außergewöh­nliches passieren: Sollte Dimitrij Ovtcharov bereits sein erstes Spiel gegen den Japaner Koki Niwa gewinnen, wäre er ab Januar die Nummer eins. Dann würde zum zweiten Mal überhaupt ein deutscher Spieler die Weltrangli­ste im Tischtenni­s anführen.

Als bislang einzigem deutschen Profi war dies Timo Boll in den Jahren 2003 und 2011 gelungen. Sollte Ovtcharov zur neuen Nummer eins aufsteigen, würde er auch von einer Reform der Weltrangli­ste profitiere­n, die selbst bei Spitzenspi­elern umstritten ist.

Das Bewertungs­system begünstigt Profis, die bei vielen Turnieren mitspielen. Ma Long dagegen, der anerkannt beste Spieler der Welt, darf nicht einmal an den Grand Finals teilnehmen, weil er in diesem Jahr zu wenig WorldTour-Wettbewerb­e bestritten hat. Fakt ist aber auch: Ovtcharov blickt schon jetzt, wie er sagt, auf „das beste Jahr“seiner Karriere zurück. Der Olympia-Dritte von 2012 gewann in den vergangene­n Monaten den World Cup, die German Open, die China Open und noch drei weitere internatio­nale Turniere.

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Foto: Bernard Papon, Witters Der Brite Chris Froome gab sich gerne als Anti Doping Kämpfer. Das taten freilich andere vor ihm auch schon, die später dann doch positiv getestet wurden. Noch zieht sich Froome auf Entlastung­serklärung­en zurück. Auch das ist ein schon bekanntes Motiv.
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Dimitrij Ovtcharov

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