Leitartikel
Seit jeher ist die Heilige Schrift ein Buch voller Dynamik. Alle Generationen haben sie immer wieder neu mit den Erfahrungen ihrer jeweiligen Zeit abgeglichen
Es begab sich aber zu jener Zeit …“Bis in den Wortlaut haben sich Erzählungen der Bibel in unser kulturelles Gedächtnis eingeprägt. Selbst wenn sich der kindliche Glaube verflüchtigt hat, gehören diese Geschichten zum unverzichtbaren Besitz. Sie fördern unsere geistig-soziale Verwurzelung – natürlich auch mit einer gewissen Tendenz zu romantischer Verklärung und mentaler Erstarrung. Wer am Wortlaut etwas verändert, erntet empörten Protest wie von Kindern, denen die Gute-NachtGeschichte nicht so wie immer erzählt wird. Oder wie Papst Franziskus, der die Bitte im Vaterunser „Und führe uns nicht in Versuchung“verbessern möchte.
Die Bibel enthält wunderliche Worte, die jenseits der alltäglichen Erfahrung eine andere Dimension erschließen. Wie die Rede von den fünf Broten, die tausende Menschen satt machen, wie von den Dämonen, die unter Geschrei aus Besessenen ausfahren, wie vom toten Jüngling, der sich erweckt von der Bahre erhebt, oder wie von der Jungfrau Maria, die zum Jesuskind kommt. Darf man diesen erstaunlichen Geschichten als aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts trauen? Handelt es sich nicht um Mythen oder Märchen?
Wer eingesteht, dass er biblische Texte beim Wort nimmt, gilt bestenfalls als naiv und schlimmstenfalls als Fundamentalist. Tatsächlich will die Bibel mit Bedacht gelesen werden. Der Deutschen großer Bibelübersetzer Martin Luther war entsetzt, als die Bauern aus der Bibel die Rechtfertigung zum kriegerischen Aufruhr heraus lasen. Radikaler als die Bergpredigt geht es ja fast nimmer: ganz oder gar nicht, ja oder nein. Das göttliche Wort fährt – nach einem Bibelvers – schärfer als jedes Schwert durch die irdischen Verhältnisse.
Wo die Bibel zur Entscheidung ruft, hat sie so gar nichts Beschauliches mehr. Du kannst nicht beiden dienen: Gott und dem Mammon! Nicht siebenmal, sondern 77 Mal sollst du verzeihen! Solche Forderungen gehen schier über menschliche Kräfte hinaus. Und doch entwirft die Bibel das faszinierende Bild einer Menschheitsfamilie, die bei aller Fehlerhaftigkeit und Bosheit miteinander barmherzig umgeht. Geschichten wie das Gleichnis vom hilfsbereiten Samariter und vom verlorenen Sohn, der aus der selbst verschuldeten Krise heimkehren kann, haben die abendländische Kultur nachhaltig geprägt.
So eingängig die Gleichnisse auch erscheinen, braucht die Bibel die Kunst der Auslegung. Schon die Antike las biblische Texte in einem vierfachen Sinn: wörtlich, gleichnishaft, moralisch und prophetisch. Wollte man die Bibel auf eine einzige Aussage festlegen, würde man ihren Reichtum rauben. Allerdings muss man auch nicht am Wortlaut der Bibel herumdoktern, damit sie nur ja richtig verstanden werde. Klugerweise haben die Kirchen auf Ausdrucksakrobatik verzichtet, als sie jüngst sowohl die katholische Einheitsübersetzung als auch die Lutherbibel revidierten.
Die Bibel ist seit jeher ein Buch voller Dynamik. Jede Sprache, in die sie übersetzt wurde, forderte begriffliche Interpretationen. Auch jede Zeit spricht anders. Ständige Auslegung ist in die Heilige Schrift selbst hineingelegt. In den tausend Jahren ihrer Entstehung haben ihre Autoren die Überlieferung immer wieder neu gelesen. Prophetische Texte, die Gottes Strafgericht androhten, wurden ergänzt um die Zusage neuer Heilszeiten. Die eigene Gotteserfahrung wurde gespiegelt an der Tradition. In einem neuen Licht lasen die Evangelisten die Psalmen, die fünf Bücher Mose und die Propheten als Messias-Verheißungen, die erstaunlich genau auf Jesus von Nazareth zutrafen.
