Das war das Kinojahr 2017
Kann man noch auf ein Kinojahr zurückblicken ohne große Worte über Star Wars? Zu Beginn lief noch das erste Spin-off
zum Ende wird die achte Episode wohl noch länger laufen. Aber belassen wir’s hier dabei: Läuft eben.
Mit Abstand und über sechs Millionen Zuschauern aber am besten lief hierzulande der „Final Fack“, Teil drei von also. Auf den Plätzen:
mit gut viereinhalb und
mit rund dreieinhalb Millionen Zuschauern. Allesamt Fortsetzungen. Und das ist ja längst typisch. Im SuperheldenKosmos von Marvel und DC reihen sie sich aneinander, bei
den
…– die Leinwände verstopft mit Bewährtem. Angereichert durch Remakes:
… Seufz? Nun ja. Immerhin war der neue lustig und mit Gal Gadot als auch was zu entdecken (mit Charlize Theron in und der Übernahme von durch Heldinnen auch Indizien für ein neues Frauenbild in SexismusHollywood?). Mit hat dazu gleich ein Genre ein Remake erlebt: das Musical, wie zuletzt der Stummfilm in Hübsch. Trotzdem richtig, dass das große La-La bei den Oscars nicht komplett abräumte – wenn der Sieger dann doch auch nicht der ganz große Wurf war (besser: Ebenso wurde in Europa mit zu vielen Preisen bedacht und
mit zu wenigen. Und Deutschland? Hatte mit der
natürlich noch einen sicheren Abräumer, mit
aber auch einen starken Low-Budget-Grenzgang. Und mal wieder einen echten Fatih Akin
Der Versuch, mit im internationalen Fantasy-Dystopie-Fieber mitzuspielen, war immerhin ganz okay, wenn auch nicht Blockbustertauglich. Dass Zukunftskino auch ästhetisch mutig sein kann, zeigten dieses Jahr immerhin gleich
und Nicht zu vergessen: 2017 wurde im Kino die evolutionäre Gleichung von Menschen und Tier augenfällig. In ja, einer Fortsetzung. Aber irre. Und viel klüger als Star Wars. „Loving Vincent“ist entgegen der Werbebehauptung nicht der erste Film, der vollständig aus Ölgemälden erschaffen wurde, aber wohl der aufwendigste. 125 Künstler arbeiteten über Jahre an einem Gesamtkunstwerk, das die berühmten Bilderwelten Vincent van Goghs in 65 000 Einzel-Ölbildern auf der Kinoleinwand lebendig werden lässt. Denn der niederländische Maler (1853 – 1890) fasziniert nicht nur durch seine Kunstwerke, auch das Leben eines getriebenen, ausgeschlossenen Menschen beschäftigt immer wieder die (Film-)Kunst.
„Loving Vincent“nutzt die vielen Porträts, die van Gogh von Zeitgenossen zeichnete, um diese animiert das letzte Jahr des Künstlers nacherzählen zu lassen. Ein Jahr nach dem Tod van Goghs taucht ein Brief des Künstlers an Bruder Theo auf, den der junge PostbeamtenSohn Armand Roulin aushändigen soll. Doch Theo ist mittlerweile auch verstorben und aus Armand wird ein Detektiv, der im Dorf Auvers-sur-Oise aufklären will, woher der Maler eine Pistole hatte und wie er sich damit umbringen konnte.
Es ist tatsächlich ungemein reizvoll, wie sich die Porträts einer Wirtin, des Postboten Roulin, der schönen Tochter des Arztes Dr. Gachet und von diesem selbst mit Leben füllen. Die Spielszenen mit realen Schauspielern wurden dafür nachträglich von internationalen Künstlern in Polen übermalt. Ebenso beeindrucken auch die „Hintergründe“, die immer nur leicht bearbeiteten und animierten Landschaftsgemälde van Goghs. Seine dramatische Geschichte blitzt dabei in schwarzweißen Rückblenden auf. Das ist biografisch ausreichend unterfüttert, deutlich wird etwa das Erstaunen darüber, wie er in nur acht Jahren vom Amateur-Maler zum großen, verkannten Künstler wurde.
Allerdings wird im Hin und Her auf der Spur der Gerüchte, im Wechsel der verschiedenen Perspektiven und vor lauter Zeichnung die Figuren-Zeichnung vernachlässigt. Ein menschliches Drama ist ja durchaus vorhanden, in „Loving Vincent“(so die Signatur seiner vielen Briefe an den Bruder) wird es jedoch arg einfach erzählt. Immerhin: So viele zu Recht berühmte Gemälde auf einmal bekommt man ansonsten nur mit Anstehen in Amsterdam zu sehen.
Die Regisseure Dorota Kobielau und Hugh Welchman, die für ihre Recherche die Briefe des Künstlers benutzen konnten, erhielten den Europäischen Filmpreis 2017 in der Kategorie Bester Animationsfilm.
(1 Std. 35 Min.), Animationsfilm, GB/P 2017
★★★★✩ Als Leilas (Camelia Jordana) Bruder Mahmoud (William Lebghil) von einer Reise in den Jemen zurückkehrt, ist er ein anderer Mensch. Nicht nur sein Bart und seine Kopfbedeckung deuten auf eine Radikalisierung hin, auch sein Verhalten spricht Bände. Mahmoud reißt die Fotos von den Wänden, die eine glückliche Familie zeigen, und ersetzt sie durch ein Bildnis seines neuen, geistigen Führers. Und natürlich verbietet er seiner Schwester den Umgang mit Männern im Allgemeinen und mit ihrem Freund Armand (Félix Moati) im Besonderen.
Dabei ist es dem Studentenpaar durchaus ernst, demnächst steht ein gemeinsames Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York auf dem Programm. Aber nicht mit Mahmoud, der Armand Hausverbot erteilt und den Pass seiner Schwester verbrennt. Da ist guter Rat teuer. Um den Kontakt zur Liebsten aufrechtzuerhalten, fasst Armand den kühnen Plan, sich mit einem Niqab zu verkleiden, der nur Augen und Hände unverhüllt lässt.
Mahmoud ist entzückt, als die angebliche Freundin seiner Schwester auftaucht, die offensichtlich auf dem Pfad der Tugend wandelt. Bevor „Scheherazade“zum gemeinsamen Lernen in Leilas Zimmer verschwinden darf, lädt der Bruder sie zum Tee ein. In Gesprächen zeigt sie ein tiefes Verständnis für den Islam. Kein Wunder, dass Mahmoud bald um die Hand der verhüllten Traumfrau anhalten möchte.
Es war eine gefährliche Gratwanderung, auf die sich die im Iran aufgewachsene Autorin und Regisseurin Sou Abadi mit ihrem DebütSpielfilm begeben hat. Was in einem großen Desaster hätte enden können, ist eine der klügsten und schönsten Komödien des Kinojahres geworden. Gekonnt spielt der Film mit den Ängsten und Vorurteilen, die im Westen angesichts einer voll verschleierten Person aufkommen.
(1 Std. 27 Min.), Komödie, Frankreich 2017
★★★★★