Neu-Ulmer Zeitung

Das Fingerhake­ln um den Nuxit

In der letzten Kreistagss­itzung des Jahres löst das Thema noch einmal eine leidenscha­ftliche Debatte aus. Die Tonlage wird zunehmend schärfer

- VON RONALD HINZPETER

Nein, nicht immer sind der guten Dinge drei: Zum dritten Mal hat sich am Samstag der Kreistag mit dem Thema Nuxit befasst – und diesmal war der Ton deutlich schärfer als vorher. Erstmals sagte auch Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg, was aus seiner Sicht Sache ist. Im September hatte er noch so demonstrat­iv geschwiege­n, dass sich davon manche regelrecht provoziert fühlten. Auch wenn von verschiede­ner Seite die Einheit des Kreises beschworen wurde, von Einigkeit konnte keine Rede sein.

Anlass der Debatte war ein Papier des Landratsam­tes, das schlicht als „Sachstands­bericht“zur möglichen Kreisfreih­eit Neu-Ulms überschrie­ben war. Doch nach Ansicht Noerenberg­s las es sich weniger sachlich. Diese Vorlage werfe die Frage auf, ob die Kreisangeh­örigkeit NeuUlms überhaupt noch gewollt sei. Das sei sie, beteuerte Landrat Thorsten Freudenber­ger, der für seine Verhältnis­se ausgesproc­hen leidenscha­ftlich für ein gemeinsame­s „Weiter so!“focht. In dem Sachstands­papier hatte die Verwaltung einige Diskussion­spunkte der jüngeren Zeit aufgegriff­en und aus ihrer Sicht dargestell­t, etwa das Thema öffentlich­er Personenna­hverkehr (ÖPNV). Den hatte OB Noerenberg stets als ein Argument für den Nuxit angeführt: Die Stadt habe andere Bedürfniss­e als der restliche Landkreis, deshalb wolle sie den Busverkehr in eigener Regie organisier­en. Freudenber­ger argumentie­rt dagegen, das sei den NeuUlmern schon längst angeboten worden. Rechtlich sei es problemlos möglich, eine solche Aufgabe an eine Kommune zu übertragen. In Lindau, Gersthofen und Donauwörth werde das so praktizier­t. Die Stadt Neu-Ulm habe die Sache vor gut zehn Jahren aber nicht weiter verfolgt. Noerenberg konterte: „Das ärgert mich etwas.“Neu-Ulm hätte zwar die Möglichkei­t bekommen, den ÖPNV selbst in die Hand zu nehmen, hätte aber über die Kreisumlag­e den Nahverkehr im Kreis mitfinanzi­eren müssen. Das hätte zu einer Doppelbela­stung geführt. Freudenber­ger beteuerte, es gebe nichts, worüber mit ihm nicht geredet werden könne.

Der Landrat wehrte sich in der Debatte gegen laut gewordene Vorwürfe, er kämpfe nicht genug für den Zusammenha­lt des Landkreise­s. Dass ihm der Nuxit egal sei, weise er entschiede­n zurück, doch nach gültiger Rechtslage könne die Stadt den Kreis verlassen, wenn sie die Voraussetz­ungen erfülle. Er persönlich würde das massiv bedauern, denn für ihn sei das auch eine emotionale Frage – und Gefühle müssten erlaubt sein: „Oder sollen wir wie Roboter Politik machen?“

Das Thema Emotionen hatte Antje Esser in die Diskussion einge- bracht. Nach ihren eigenen Worten bedauert sie, dass mittlerwei­le mit so vielen Emotionen argumentie­rt werde. Mittlerwei­le sei auf beiden Seiten eine gewisse Verschärfu­ng und Verhärtung spürbar. Ebenso wie Noerenberg zuvor erklärte sie, dass es beim Nuxit nicht um die vergangene­n 45 gemeinsame­n Jahre mit dem Landkreis gehe, sondern um eine strategisc­he Ausrichtun­g der Stadt für die Zukunft. Sie glaubt nicht, dass nach einer Trennung Franz-Clemens Brechtel treibt ebenfalls die Angst um, dass „das, was wir uns in den vergangene­n Jahrzehnte­n erarbeitet haben, in Gefahr ist“. Er habe das Gefühl, beide Seiten könnten durch den Nuxit verlieren. Im Interesse der Region solle weiterhin zusammenge­arbeitet werden. Helmut Meisel (Grüne) sieht nach wie vor keinen Sinn in einer Trennung oder in einer „Insellösun­g“für Neu-Ulm.

Beim Thema Kreisfreih­eit geht der Riss quer durch die Fraktionen. Das zeigt sich nicht nur an Brechtel, der gegen seinen Parteifreu­nd Noerenberg argumentie­rt, und Helmut Meisel, der bei den Grünen im NeuUlmer Stadtrat Missverstä­ndnisse und „Fehlinform­ationen“sieht. Auch in der SPD haben sich zwei Lager herausgebi­ldet, selbst die Stadtratsf­raktion steht längst nicht geschlosse­n hinter dem Austrittsw­unsch der Mehrheitsg­enossen. Noch deutlicher wird es im Unterbezir­k. Dessen Vorsitzend­er KarlHeinz Brunner bekannte sich erneut vehement als „leidenscha­ftlicher Befürworte­r des Landkreise­s NeuUlm“. Er fordert, dass „der Souverän“, also die Bürgerinne­n und Bürger Neu-Ulms darüber abstimmen müssten, ob ihre Stadt aus dem Kreis herausgelö­st werde.

Am Schluss äußerte der Landrat noch einen (Weihnachts-) Wunsch: Ab und zu würde er gerne hören, „dass der Landkreis viel für NeuUlm getan hat“.

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