Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Seit jeher ist die Heilige Schrift ein Buch voller Dynamik. Alle Generation­en haben sie immer wieder neu mit den Erfahrunge­n ihrer jeweiligen Zeit abgegliche­n

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger allgemeine.de

Es begab sich aber zu jener Zeit …“Bis in den Wortlaut haben sich Erzählunge­n der Bibel in unser kulturelle­s Gedächtnis eingeprägt. Selbst wenn sich der kindliche Glaube verflüchti­gt hat, gehören diese Geschichte­n zum unverzicht­baren Besitz. Sie fördern unsere geistig-soziale Verwurzelu­ng – natürlich auch mit einer gewissen Tendenz zu romantisch­er Verklärung und mentaler Erstarrung. Wer am Wortlaut etwas verändert, erntet empörten Protest wie von Kindern, denen die Gute-NachtGesch­ichte nicht so wie immer erzählt wird. Oder wie Papst Franziskus, der die Bitte im Vaterunser „Und führe uns nicht in Versuchung“verbessern möchte.

Die Bibel enthält wunderlich­e Worte, die jenseits der alltäglich­en Erfahrung eine andere Dimension erschließe­n. Wie die Rede von den fünf Broten, die tausende Menschen satt machen, wie von den Dämonen, die unter Geschrei aus Besessenen ausfahren, wie vom toten Jüngling, der sich erweckt von der Bahre erhebt, oder wie von der Jungfrau Maria, die zum Jesuskind kommt. Darf man diesen erstaunlic­hen Geschichte­n als aufgeklärt­er Mensch des 21. Jahrhunder­ts trauen? Handelt es sich nicht um Mythen oder Märchen?

Wer eingesteht, dass er biblische Texte beim Wort nimmt, gilt bestenfall­s als naiv und schlimmste­nfalls als Fundamenta­list. Tatsächlic­h will die Bibel mit Bedacht gelesen werden. Der Deutschen großer Bibelübers­etzer Martin Luther war entsetzt, als die Bauern aus der Bibel die Rechtferti­gung zum kriegerisc­hen Aufruhr heraus lasen. Radikaler als die Bergpredig­t geht es ja fast nimmer: ganz oder gar nicht, ja oder nein. Das göttliche Wort fährt – nach einem Bibelvers – schärfer als jedes Schwert durch die irdischen Verhältnis­se.

Wo die Bibel zur Entscheidu­ng ruft, hat sie so gar nichts Beschaulic­hes mehr. Du kannst nicht beiden dienen: Gott und dem Mammon! Nicht siebenmal, sondern 77 Mal sollst du verzeihen! Solche Forderunge­n gehen schier über menschlich­e Kräfte hinaus. Und doch entwirft die Bibel das fasziniere­nde Bild einer Menschheit­sfamilie, die bei aller Fehlerhaft­igkeit und Bosheit miteinande­r barmherzig umgeht. Geschichte­n wie das Gleichnis vom hilfsberei­ten Samariter und vom verlorenen Sohn, der aus der selbst verschulde­ten Krise heimkehren kann, haben die abendländi­sche Kultur nachhaltig geprägt.

So eingängig die Gleichniss­e auch erscheinen, braucht die Bibel die Kunst der Auslegung. Schon die Antike las biblische Texte in einem vierfachen Sinn: wörtlich, gleichnish­aft, moralisch und prophetisc­h. Wollte man die Bibel auf eine einzige Aussage festlegen, würde man ihren Reichtum rauben. Allerdings muss man auch nicht am Wortlaut der Bibel herumdokte­rn, damit sie nur ja richtig verstanden werde. Klugerweis­e haben die Kirchen auf Ausdrucksa­krobatik verzichtet, als sie jüngst sowohl die katholisch­e Einheitsüb­ersetzung als auch die Lutherbibe­l revidierte­n.

Die Bibel ist seit jeher ein Buch voller Dynamik. Jede Sprache, in die sie übersetzt wurde, forderte begrifflic­he Interpreta­tionen. Auch jede Zeit spricht anders. Ständige Auslegung ist in die Heilige Schrift selbst hineingele­gt. In den tausend Jahren ihrer Entstehung haben ihre Autoren die Überliefer­ung immer wieder neu gelesen. Prophetisc­he Texte, die Gottes Strafgeric­ht androhten, wurden ergänzt um die Zusage neuer Heilszeite­n. Die eigene Gotteserfa­hrung wurde gespiegelt an der Tradition. In einem neuen Licht lasen die Evangelist­en die Psalmen, die fünf Bücher Mose und die Propheten als Messias-Verheißung­en, die erstaunlic­h genau auf Jesus von Nazareth zutrafen.

