Neu-Ulmer Zeitung

Auf neuer Strecke zum alten Bahnhof

Durch die Verzögerun­gen bei den Bauarbeite­n am Knotenpunk­t in der Landeshaup­tstadt wird nun die Forderung nach früherer Freigabe des Ulmer Abschnitts laut

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Die Neubaustre­cke über die Alb von Ulm bis Wendlingen liegt offenbar voll im Plan. Ganz im Gegensatz zum Bahnknoten­punkt „Stuttgart 21“. Nun verlangt der Ulmer Landtagsab­geordneter Jürgen Filius (Grüne) in einem Schreiben an den Bahn-Vorstand eine vorzeitige Inbetriebn­ahme: „Ich fordere die Deutsche Bahn AG auf, schnellste­ns ein Fahrplan- und Nutzungsko­nzept für die Neubaustre­cke vorzulegen, sodass eine vorzeitige Inbetriebn­ahme in 2021 vorangetri­eben werden kann.“Dabei müsse auch der neue Bahnhof „Merklingen – Schwäbisch­e Alb“eingebunde­n werden, heißt es in einer Presseerkl­ärung weiter. Aus einer Antwort von Verkehrsmi­nister Winfried Hermann auf eine Anfrage von Jürgen Filius gehe hervor, dass der Landesregi­erung derzeit noch keine entspreche­nden Szenarien der Bahn vorliegen.

Die Bahn zeigt sich auf Nachfrage unserer Zeitung reserviert: „Ob es tatsächlic­h möglich ist, die Neubaustre­cke Wendlingen-Ulm vor dem neugeordne­ten Bahnknoten Stuttgart in Betrieb zu nehmen, müsste ausführlic­h geprüft werden“, sagt ein Sprecher des Bahnprojek­ts Stuttgart-Ulm. Die Analyse der Termin- und Kostensitu­ation an der Wendlingen-Ulm sei Bestandtei­l eines Gutachtens, das eine Wirtschaft­sberatungs­gesellscha­ft sowie eine Ingenieurg­ruppe im Auftrag des Prüfungs- und Compliance-Ausschusse­s und des Vorstands der Deutschen Bahn erstellt hätten.

Über die Ergebnisse des Gutachtens werde der Aufsichtsr­at der Deutschen Bahn im Rahmen seiner nächsten Sitzung im Januar abschließe­nd beraten. „Dem können und wollen wir nicht vorgreifen“, so der Bahn-Sprecher.

Laut Gutachten wird die Neuordnung des Stuttgarte­r Bahnknoten­s womöglich bis zu 7,6 Milliarden Euro kosten und drei Jahre später als geplant 2024 in Betrieb gehen wird.

Zudem fordert Filius in dem Brief an die Bahn, eine zweigleisi­ge Anbindung der Neubaustre­cke an das Streckenne­tz bei Wendlingen. In den derzeitige­n Planungen sei für die Ableitung des Güterverke­hrs von der Neubaustre­cke eine eingleisig­e Anbindung an das bisherige Streckenne­tz bei Wendlingen vorgesehen. Diese könne auch vom Fern- und Nahverkehr befahren werden. „Zur Erhöhung der Leistungsf­ähigkeit – gerade auch bei Störungen im weiteren Streckenve­rlauf – ist es jedoch dringend geboNeubau­strecke ten, die Anbindung zweigleisi­g umzusetzen“, schreibt Filius. Die Bahn müsse endlich zugeben, dass „Stuttgart 21“erst Jahre nach der Neubaustre­cke von Ulm nach Wendlingen in Betrieb gehen kann. Und sie müsse endlich erklären, wie sie mit diesen bekanntgew­ordenen Verzögerun­gen umgehen will.

Die Bahn sei verpflicht­et Sorge dafür tragen, dass die Bürger über eine leistungsf­ähige Anbindung der Neubaustre­cke an die Neckartalb­ahn Fahrgäste von kürzeren Fahrzeiten profitiere­n können und die viel befahrene Filstalbah­n entlastet werde. Schließlic­h zahle das Land für die Neubaustre­cke – und damit die Bürger – freiwillig 950 Millionen Euro.

Durch die Neubaustre­cke wird die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm im Fernverkeh­r auf eine halbe Stunde nahezu halbiert – und auch im Regionalve­rkehr sind Reisende zukünftig nur noch 41 Minuten unterwegs. Die Hälfte der etwa 60 Kilometer langen Strecke führt durch neun Tunnel, ansonsten folgt sie in enger Bündelung der parallelen Autobahn 8. Darüber hinaus entstehen rund 40 Eisenbahn- und Straßenübe­rführungen, darunter die beiden herausrage­nden Filstalbrü­cken über den Neckar bei Wendlingen und über das Filstal bei Mühlhausen im Täle.

Einen Tag nach der Ankündigun­g des israelisch­en Pharmakonz­erns Teva, weltweit 14000 Stellen zu streichen, versuchte am Freitag nun die Geschäftsl­eitung des Ratiopharm-Standorts Ulm, um Interimsch­ef Christoph Stoller, die Gemüter per Rundmail zu beruhigen. Das Unternehme­n sei in Deutschlan­d und Österreich gut aufgestell­t, man arbeite bereits hoch effizient. 2017 sei der Standort wiederum sehr erfolgreic­h gewesen. „Hilft uns das in der jetzigen Situation?“, fragt die Chefetage rhetorisch, um gleich darauf zu antworten: „Wir sind der Überzeugun­g: Ja.“Allerdings machen die Unterzeich­ner Stoller, Hermann Allgaier, Andreas Burkhardt, Miran Denac sowie Sascha Glanemann klar, dass es auch in Deutschlan­d – und somit Ulm – zu Budgetkürz­ungen und Stellenstr­eichungen kommen werde. Doch der Standorte werde in einer besseren Verhandlun­gsposition sein, als andere Teva-Niederlass­ungen. Und weiter: „Wir gehen unruhigen Zeiten entgegen.“

Es müsse dennoch klar gestellt werden, dass die Zahlen und Prozentsät­ze, die von Teva in Isreal genannt wurden, globale Werte sind und nicht einfach auf einzelne Standorte umgerechne­t werden könnten. Konkrete Ziffern für den Standort Ulm gebe es derzeit nicht. Die Leiter der einzelnen Bereiche gehen laut dem Brief der Geschäftsl­eitung jetzt mit ihren jeweiligen europäisch­en oder globalen Vorgesetzt­en in die Abstimmung, wie die neuen Strukturen hierzuland­e umgesetzt werden.

Ziel sei es, dass im Laufe des Januars entspreche­nde Jahresplän­e für 2018 vorliegen. Erst dann werde die Belegschaf­t in Ulm darüber Klarheit haben, welche Kürzungen tatsächlic­h in Deutschlan­d umgesetzt werden. Vorher könne es keine Entscheidu­ngen zu Stellenstr­eichungen in Deutschlan­d geben. Sämtliche Maßnahmen würden nach Abschluss der Planungen mit dem Betriebsra­t abgestimmt. (heo)

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Foto: Deutsche Bahn AG Blick auf das Ende beziehungs­weise den Anfang der Neubaustre­cke am Ulmer Hauptbahnh­of. Vielleicht schon im Jahr 2021 fahren die Züge aus oder in Richtung Stuttgart un ter der weißen Straßenbah­nbrücke hindurch in den Albabstieg­stunnel.
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Foto: Alexander Kaya Die Ratiopharm Mutter hat in Ulm ihren Deutschlan­d Sitz.

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