In dieser Gesellschaft mangelt es an Respekt
Wohin dies führen kann, zeigen die brutalen Attacken gegen Polizisten und Rettungskräfte. Was das Land im Innersten zusammenhält
Wer Menschen in Not hilft, lebt in diesem Land zunehmend gefährlich. Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter werden immer häufiger brutal attackiert. Wie erschreckend weit diese Entwicklung schon gediehen ist, zeigte die Silvesternacht. In Berlin, Leipzig, Stuttgart und anderen Großstädten wurden Polizeibeamte und Rettungskräfte aus rabiaten Menschenmengen heraus mit Böllern und Flaschen angegriffen, behindert und beschimpft. Allein in Berlin, wo der Kollaps der öffentlichen Ordnung in einigen Vierteln nicht mehr fern ist, wurden 57 Einsatzfahrzeuge attackiert.
Derartige Ausschreitungen und Gewalt gegen Polizisten gibt es seit langem. Neu ist, dass sich die Aggression nun auch verstärkt gegen Sanitäter und Feuerwehrleute richtet, die Täter zunehmend brutaler werden und jeden Respekt vermissen lassen. Die Lage ist noch nicht so schlimm wie in Schweden oder Frankreich, wo die Polizei in vielen (muslimisch geprägten) Stadtvierteln längst kapituliert hat. Doch es ist höchste Zeit, dass der Staat massiver gegen die Gewalttäter vorgeht und klarmacht, dass Attacken auf die Ordnungskräfte Attacken auf den Rechtsstaat selbst sind. Büßt der Staat sein Gewaltmonopol ein, ist es auf den Straßen alsbald auch um die Sicherheit der Bürger geschehen.
Mit empörten Politikerreaktionen und Solidaritätsadressen an die bedrohten Helfer ist es nicht getan. Täter müssen dingfest gemacht und hart bestraft werden. Von einer Polizei, die dazu die Rückendeckung der Politik braucht (woran es häufig hapert), und von einer Justiz, die bisher viel zu lasch vorgeht und zu oft lächerlich geringe Strafen verhängt. Wenn es dazu und zur generellen Erhöhung der Sicherheit mehr Polizisten, mehr Richter und Staatsanwälte braucht – bitte schön. Die Dinge treiben zu lassen und die schleichende Erosion des Rechtsstaats hinzunehmen, käme eines Tages viel teurer zu stehen.
Mit polizeilichen Mitteln und Gesetzen allein ist dieser Verrohung nicht beizukommen. Das Problem liegt tiefer und hat letztlich mit jenem Mangel an Respekt zu tun, der sich in dieser Gesellschaft breitmacht. Respekt kommt von Rücksicht nehmen und bezeugt die Achtung vor der Meinung, dem Verhalten und der Leistung anderer Menschen. Der Mangel an Respekt hat viele Facetten. Die Rüpeleien in Internet-Foren, das schlechte Benehmen vieler in der Öffentlichkeit, die Herabwürdigung von Schwächeren, die Fixierung auf eigene Anliegen, die Missachtung staatlicher Institutionen und gesellschaftlicher Umgangsformen: Hinter all dem und vielem mehr steckt ein Defizit an Respekt. Der Staat kann diesen Respekt nicht erzwingen. Er muss früh eingeübt und vorgelebt werden – im Elternhaus, in Schulen, Vereinen und Betrieben, im sozialen Umfeld junger Menschen. Dass hier viel versäumt wurde und wird, bekommt die Gesellschaft nun zu spüren. SPDKanzlerkandidat Schulz hatte, als er zu Beginn seiner Kampagne den mangelnden Respekt beklagte, ein gutes Gespür für die drohende Schieflage. Schade, dass er dieses Thema aus den Augen verloren hat.
Die liberale, postmoderne Gesellschaft neigt dazu, Respekt mit Autoritätsgläubigkeit zu verwechseln und traditionelle Werte wie Anstand (eng verwandt mit dem Respekt) oder Höflichkeit (einst „gute Kinderstube“genannt) als antiquierte Relikte vormoderner Zeiten zu betrachten. In Wahrheit jedoch gehört der Respekt vor anderen Menschen und Meinungen – wie die Solidarität oder die Orientierung am Gemeinwohl – zu jenem Verhalten, das die heterogene Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Bricht dieser Kitt weg, gerät die ganze demokratische, freiheitliche Ordnung ins Rutschen. Zu „Lehrer leiden besonders oft an Burnout“(Gesundheit) vom 2. Januar: Woran das liegt? Lehrer wie Erzieher/innen werden mit immer mehr verantwortungsvollen Aufgaben eingedeckt und müssen gleichzeitig immer mehr Bürokram erledigen, für den sie nur sehr wenig Zeit zur Verfügung haben. Dazu kommt, dass die Kinder immer mehr Unterstützung brauchen, immer jünger in den Kindergarten kommen, teilweise noch gewickelt werden müssen, die Schulkinder immer größere Lernschwierigkeiten haben und die Kinder immer länger in der Einrichtung verweilen. Dabei hat sich die Personalsituation bei Lehrern und Erziehern nicht im nötigen Maße dieser Herausforderung angepasst. Da ist Burnout nicht weit! Die Politik ist gefragt, endlich Arbeitsbedingungen zu schaffen, die es möglich machen, den Aufgaben gerecht zu werden, ohne dabei selbst zu verbrennen.