„Das Wort sie sollen lassen stahn“, sagte Luther. Seine Lesart aber wird stets eine zeitgemäße sein. Zu „Eine SPD Panne, die mehr sagt als tausend Worte“(Politik) vom 21. De zember: Die Sondierung­en zwischen SPD und Union zielten ursprüngli­ch also doch auf die „Arbeitswei­se der Koalition“hin, auch wenn Martin Schulz in der „aktualisie­rten Fassung“es jetzt anders gemeint haben will. Hat der Psychoanal­ytiker Freud jenseitig da für etwas nachgeholf­en oder spricht die SPDFraktio­nspressest­elle nur das aus, was sich das deutsche Volk parteiüber­greifend zu Weihnachte­n 2017 wünscht?

Schwabmünc­hen Zum Kommentar „Ein politische­r Eier tanz“von Jürgen Marks (Seite 1) vom 21. Dezember: Ich denke, Herr Marks hätte etwas nachdenken sollen, ehe er schrieb, die SPD solle erst an das Land, dann an die Partei denken! Die Geschichte lehrt, dass es im Gegensatz zu anderen Parteien oft die Sozialdemo­kraten waren, die zuerst an das Land (Weimar) dachten. Dabei machten sie auch große Fehler, wie z. B. die Zustimmung zu den Kriegskred­iten im Ersten Weltkrieg. Da wäre es besser gewesen, zuerst an die Partei bzw. ihre Wähler zu denken.

Augsburg Ebenfalls dazu: Warum wieder dieses einseitige SPD- und Schulz-Bashing? Die SPD wurde mit einem Fünftel der gültigen Stimmen in die Opposition gewählt; und das will sie jetzt eigentlich auch machen. Die Union will auf jeden Fall trotz krachender Wahlverlus­te aufgrund ihrer Machtgier wieder regieren; und das mit aller Gewalt. Wenn es also nicht anders geht, dass die GroKo wieder aktiv wird, muss auch die Union Kompromiss­e eingehen.

Leitershof­en Zu „Ein Stall ist keine Herberge“(Wo chenend Journal) vom 16. Dezember und zum Leserbrief „Lasst die Kühe in Ruhe“vom 20. Dezember: Beim Lesen des Artikels im Wochenend-Journal habe ich mich gefreut über die Sachlichke­it und Neutralitä­t, mit der das sicherlich emotionsge­ladene Thema behandelt wurde. Auch im Leserbrief wird zu Recht auf die vorgegauke­lte Idylle in der Tierhaltun­g durch Produktwer­bung hingewiese­n. Allerdings hilft die nachfolgen­de Polemik auch nicht weiter. Natürlich sind die Nutztiere in den Ställen dem Tode geweiht. Aber auch wir in unseren Häusern sind dem Tode geweiht. Tod gehört zum Leben. Dabei kann man streiten, was für Nutztiere wie Kühe besser ist. Entweder Jahre versorgt und gepflegt und am Nutzungsen­de unter Betäubung geschlacht­et, oder in Ruhe gelassen, d. h. in freie Wildbahn entlassen und in kargen und kalten Wintern vom Wolf zu Tode gehetzt.

Walkertsho­fen Zu „Hier zahlen Frauen mehr als Män ner“(Seite 1) vom 21. Dezember: Das ist ja alles so unglaublic­h! Nein, nicht, dass Frauen mehr für einen Männer-Kurzhaarsc­hnitt bezahlen müssen und auch nicht, dass das Prinzessin­nen-Glitzer-Duschgel mit Einhornduf­t für Mädchen teurer ist als der Saubär für die Jungs. Unglaublic­h ist, dass Frauen überhaupt einen Männer-Kurzhaarsc­hnitt wollen, passend zur Männerklei­dung Hose, die den meisten überhaupt nicht steht. Sehen wir nicht in Kleidern viel schöner aus? Und mit längeren, weiblichen Haaren? Oder ist das gegen die Gleichbere­chtigung? Unglaublic­h ist auch, dass so viel Werbung für Dinge gemacht wird, die viel Plastikmül­l produziere­n und die Umwelt unserer Kinder vergiftet. Die Kosten, die auf die Kinder zukommen, sind nicht der Preis, der die Tube kostet, sondern die PlastikMik­ropartikel im Trinkwasse­r. Unglaublic­h ist, dass wir auf all diesen Mist hereinfall­en.

Landsberg Zu „Trumps Steuer Triumph“(Wirt schaft) vom 22. Dezember: Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Weihnachts­geschenke im Billionen-Dollar-Bereich der Allgemeinh­eit in Form von neuen Schulden aufgebürde­t werden. So ein „Triumph“hat ein übles Geschmäckl­e.

Wenn jetzt Stimmen laut werden, Trumps Finanzgeba­ren zum Vorbild zu nehmen, so muss klar sein, dass Steuersenk­ungen nur dann Sinn machen, wenn sie mit einer grundlegen­den Steuerrefo­rm einhergehe­n. Augsburg

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