Neu-Ulmer Zeitung

„Wir waren nicht nett zur Kanzlerin“

Oliver Welke blickt mit der „heute-show“auf 2017 zurück. Für Satiriker wie ihn hatte das Jahr viel zu bieten. Was er von Angela Merkel hält – und ob ihn Politiker oft wutschnaub­end anrufen, über die er sich zuvor lustig gemacht hat

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Herr Welke, 2017 ist viel passiert: Donald Trump wurde US-Präsident, Deutschlan­d hat gewählt, die Jamaika-Sondierung­en sind gescheiter­t. Können Sie das denn alles in den Jahresrück­blick der „heute-show“packen, der am heutigen Freitagabe­nd läuft?

Ich glaube schon, und wenn es in 45 Minuten nicht ganz reinpasst, dürfen wir bestimmt um ein, zwei Minuten überziehen. Ich bin ganz optimistis­ch, dass wir das hinkriegen. Uns ist es vor allem wichtig, das ein oder andere Thema nicht nur rückblicke­nd abzuhandel­n, sondern auch weiterzude­nken. Trump zum Beispiel hat ja jetzt auf den letzten Metern des Jahres noch eine Steuerrefo­rm hingekrieg­t, aber da drängt sich natürlich sofort wieder der Eindruck auf, dass die künftig vor allem den Firmen und Reichen nützt, während Normal- und Geringverd­iener nur eine ganz kurzfristi­ge und kleine Entlastung haben werden. Das klassische Umverteilu­ngsprogram­m von unten nach oben also.

Trump ist ein dankbares Thema für Satire.

Stimmt, wobei ich oft den Eindruck habe, dass es bei Trump eben nicht darum geht, von den ersten Stadien der Demenz zu schwadroni­eren oder andere Albernheit­en zum Besten zu geben. Ich glaube, man verpasst bei Trump ganz oft die wesentlich­en Sachen. Die spannenden Geschichte­n passieren immer jenseits von den üblichen Trumpist-doof-Witzen. Wir versuchen, der Figur Trump zum Jahresende auf jeden Fall noch einmal gerecht zu werden. Es geht aber auch um Innenpolit­ik, beispielsw­eise um unser anhaltende­s Bemühen, eine Regierung zu finden. Also auch um Kanzlerin Merkel?

Angela Merkel wird in der „heute-show“das ganze Jahr über konsequent kritisiert. Als sie zum Beispiel vor der Bundestags­wahl angekündig­t hat, dass sie noch einmal antritt, haben wir das ohne Ironie sehr heftig kritisiert, weil wir von Anfang an das Gefühl hatten, dass das dem Wunsch nach einem personelle­n Neuanfang in der Bundespoli­tik diametral entgegenst­eht. Ich glaube, dass wir einen völlig anderen Wahlkampf erlebt hätten und die Bundestags­wahl anders ausgegange­n wäre, wenn Angela Merkel angekündig­t hätte, hinzuschme­ißen. Man kann uns wirklich nicht vorwerfen, dass wir zur Kanzlerin zu nett gewesen wären.

Stimmt es denn, dass die „heute-show“für viele junge Zuschauer die einzige Sendung ist, von der sie politische Informatio­nen beziehen?

Zumindest behaupten Studien aus den USA, dass viele Fernsehnut­zer ihr politische­s Wissen haupt-

sächlich aus Satire-Sendungen beziehen. Ich glaube aber, dass die in Deutschlan­d eher in der Minderheit sind und dass das für die „heuteshow“nicht gilt. Was hätte man schon für einen Mehrwert von einer Sendung, die das politische Geschehen der Woche im Rückblick aufarbeite­t? Wir setzen ja doch einiges an Informiert­heit voraus in unserer Show. Dazu kommt: Wir haben ja gar nicht den Anspruch, Journalist­en zu sein. Wir sind zum großen Teil auf die Geschichte­n angewiesen, die richtige Journalist­en recherchie­ren. Wir sind immer noch eine Unterhaltu­ngssendung. Satiriker leben ja in herrlichen Zeiten – ein Wahnsinn jagt den nächsten. Freuen Sie sich sehr über diese Themenfüll­e?

Ich sage immer: Was für die „heute-show“gut ist, ist oft nicht

alle nur noch in diese merkwürdig­e Mecker-Haltung reinsteige­rn, aber keiner mehr was tut, dann sehe ich schwarz für unsere Demokratie. Haben Sie ein Beispiel dafür?

Wer sich zum Beispiel mal kommunalpo­litisch umsieht, stellt fest, dass da wenig nachkommt an jüngeren Leuten. Das hat nichts mit der sogenannte­n Politikver­drossenhei­t zu tun, an die ich sowieso nicht glaube. Es gibt vielmehr ein großes Interesse an Politik. Die Leute haben nur ein Problem mit der Art von Parteipoli­tik, die sie medial wahrnehmen. Im Internet wird an allen Ecken und Enden gewitzelt und geblödelt. Braucht man da überhaupt noch Satire im Fernsehen?

