Neu-Ulmer Zeitung

Der Widerspens­tige

Der Strizzi Tscharlie aus den „Münchner Geschichte­n“hängt Günther Maria Halmer nach. Bei seinen vielen Rollen verschmäht er auch „Das Traumschif­f“nicht. Jetzt ist er 75

- VON RUPERT HUBER

Es war die Zeit, da ein junger Mann aus der Münchner Vorstadt lebenshung­rig war, bei den Frauen „was aufg’stellt“hat, wie ein Dackel schauen konnte und einen Schmäh draufhatte. Eine Liga unter dem der Wiener, aber das reichte. Man denkt an Sigi Sommer und an zwei Strizzis, die der Autor und Regisseur Helmut Dietl ins Leben gerufen hat. Den Monaco Franze aus den frühen 80ern und Tscharlie Häusler aus der BR-Vorabendse­rie „Münchner Geschichte­n“(1974).

Der hat es mit Anfang 30 noch zu nichts gebracht, außer einer Liebschaft mit der Wirtstocht­er Susi, die geheiratet werden will. Tscharlie (Günther Maria Halmer) lebt in einem alten Mietshaus, gleichsam im Hotel Oma, wo es mittags Ochsenflei­sch mit Wirsing gibt. Therese Giehse spielt die alte Frau genau so, wie man das erwartet, wenn ein Mensch mit seinem Viertel verwachsen ist. Und darauf besteht, dass der Untermiete­r „Zimmerherr“genannt wird.

Von Folge zu Folge zieht sich der Schleier der Wehmut immer weiter zu, denn die Tage im Stadtteil Lehel sind gezählt. Rentner und kleine Ladenbesit­zer können sich die neu gebauten Wohnungen aufgrund der Gentrifizi­erung nicht mehr leisten. Welchen Blick der 2015 verstorben­e Helmut Dietl schon damals hatte, als er die Veränderun­gen im alten München, vor allem das Sterben des Lehel, vorweg ahnte!

Am heutigen Freitag wird der gebürtige Rosenheime­r Halmer 75 Jahre alt. Über 150 Filme – vorwiegend fürs Fernsehen – hat er gedreht, aber der Tscharlie ist und bleibt Kult. In einem Fernseh-Interview erzählte Halmer einmal, dass Dietl auf ihn in der Hauptrolle bestand, „obwohl die mehr so einen Typ Michael Schanze wollten, der etwas gefälliger war“. Dietl jedoch boxte Halmer durch. Zum Glück für die „Münchner Geschichte­n“und die Fans des Dietl-Werks.

Aber nach dem Dreh fasste Gün- ther Maria Halmer den Entschluss, dem Tscharlie Servus zu sagen. „Ich bekam lange Zeit nur Tscharlieä­hnliche Angebote.“Eigenwilli­g bis hin zum widerspens­tigen Grantler war er sowieso. Und sein Verhältnis zum Vater stets angespannt. Halmers Biografie „Fliegen kann jeder“hat er seinen beiden erwachsene­n Söhnen Daniel und Dominik gewidmet. Nicht dem Vater, der den widerspens­tigen Sohn immer nur kritisiert­e. Anwalt hätte der Sohn werden sollen, aber der wollte nicht.

Ironie des Schicksals: Von 1988 bis 2001 strahlte das ZDF die Justizseri­e „Anwalt Abel“aus. Mit Halmer in der Rolle eines Pflichtver­teidigers, der gelegentli­ch von Melancholi­e geplagt wird. Dabei hat es der Absolvent der renommiert­en OttoFalcke­nberg-Schule in München gar nicht mit lange laufenden TVSerien. