Die Künstler gestalteten eine ganze Kirche
geht. Beim Betrachten dieser Kunst soll man sich laut Nieraad nicht die Frage stellen, welcher Künstler welche Einschränkung habe, sondern sich von ihrer „Urkraft“beeindrucken lassen.
Outsider Art, auch Art brut („rohe Kunst“) genannt, hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt, was vielen Institutionen eine erhöhte Aufmerksamkeit verschafft hat, auch dem Atelier Goldstein. Dieses wurde 2001 gegründet, um begabten Künstlern mit Beeinträchtigungen professionelle Arbeitsbedingungen zu bieten. Die dort entstandenen Werke sind regelmäßig in internationalen Ausstellungshäusern zu sehen. Das von der Lebenshilfe finanzierte und von der Bühnenbildnerin Christiane Cuticchio geleitete Atelier betreibt seit 2013 auch eine Galerie. Vor einigen Jahren gestalteten Goldstein-Künstler den Innenraum einer ganzen Kirche in Aulhausen im Rheingau. Ein weltweit einmaliges Projekt.
Die Qualität der Arbeiten aus Frankfurt überzeugt auch im Stadthaus, wobei gleich zum Auftakt ein Klischee widerlegt wird: das, wo- Outsider-Künstler nicht von der „normalen“Kunst beeinflusst sind. Zu sehen sind sechs Holzschnitte der aus der Türkei stammenden Perihan Arpacilar, Porträts bekannter Künstlerpersönlichkeiten von Vincent van Gogh bis Joseph Beuys. Die Tierfiguren der im Oktober verstorbenen Birgit Ziegert erinnern Ausstellungskurator Raimund Kast gar an das Werk des USamerikanischen Graffiti-Künstlers Jean-Michel Basquiat. Der in Berlin geborene Juewen Zhang wiederum ist mit seinen großformatigen Kohlezeichnungen von Filmszenen und oder bekannten Persönlichkeiten nah dran am Werk des in der Ulmer Sammlung Weishaupt prominent vertretenen Kunststars Robert Longo. Die Acrylbilder der am Down- erkrankten Christa Sauer stehen als farbstarke, abstrakte Malerei keineswegs fernab gegenwärtiger Kunstproduktion. Und wie Julius Bockelt akustische Phänomene in flirrende Zeichnungen übersetzt, ist ästhetisch wie konzeptuell bemerkenswert. Im Stadthaus werden kreative Leistungen gewürdigt – und keine Menschen vorgeführt.
Freilich bezieht die Outsider Art einen großen Teil ihrer Faszination daraus, dass ihre Inspiration aus Bereichen stammt, mit der die akademische Kunst kaum etwas zu schaffen hat. Natürlich irritiert die Energie, die beispielsweise die AspergerAutistin Krause-Harder in ihre Saurierfiguren steckt. Diese sind kein ironischer Kommentar zur Gegenwart, sondern einfach Ausdruck ihnach rer Dino-Passion. Die aus Kartonabfällen gebauten Flugzeuge von Hans Jörg Georgi oder die Zukunftsstadt Stefan Häfners haben hingegen einen utopischen Unterton: Sie handeln auch davon, dass Technik und Architektur zur Rettung der Menschheit beitragen können. Ein Glaube, der heutzutage – leider – keine Konjunktur hat.
Zu den 13 Künstlern aus dem Atelier Goldstein gesellt sich einer aus der Region: Der 68-jährige Roland Kappel, der schon als Kind in die Diakonieeinrichtung Mariaberg im Landkreis Sigmaringen kam. Seit Jahrzehnten begeistert er sich für Baumaschinen und baut sie im Mariaberger „Atelier 5“als Modelle nach. „Baumis’on“nennt er seine kreative Unternehmung. Im StadtSyndrom haus-Kabinett ist ein ganzer Park seiner Bagger und Kräne aufgebaut, allesamt gefertigt aus Kleinteilen und Metallabfällen aus der an das Heim angeschlossenen Werkstatt. „Unheimlich viele“solcher Maschinen habe er schon gebaut, sagt Kappel. Man sieht diese Erfahrung sofort: erstaunlich der Detailreichtum, verblüffend der kreative Umgang mit dem Material. Roland Kappel lebt vermutlich in seiner eigenen Welt. Aber es ist sicher nicht die Schlechteste aller Welten. O
„Das Beste aus allen Welten“wird morgen, Sonntag, um 11 Uhr eröffnet. Bei der Vernissage sprechen Rüdiger Böhm (Mariaberg) und Sven Fritz (Atelier Goldstein). Danach läuft die Ausstellung bis 4. März 2018. Unter dem Motto „December Nights“steht die aktuelle Weihnachtstournee der norwegischen Sängerin Rebekka Bakken, die sie am Donnerstag, 21. Dezember, 20 Uhr, auch in die Langenauer Martinskirche führt. Norwegische Weihnachtslieder und Folksongs, aber auch ein paar winterliche Stücke aus eigener Feder und traditionelle amerikanische Christmas Songs bringt Bakken bei diesem Gastspiel auf die Bühne. Begleitet wird sie von ihrer Band: Jesper Nordenstrøm (Piano), Ola Gustavsson (Gitarre) und Rune Arnesen (Percussion). Zu dieser Tournee hat die 47-jährige Bak- ken, die als Musikerin zwischen Jazz, Folk, Blues und Pop einem internationalen Publikum bekannt geworden ist, eigenes Weihnachtsalbum aufgenommen, das exklusiv bei ihren Shows erhältlich ist. (az) O
Karten gibt es beim Bür gerbüro der Stadt Langenau, Telefon 073 45/96 22 0, und der Buchhandlung Mahr, Telefon 073 45/211 84.