Mering Zu „Mein verrücktes Leben als Bahn pendler“(Die Dritte Seite) vom 2. 1.: Danke für den Erlebnisbericht über die Bahnabenteuer. Der Artikel hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bin 35 Jahre mit der Bahn täglich eine gute Stunde zur Arbeitsstelle gependelt und weiß, wie ehrlich und aufrichtig Ihr Bericht geschrieben ist. Diese Seite sollte zur Pflichtlektüre aller Bahnfunktionäre und zuständigen Politiker werden!
Lauterbach Zum Interview „Der PR Mann Gottes geht“(Bayern) mit Prälat Wilhelm Im kamp vom 2. Januar: So, so, der Herr Prälat hat also das Ticket zum Himmel schon gelöst. Schön für ihn, ich wünsche ihm aber, dass am Ort seiner Sehnsucht viele weibliche Engel sein werden, die ihm dann die Hölle heißmachen, weil er hier unten die katholischen Frauen, die Priesterinnen werden wollen, mit heidnischen Tempelhuren zur Zeit Jesu verglichen hat. Solche Sprüche sind eine Unverschämtheit – und eine schallende Ohrfeige für alle meine Kolleginnen im evangelischen Pfarramt. Dass der Herr Prälat für den Zölibat ist, mag vielleicht eine Ursache dafür sein, dass seine Fantasien so um die antiken Tempelhuren kreisen. Falls er je in den Himmel kommt und ich unverdienterweise auch, dann hoffe ich, dass es nicht derselbe Himmel ist. Günzburg Zum Leitartikel „Gleichheit auf Rezept? Die Tücken der Bürgerversicherung“von Rudi Wais am 29. Dezember: Ein sehr einseitiger Leitartikel. Indem Sie Probleme in den Gesundheitssystemen anderer Länder als Argument für die Fortführung des bestehenden anführen, wird es für Patienten mit z. B. schmerzhaften orthopädischen Problemen nicht besser, dass diese unter Umständen Monate auf eine radiologische Untersuchung warten müssen. Dass ein chronisch Kranker in der Regel keine Chance hat, in der privaten Krankenversicherung aufgenommen zu werden und diese schwierigen Fälle alleine der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebürdet werden, scheint nicht erwähnenswert. Dass ein Standbein der Altersversorgung der Arbeitnehmer, die betriebliche Altersversorgung, jetzt beitragspflichtig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wurde, sollte auch nicht unkommentiert bleiben.
Blaichach Zum selben Thema: Im Leitartikel wird deutlich, dass die Krankenversicherung keiner grundlegenden Änderung bedarf. Die Politik hat mit ihren Sparpaketen den Ärzten und Krankenhäusern Fallpauschalen und anderweitige Kürzungen verordnet, sodass zumindest die Patienten der Privatkassen einen angemessenen Preis für die Leistungen bezahlen. Und falls es der SPD an sozialer Gerechtigkeit liegt: Es gibt viele Bereiche, bei denen sinnvoller wäre, sie Zeit und Bedürfnissen anzupassen.
Sonthofen Zu „Der schmutzigste Tag des Jahres“(Wissen) vom 23. Dezember: Wieder haben wir das Jahr mit einer prächtigen Böllerschlacht begrüßt – zur Freude von Mensch und Tier. Im Dezibelwettstreit haben wir Nachbarn übertrumpft. Nun bereichert chinesischer Pyromüll unsere Gärten, Wiesen und Gewässer. Und sicher haben wir mit dem Feuerwerk in der Silvesternacht wieder 4000 Tonnen Feinstaub produziert, etwa 15 Prozent der Menge, die der gesamte deutsche Straßenverkehr in einem ganzen Jahr freisetzt. Aber wer möchte darauf verzichten? Schaffen wir also lieber den „dreckigen“Diesel ab.
Oberstdorf