„Das Wort sie sollen lassen stahn“, sagte Luther. Seine Lesart aber wird stets eine zeitgemäße sein. Zu „Eine SPD Panne, die mehr sagt als tausend Worte“(Politik) vom 21. De zember: Die Sondierungen zwischen SPD und Union zielten ursprünglich also doch auf die „Arbeitsweise der Koalition“hin, auch wenn Martin Schulz in der „aktualisierten Fassung“es jetzt anders gemeint haben will. Hat der Psychoanalytiker Freud jenseitig da für etwas nachgeholfen oder spricht die SPDFraktionspressestelle nur das aus, was sich das deutsche Volk parteiübergreifend zu Weihnachten 2017 wünscht?
Schwabmünchen Zum Kommentar „Ein politischer Eier tanz“von Jürgen Marks (Seite 1) vom 21. Dezember: Ich denke, Herr Marks hätte etwas nachdenken sollen, ehe er schrieb, die SPD solle erst an das Land, dann an die Partei denken! Die Geschichte lehrt, dass es im Gegensatz zu anderen Parteien oft die Sozialdemokraten waren, die zuerst an das Land (Weimar) dachten. Dabei machten sie auch große Fehler, wie z. B. die Zustimmung zu den Kriegskrediten im Ersten Weltkrieg. Da wäre es besser gewesen, zuerst an die Partei bzw. ihre Wähler zu denken.
Augsburg Ebenfalls dazu: Warum wieder dieses einseitige SPD- und Schulz-Bashing? Die SPD wurde mit einem Fünftel der gültigen Stimmen in die Opposition gewählt; und das will sie jetzt eigentlich auch machen. Die Union will auf jeden Fall trotz krachender Wahlverluste aufgrund ihrer Machtgier wieder regieren; und das mit aller Gewalt. Wenn es also nicht anders geht, dass die GroKo wieder aktiv wird, muss auch die Union Kompromisse eingehen.
Leitershofen Zu „Ein Stall ist keine Herberge“(Wo chenend Journal) vom 16. Dezember und zum Leserbrief „Lasst die Kühe in Ruhe“vom 20. Dezember: Beim Lesen des Artikels im Wochenend-Journal habe ich mich gefreut über die Sachlichkeit und Neutralität, mit der das sicherlich emotionsgeladene Thema behandelt wurde. Auch im Leserbrief wird zu Recht auf die vorgegaukelte Idylle in der Tierhaltung durch Produktwerbung hingewiesen. Allerdings hilft die nachfolgende Polemik auch nicht weiter. Natürlich sind die Nutztiere in den Ställen dem Tode geweiht. Aber auch wir in unseren Häusern sind dem Tode geweiht. Tod gehört zum Leben. Dabei kann man streiten, was für Nutztiere wie Kühe besser ist. Entweder Jahre versorgt und gepflegt und am Nutzungsende unter Betäubung geschlachtet, oder in Ruhe gelassen, d. h. in freie Wildbahn entlassen und in kargen und kalten Wintern vom Wolf zu Tode gehetzt.
Walkertshofen Zu „Hier zahlen Frauen mehr als Män ner“(Seite 1) vom 21. Dezember: Das ist ja alles so unglaublich! Nein, nicht, dass Frauen mehr für einen Männer-Kurzhaarschnitt bezahlen müssen und auch nicht, dass das Prinzessinnen-Glitzer-Duschgel mit Einhornduft für Mädchen teurer ist als der Saubär für die Jungs. Unglaublich ist, dass Frauen überhaupt einen Männer-Kurzhaarschnitt wollen, passend zur Männerkleidung Hose, die den meisten überhaupt nicht steht. Sehen wir nicht in Kleidern viel schöner aus? Und mit längeren, weiblichen Haaren? Oder ist das gegen die Gleichberechtigung? Unglaublich ist auch, dass so viel Werbung für Dinge gemacht wird, die viel Plastikmüll produzieren und die Umwelt unserer Kinder vergiftet. Die Kosten, die auf die Kinder zukommen, sind nicht der Preis, der die Tube kostet, sondern die PlastikMikropartikel im Trinkwasser. Unglaublich ist, dass wir auf all diesen Mist hereinfallen.
Landsberg Zu „Trumps Steuer Triumph“(Wirt schaft) vom 22. Dezember: Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Weihnachtsgeschenke im Billionen-Dollar-Bereich der Allgemeinheit in Form von neuen Schulden aufgebürdet werden. So ein „Triumph“hat ein übles Geschmäckle.
Wenn jetzt Stimmen laut werden, Trumps Finanzgebaren zum Vorbild zu nehmen, so muss klar sein, dass Steuersenkungen nur dann Sinn machen, wenn sie mit einer grundlegenden Steuerreform einhergehen. Augsburg