Der Stern des Südens
In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Spatzen die Nummer eins. Warum ihnen tatsächlich der FV Illertissen sportlich den Rang abgelaufen hat
In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Fußballer des SSV Ulm 1846 immer noch so etwas wie die regionale Nummer eins. Was allerdings in erster Linie an ihrer Geschichte liegt, in der sie massenhaft positive wie negative Schlagzeilen produziert haben: ein Jahr Bundesliga, drei Insolvenzen, Wettskandal. Sportlich aber spielen die Spatzen inzwischen nur noch die zweite Geige. Die beste und erfolgreichste Arbeit wird eher im Stillen und in aller Bescheidenheit beim FV Illertissen geleistet. Beim regionalen Stern des Südens sozusagen.
Zur Bestätigung dieser These bedarf es gar nicht eines Blicks auf die jüngere Vergangenheit, in der Illertissen im Gegensatz zum bekannten Nachbarn zweimal im DFB-Pokal gespielt und sich dabei gegen die Bundesligisten Frankfurt und Bremen sehr ordentlich aus der Affäre gezogen hat. Auch im zu Ende gehenden Jahr hat der FVI mehr gerissen als die Ulmer: Abschlussplatz sechs in der vergangenen Saison in der bayerischen Regionalliga, die Spatzen waren in der Staffel Südwest nur Neunter. Jedwede Spekulation über unterschiedliche Stärke dieser Staffeln ist fünf Jahre nach der Neuorganisation nur noch Kaffeesatzleserei. Natürlich spielen in Bayern Mannschaften wie Buchbach, Seligenporten oder Pipinsried mit. Im Südwesten spielen Stadtallendorf, Elversberg und Steinbach. Orte also, deren Name jeder Fußballfan vor einer Auswärtsfahrt auch erst mal in das Navi eingeben muss.
In der neuen Saison hat sich der FV Illertissen schon wieder im vorderen Tabellendrittel festgesetzt, der SSV Ulm 1846 Fußball hat eine chaotische erste Halbserie hinter sich. Zum Start setzte es drei Niederlagen mit insgesamt elf Gegentoren. Trainer Stephan Baierl reichte seinen Rücktritt ein, aber auch unter dessen Nachfolger Tobias Flitsch rumpeln die Spatzen durch die Spielzeit. Der erste Sieg gelang erst am neunten Spieltag mit einem 2:0 gegen Völklingen, inzwischen hat sich die Mannschaft im Niemandsland der Tabelle eingerichtet. Beim FV Illertissen verweisen Nörgler gern auf die Tatsache, dass ein Aufstieg in die dritte Liga nicht infrage weil das Vöhlinstadion den Anforderungen nicht genügt. In Ulm muss man sich mit dem Thema aus sportlichen Gründen nicht beschäftigen.
Natürlich hat der FV Illertissen nach dem Rücktritt von Holger Bachthaler im September 2016 mit Ilija Aracic einen Trainer verpflichtet, der fachlich und menschlich ein Glücksgriff für den Verein ist und mit dem man am liebsten schon jetzt auf unbestimmte Zeit verlängern würde. Der Kroate hat in seiner aktiven Zeit in der Bundesliga und der Champions-League gespielt und vor seiner Station in Illertissen mit den Talenten des FC Augsburg und des VfB Stuttgart gearbeitet.
Dass er ein Händchen für junge Spieler hat, das hat Aracic auch bei seinem neuen Arbeitgeber bereits unter Beweis gestellt. Unter ihm wurde Alexander Nollenberger zum Stammspieler. Der Junge ist erst 20 Jahre alt und er schießt in der viertkommt, höchsten deutschen Liga Tor um Tor. Nollenberger dürfte längst auch bei vielen höherklassigen Vereinen auf dem Radar sein und es bleibt abzuwarten, wie lange er noch in Illertissen spielt. Dass der Verein einen Mann dieses Kalibers ausgebildet hat, das spricht jedenfalls dafür, dass beim bayerischen Regionalligisten auch im Nachwuchsbereich mindestens so gute Arbeit geleistet wird wie beim Südwest-Vertreter. Illertissen ist das neue Zentrum des Reitsports in der Region. In diesem Jahr gab es in der Vöhlinstadt gleich mehrere hochkarätige Veranstaltungen. Beim Springturnier Ende August sicherte sich Maximilian Weishaupt aus Jettingen den Sieg in der wichtigsten Prüfung S***. Lokalmatador Edwin Schmuck verpasste mit seinen beiden Pferden knapp das Stechen. Dafür sicherte er sich den Gesamtsieg im Bayern-Championat. Beim letzten Turnier im November in Nürnberg reichte Schmuck dazu ein zweiter Platz, das Ergebnis von Illertissen konnte er aus der Wertung streichen.