Neu-Ulmer Zeitung

Horrorszen­en einer Ehe

Die neueste Komödie im Theater Neu-Ulm zeigt ein Paar im Kampf mit sich und anderen. Das amüsiert – und gibt zu denken

- VON PAOLO PERCOCO

Weihnachte­n ist das Fest der Liebe. Und das Theater NeuUlm? Zeigt ein Stück über eine Liebe in der Krise. Vor nahezu ausverkauf­ten Reihen hat die für fünf Molières, dem nationalen Theaterpre­is Frankreich­s, nominierte Komödie „Illusionen einer Ehe“von Eric Assous Premiere gefeiert. Die Zuschauer erlebten einen amüsanten Theaterabe­nd, der aber auch seine Schwächen hatte.

Auf der Bühne: eine sommerlich­e Terrasse, Blumen, Sonnenschi­rm, Gartenstüh­le und -tisch. Ehemann Maxime (Heinz Koch) liest Zeitung. Ehefrau Jeanne (Claudia Riese, auch für Kostüm, Bühne und Regie verantwort­lich) zupft im Sonntagskl­eid gespielt angestreng­t an den Pflanzen herum. Die gehobene Schicht frönt der inneren Leere. Da kann man ja mal ein Thema anschneide­n, dass ein bisschen Spannung in die Tristesse bringt: der Seitenspru­ng. Wann, wie oft, mit wem? Und keine Namen. Das möchte Jeanne von ihrem Angetraute­n wissen. Und schon sind wir mitten im Koch-RieseSchau­spiel-Duell. Maxime ist zwölfmal fremdgegan­gen. Mon Dieu! Jeanne nur einmal, dafür neun Monate lang. Katastroph­al!

Wer war es? Zwölf flüchtige Techtelmec­htel sind des gehörnten Mannes nach unbedeuten­d gegen eine über ein Dreivierte­ljahr andauernde Affäre. Als dann auch noch Claude (Thomas Giegerich), der schusselig­e Sportsfreu­nd im TennisOutf­it in die Geschichte stolpert, wittert der angestoche­ne Gebieter sein Opfer: wer, wenn nicht dieser? Ein scheinheil­iges Treffen im Garten ist schnell arrangiert, der Wein fließt in Mengen, und fix wird aus der Chose ein waschechte­s Verhör. Der Pegel steigt, die Masken fallen.

Es wäre kein preisgekrö­ntes Stück Theater, wenn in der zweiten Hälfte nach der Pause nicht eine gewisse Wendung ins Spiel käme. Und genau das passiert. Vom Kaiser zum König über den Prinzen zur Kröte dirigiert die Riese „ihren“Koch durch diese Inszenieru­ng. Teils etwas schleppend. Die Funken fliegen trotzdem und die Akteure haben Lacher und Applaus auf ihrer Seite. Allen voran Thomas Giegerich, der als selbstzwei­felnder Claude zunehmend betrunken von einem Trauma ins nächste stolpert, aber einen festen Abgang liefert. Kochs Maxime durchlebt es ähnlich, nur konträr im Effekt. Und die Riese als Ein-Frau- Union hat die Rolle der Jeanne erst nach Absage der ursprüngli­ch eingeplant­en Schauspiel­erin übernommen und gerät vielleicht dadurch leicht ins Trudeln.

Trotzdem: Je mehr Zeit in diesem Stück über die Liebe und ihr Fehlen vergeht, desto größer wird das Amüsement. Bis zum ziemlich gemeinen Ende, über das man noch lange nachdenken darf. O

Wieder morgen, Freitag, und übermorgen, Samstag, jeweils um 20 Uhr. Weitere Vorstellun­gen ab 12. Januar. Karten unter Telefon 0731/55 34 12 und online unter theater neu ulm.de

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Foto: Andreas Brücken Drei sind zu viel: Zwischen Maxime (Heinz Koch, links), seiner Frau Jeanne (Claudia Riese) und Claude (Thomas Giegerich) ist es komplizier­t.

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