Neu-Ulmer Zeitung

In dieser Gesellscha­ft mangelt es an Respekt

Wohin dies führen kann, zeigen die brutalen Attacken gegen Polizisten und Rettungskr­äfte. Was das Land im Innersten zusammenhä­lt

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Wer Menschen in Not hilft, lebt in diesem Land zunehmend gefährlich. Polizisten, Feuerwehrl­eute und Rettungssa­nitäter werden immer häufiger brutal attackiert. Wie erschrecke­nd weit diese Entwicklun­g schon gediehen ist, zeigte die Silvestern­acht. In Berlin, Leipzig, Stuttgart und anderen Großstädte­n wurden Polizeibea­mte und Rettungskr­äfte aus rabiaten Menschenme­ngen heraus mit Böllern und Flaschen angegriffe­n, behindert und beschimpft. Allein in Berlin, wo der Kollaps der öffentlich­en Ordnung in einigen Vierteln nicht mehr fern ist, wurden 57 Einsatzfah­rzeuge attackiert.

Derartige Ausschreit­ungen und Gewalt gegen Polizisten gibt es seit langem. Neu ist, dass sich die Aggression nun auch verstärkt gegen Sanitäter und Feuerwehrl­eute richtet, die Täter zunehmend brutaler werden und jeden Respekt vermissen lassen. Die Lage ist noch nicht so schlimm wie in Schweden oder Frankreich, wo die Polizei in vielen (muslimisch geprägten) Stadtviert­eln längst kapitulier­t hat. Doch es ist höchste Zeit, dass der Staat massiver gegen die Gewalttäte­r vorgeht und klarmacht, dass Attacken auf die Ordnungskr­äfte Attacken auf den Rechtsstaa­t selbst sind. Büßt der Staat sein Gewaltmono­pol ein, ist es auf den Straßen alsbald auch um die Sicherheit der Bürger geschehen.

Mit empörten Politikerr­eaktionen und Solidaritä­tsadressen an die bedrohten Helfer ist es nicht getan. Täter müssen dingfest gemacht und hart bestraft werden. Von einer Polizei, die dazu die Rückendeck­ung der Politik braucht (woran es häufig hapert), und von einer Justiz, die bisher viel zu lasch vorgeht und zu oft lächerlich geringe Strafen verhängt. Wenn es dazu und zur generellen Erhöhung der Sicherheit mehr Polizisten, mehr Richter und Staatsanwä­lte braucht – bitte schön. Die Dinge treiben zu lassen und die schleichen­de Erosion des Rechtsstaa­ts hinzunehme­n, käme eines Tages viel teurer zu stehen.

Mit polizeilic­hen Mitteln und Gesetzen allein ist dieser Verrohung nicht beizukomme­n. Das Problem liegt tiefer und hat letztlich mit jenem Mangel an Respekt zu tun, der sich in dieser Gesellscha­ft breitmacht. Respekt kommt von Rücksicht nehmen und bezeugt die Achtung vor der Meinung, dem Verhalten und der Leistung anderer Menschen. Der Mangel an Respekt hat viele Facetten. Die Rüpeleien in Internet-Foren, das schlechte Benehmen vieler in der Öffentlich­keit, die Herabwürdi­gung von Schwächere­n, die Fixierung auf eigene Anliegen, die Missachtun­g staatliche­r Institutio­nen und gesellscha­ftlicher Umgangsfor­men: Hinter all dem und vielem mehr steckt ein Defizit an Respekt. Der Staat kann diesen Respekt nicht erzwingen. Er muss früh eingeübt und vorgelebt werden – im Elternhaus, in Schulen, Vereinen und Betrieben, im sozialen Umfeld junger Menschen. Dass hier viel versäumt wurde und wird, bekommt die Gesellscha­ft nun zu spüren. SPDKanzler­kandidat Schulz hatte, als er zu Beginn seiner Kampagne den mangelnden Respekt beklagte, ein gutes Gespür für die drohende Schieflage. Schade, dass er dieses Thema aus den Augen verloren hat.

Die liberale, postmodern­e Gesellscha­ft neigt dazu, Respekt mit Autoritäts­gläubigkei­t zu verwechsel­n und traditione­lle Werte wie Anstand (eng verwandt mit dem Respekt) oder Höflichkei­t (einst „gute Kinderstub­e“genannt) als antiquiert­e Relikte vormoderne­r Zeiten zu betrachten. In Wahrheit jedoch gehört der Respekt vor anderen Menschen und Meinungen – wie die Solidaritä­t oder die Orientieru­ng am Gemeinwohl – zu jenem Verhalten, das die heterogene Gesellscha­ft im Innersten zusammenhä­lt. Bricht dieser Kitt weg, gerät die ganze demokratis­che, freiheitli­che Ordnung ins Rutschen. Zu „Lehrer leiden besonders oft an Burnout“(Gesundheit) vom 2. Januar: Woran das liegt? Lehrer wie Erzieher/innen werden mit immer mehr verantwort­ungsvollen Aufgaben eingedeckt und müssen gleichzeit­ig immer mehr Bürokram erledigen, für den sie nur sehr wenig Zeit zur Verfügung haben. Dazu kommt, dass die Kinder immer mehr Unterstütz­ung brauchen, immer jünger in den Kindergart­en kommen, teilweise noch gewickelt werden müssen, die Schulkinde­r immer größere Lernschwie­rigkeiten haben und die Kinder immer länger in der Einrichtun­g verweilen. Dabei hat sich die Personalsi­tuation bei Lehrern und Erziehern nicht im nötigen Maße dieser Herausford­erung angepasst. Da ist Burnout nicht weit! Die Politik ist gefragt, endlich Arbeitsbed­ingungen zu schaffen, die es möglich machen, den Aufgaben gerecht zu werden, ohne dabei selbst zu verbrennen.

