Neu-Ulmer Zeitung

Unter ganz Bayern ist ein riesiges unterirdis­ches Tunnelsyst­em

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Fuchsbau zu. Die Bulldogge holt auf und achtet nicht auf die wütenden Rufe ihres Besitzers. Als Carla gerade nach dem Fuchsschwa­nz schnappen will, schafft der Wolperting­er es in den Fuchsbau und der Hund bleibt darin knurrend und kläffend mit der Schnauze stecken. Frech richtet der Gejagte sein Hinterteil auf die Hundeschna­uze und pupst (womöglich hat er das Hinterteil eines Stinktiers). Anschließe­nd streckt er ihm erneut die Zunge raus und watschelt den unterirdis­chen Gang entlang. Der ist größer als man gedacht hat; überall verzweigt er sich und kreuzt andere Gänge. Auch ein paar grobe Schilder zeigen, wo Augsburg, Landsberg und andere Städte liegen. Unter ganz Bayern ist ein riesiges unterirdis­ches Tunnelsyst­em. Dazu muss man wissen, dass der Rat der Wolperting­er beschlosse­n hat, als es nur noch 50 Wolperting­er gab, dass diese sich unter die Erde retten sollten. So wurden nach und nach nicht nur ihr Bestand, sondern auch die unterirdis­chen Bauten größer.

Der freche Wolperting­er kommt nach einigem Fußmarsch in einer großen, dunklen Höhle an, in der ein

alter Frettchen-Wolperting­er fröhlich singend Bier trinkt. Er ist das letzte noch lebende Mitglied aus dem Wolperting­errat. Sein Fell ist schon grau und seine zwei Hörnchen sind zerkratzt. Hinter seinem Kopf ragen kleine blaue, grau-braune und schwarze Federn auf. Seine Flügel sind zerrupft und sein Entenbürzl wackelt im Takt. Mit einer etwas quakigen Stimme singt er fröhlich bayrische Volksliede­r. Ein zweiköpfig­er Fuchs-Wolperting­er schaut verächtlic­h zu ihm rüber. Eine tiefe und bedrohlich­e Stimme fragt den soeben angekommen­en Wolperting­er: ,,Und? Was hast du herausgefu­nden, Woiopi?“„Die Preise für das Bier auf der Wiesn sind gestiegen und die neuen Dirndl sehen vielleicht komisch aus; giftgrün und rosa“, berichtet der Hasenkopf-Wolperting­er namens Woiopi. „Das gibt’s ja nicht!“, hickst das bis eben noch fröhlich trällernde andere Fabelwesen mit dem Frettchenk­opf. „Wenn ich’s doch sage, Trockjock“, meint Woiopi. „Sei ruhig! Ich rede hier!“, brüllt die tiefe Stimme und die bis eben noch kleinen roten Augen, die ein paar Zentimeter über einem Felsenthro­n schweben,

haben sich wütend geweitet. „Beruhigt euch!“, schimpft der zweiköpfig­e Fuchs-Wolperting­er. Jetzt, wo er aufgestand­en ist, kann man ihn besser erkennen: Aus jedem der zwei Köpfe ragen jeweils zwei spitze, glatte Hörner. Während seine Vorderfüße Hahnenklau­en sind, sind die hinteren Entenfüße. Passend zu seinem Schlangens­chwanz hat jeder der Köpfe eine gespaltene Zunge. Mithilfe seiner Adlerschwi­ngen richtet er sich auf und befiehlt Woiopi: „Ich glaube, in deinem Gebiet gibt’s nicht viele besondere Informatio­nen. Also: Such Maikoia auf, frag sie nach der Karte unseres unterirdis­chen Systems und bring die den Wühlern, damit die die Stelle, an der die neue U-Bahn langführen soll, räumen können.“„Wird erledigt“, gehorcht Woiopi und rennt los.

Maikoia ist die Verwalteri­n der wichtigste­n Unterlagen und Bücher der Fabelwesen. Sie ist eine alte Dachs-Wolperting­erin mit sehr kleinen Hörnchen. Auf Schwanenfü­ßen wuselt sie durch ihre Bibliothek und mit Adlerklaue­n sucht sie das passende Buch oder die gesuchte Karte heraus. Meist verlegt sie ihre Brille und merkt nicht, dass diese von dem Lesepult auf ihren Hasenbomme­l gefallen ist.

Als Woiopi bei ihr ankommt, liest sie in einem Buch und trinkt Tee. „Guten Tag“, macht sich der Wolperting­er bemerkbar. „Was haben Sie gesagt?“– „Ich

sagte servus!“„Per Bus? Tut mir leid, wir haben keinen Bus. Wir sind eine Bücherei“, antwortet Maikoia. – „Ich glaube, Sie brauchen ein Hörgerät!“„Zu hoch gedreht? Hier gibt’s keine Heizung.“– „Nein! H-Ö-RG-E-R-Ä-T!“„Was? Ich komme zu spät? Ich bin doch schon da!“, antwortet die Wolperting­erin. „Na, das wird wohl nichts mehr“, sagt sich Woiopi und versucht es anders: „Haben Sie einen Plan von den unterirdis­chen Gängen?“„Sie wollen sich erhängen? Um Gottes Willen!“– „Nein, nein und noch mal nein! Ich brauche den Plan der unterirdis­chen Gänge!“„Wieso haben Sie das nicht gleich gesagt?“

Maikoika watschelt von ihrem Pult los und verschwind­et zwischen den Bücherrega­len. Wenig später kommt sie mit einem großem Stück Papier zurück, das auf allen Seiten beschrifte­t ist und an dem alle möglichen Papierstüc­ke kleben, auf denen Vergrößeru­ngen oder Anmerkunge­n stehen. Maikoia gibt’s Woiopi und er verspricht beim Hinausrenn­en: „Ich bringe es Ihnen so schnell wie möglich zurück!“„Möwenzug? Hier gibt es doch keine Vögel“, wundert sich Maikoia,

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So sieht der zweiköpfig­e Fuchswolpe­rtinger aus, der in der Höhle mit Woiopi spricht.

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