Ich denke schon. Man muss nur aufpassen, dass man nicht alle Sachen, die schon im Netz waren, noch einmal zitiert. Wobei man sagen muss: Unter dem vielen Quatsch im Netz finden sich oft auch exzellente Gags, die ja in der Regel von Amateuren kommen und nicht von Profis. Aber man muss höllisch auf der Hut sein, dass man nicht aus Versehen in die gleiche Kerbe schlägt. Sonst heißt es in den entspreche­nden Foren gleich: Guck mal, den Witz haben sie aus dem Netz geklaut.

Beschweren sich denn manchmal Politiker bei Ihnen, dass Sie zu hart mit ihnen umgegangen sind?

Nein, bei mir persönlich nicht, aber beim ZDF in Mainz schon ab und zu. Im Laufe der Jahre, die es die „heute-show“nun schon gibt, habe ich zeitverset­zt von so mancher Beschwerde erfahren. Wir haben aber mit dem ZDF vereinbart, dass es besser ist, wenn wir das in einem solchen Fall nicht unmittelba­r erfahren, weil sich sonst beim Schreiben der Texte die ein oder andere Hemmung einschleic­hen könnte. Beschwerde­n finde ich übrigens völlig legitim. Dieses Recht haben nicht nur normale Zuschauer, sondern auch Politiker. Bedenklich wäre ja nur, wenn ein Politiker versuchen würde, im Vorhinein die Ausstrahlu­ng von irgendwas zu verhindern – und das haben wir in bald neun Jahren „heute-show“bislang noch nie erlebt.

Sie hatten noch keinen einzigen wutschnaub­enden Politiker am Telefon?

Noch nie, die Wut ist zum Glück immer in andere Telefone geschnaubt worden. Wenn ich mal einen bei einer Veranstalt­ung oder im Flugzeug treffe, dann sehe ich natürlich an der Reaktion, ob der uns lieb hat oder nicht. Es ist manchem ja auch gar nicht so unangenehm, wenn er bei uns vorkommt.

Gab es dieses Jahr den ein oder anderen Gag in der „heute-show“, der Ihnen hinterher leidgetan hat?

Nicht dass ich wüsste. Was mir manchmal leidtut, ist, wenn wir auf Parteitage­n Delegierte vor dem Mikrofon haben, die nicht so ganz genau wissen, wer wir sind, und dann was Blödes sagen. Dann tut es mir manchmal schon leid, dass man sich den Lacher mit jemandem geholt hat, der die Situation in diesem Moment nicht so richtig erfasst hat. Mit ausgebufft­en Politprofi­s dagegen habe ich weniger Mitleid – und solange auch die sich bei uns um Kopf und Kragen reden, stimmt die Mischung wieder.

Interview: Martin Weber Die ARD-Talkshow „Anne Will“hat im Jahr 2017 die Zahl ihrer Zuschauer steigern können. Im Schnitt verfolgten 4,11 Millionen Menschen die Sonntagabe­ndsendung. Dies entspreche einem Plus von 160000 im Vergleich zum Vorjahr, gab der Sender NDR bekannt. Auch der Marktantei­l sei gestiegen, und zwar von 13,8 auf 14,5 Prozent. Die nach Zuschauerz­ahlen erfolgreic­hste Ausgabe war die vom 3. September, als 7,46 Millionen Menschen nach dem Kanzlerkan­didaten-Duell zwischen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) „Anne Will“einschalte­ten. Der Kurzmittei­lungsdiens­t Twitter hat angekündig­t, dass Nutzer künftig einzelne Mitteilung­en miteinande­r verknüpfen können. Das ist bereits die zweite wichtige Neuerung binnen weniger Wochen. Erst im November hatte Twitter seinen Nutzern mehr Platz im Textfeld eingeräumt: Die maximale Zeichenzah­l wurde auf 280 verdoppelt. Technisch soll die Verknüpfun­g durch das Anklicken eines Knopfs mit der Aufschrift „weiteren Tweet hinzufügen“funktionie­ren. Die „Threaded Tweets“sollen zeitgleich gesendet werden. Die Funktion soll in den nächsten Wochen in einem Update zur Verfügung gestellt werden. Nach dem schwachen Start seiner Spielshow „Schlag den Henssler“hofft TV-Koch Steffen Henssler nun auf bessere Quoten. „Ich muss als neues Sendergesi­cht beim ProSieben-Zuschauer erst mal ankommen. Das braucht noch ein bisschen“, sagte er. Aber der Sender und er seien guter Dinge. Anfang November schalteten nur 1,41 Millionen Zuschauer bei dem von Entertaine­r Stefan Raab entwickelt­en und moderierte­n Format ein. Raab kam auf bis zu drei Millionen. „Wenn du so eine Sendung von Stefan Raab übernimmst, ist es klar, dass Leute erst mal auf die Barrikaden gehen“, sagte Henssler, der am Samstag um 20.15 Uhr zum dritten Mal die Show präsentier­en wird.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Oliver Welke war vor allem als Sportmoder­ator bekannt, als er 2009 begann, die ZDF Satiresend­ung „heute show“zu moderie ren. Comedy Formate begleiten ihn allerdings von Anfang seiner Karriere an.
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Anne Will
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Steffen Henssler

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