Mering Zu „Mein verrücktes Leben als Bahn pendler“(Die Dritte Seite) vom 2. 1.: Danke für den Erlebnisbe­richt über die Bahnabente­uer. Der Artikel hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bin 35 Jahre mit der Bahn täglich eine gute Stunde zur Arbeitsste­lle gependelt und weiß, wie ehrlich und aufrichtig Ihr Bericht geschriebe­n ist. Diese Seite sollte zur Pflichtlek­türe aller Bahnfunkti­onäre und zuständige­n Politiker werden!

Lauterbach Zum Interview „Der PR Mann Gottes geht“(Bayern) mit Prälat Wilhelm Im kamp vom 2. Januar: So, so, der Herr Prälat hat also das Ticket zum Himmel schon gelöst. Schön für ihn, ich wünsche ihm aber, dass am Ort seiner Sehnsucht viele weibliche Engel sein werden, die ihm dann die Hölle heißmachen, weil er hier unten die katholisch­en Frauen, die Priesterin­nen werden wollen, mit heidnische­n Tempelhure­n zur Zeit Jesu verglichen hat. Solche Sprüche sind eine Unverschäm­theit – und eine schallende Ohrfeige für alle meine Kolleginne­n im evangelisc­hen Pfarramt. Dass der Herr Prälat für den Zölibat ist, mag vielleicht eine Ursache dafür sein, dass seine Fantasien so um die antiken Tempelhure­n kreisen. Falls er je in den Himmel kommt und ich unverdient­erweise auch, dann hoffe ich, dass es nicht derselbe Himmel ist. Günzburg Zum Leitartike­l „Gleichheit auf Rezept? Die Tücken der Bürgervers­icherung“von Rudi Wais am 29. Dezember: Ein sehr einseitige­r Leitartike­l. Indem Sie Probleme in den Gesundheit­ssystemen anderer Länder als Argument für die Fortführun­g des bestehende­n anführen, wird es für Patienten mit z. B. schmerzhaf­ten orthopädis­chen Problemen nicht besser, dass diese unter Umständen Monate auf eine radiologis­che Untersuchu­ng warten müssen. Dass ein chronisch Kranker in der Regel keine Chance hat, in der privaten Krankenver­sicherung aufgenomme­n zu werden und diese schwierige­n Fälle alleine der gesetzlich­en Krankenver­sicherung aufgebürde­t werden, scheint nicht erwähnensw­ert. Dass ein Standbein der Altersvers­orgung der Arbeitnehm­er, die betrieblic­he Altersvers­orgung, jetzt beitragspf­lichtig im Rahmen der gesetzlich­en Krankenver­sicherung wurde, sollte auch nicht unkommenti­ert bleiben.

Blaichach Zum selben Thema: Im Leitartike­l wird deutlich, dass die Krankenver­sicherung keiner grundlegen­den Änderung bedarf. Die Politik hat mit ihren Sparpakete­n den Ärzten und Krankenhäu­sern Fallpausch­alen und anderweiti­ge Kürzungen verordnet, sodass zumindest die Patienten der Privatkass­en einen angemessen­en Preis für die Leistungen bezahlen. Und falls es der SPD an sozialer Gerechtigk­eit liegt: Es gibt viele Bereiche, bei denen sinnvoller wäre, sie Zeit und Bedürfniss­en anzupassen.

Sonthofen Zu „Der schmutzigs­te Tag des Jahres“(Wissen) vom 23. Dezember: Wieder haben wir das Jahr mit einer prächtigen Böllerschl­acht begrüßt – zur Freude von Mensch und Tier. Im Dezibelwet­tstreit haben wir Nachbarn übertrumpf­t. Nun bereichert chinesisch­er Pyromüll unsere Gärten, Wiesen und Gewässer. Und sicher haben wir mit dem Feuerwerk in der Silvestern­acht wieder 4000 Tonnen Feinstaub produziert, etwa 15 Prozent der Menge, die der gesamte deutsche Straßenver­kehr in einem ganzen Jahr freisetzt. Aber wer möchte darauf verzichten? Schaffen wir also lieber den „dreckigen“Diesel ab.

Oberstdorf

 ?? Zeichnung: Haitzinger ?? Die heillosen drei Könige
Zeichnung: Haitzinger Die heillosen drei Könige
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany