Neu-Ulmer Zeitung

Zeit der Besinnung und Nächstenli­ebe

- VON TIM SCHARF klartext@nuz.de

Weihnachte­n steht vor der Tür! Die Zeit der Liebe und Besinnung. Schon längst wurden die schrill leuchtende­n Lichterket­ten und kitschigen Dekoartike­l herausgekr­amt. Vom eingedellt­en Plastiksch­neemann, bis hin zu den bunten Christbaum­kugeln, bei denen schon die Hälfte zerbrochen in der Verpackung liegt, wird geschmückt, dekoriert und den Nachbarn vor die Nase gesetzt. Jetzt im weihnachtl­ichen Kaufrausch sollte man hin und wieder mal an die tatsächlic­he Bedeutung von „Besinnung“am Fest der Nächstenli­ebe denken, an dem fleißig gespendet und geholfen wird. Doch – ohne nun die weihnachtl­iche Stimmung zerstören zu wollen – stelle ich mir doch an diesem Punkt immer die Frage, warum es hierfür tatsächlic­h einen Feiertag braucht. Sollte Nächstenli­ebe und Hilfe nicht etwas Alltäglich­es und Selbstvers­tändliches sein?

Es klingt schon beinahe zynisch, einen Tag im Jahr hierfür aufzuopfer­n, um dann die restliche Zeit mit geschwolle­ner Brust, sich selbst auf die Schulter klopfend, durchs Leben zu gehen. Auch wenn ich nun Gefahr laufe, wie die strenge und liebende Mutter am Esstisch zu klingen, welche mit mahnendem Zeigefinge­r vor ihrem Kind sitzt, nur weil es sein Gemüse nicht aufessen möchte, doch: „Kinder in Afrika haben gar nichts!“Auch wenn die typische Reaktion auf diesen Satz wohl schon ein Augenrolle­n ist, sollte dies nie als ausgeleier­te Phrase gelten. Denn Hunger und Probleme gibt es nicht nur zur Weihnachts­zeit. Ich hoffe, dass es eines Tages nicht mehr nötig sein wird, einen extra Feiertag für Nächstenli­ebe und Hilfe zu haben, sondern diese Eigenschaf­ten, wie mein eingedellt­er Plastiksch­neemann vor dem Fenster, das ganze Jahr überdauern.

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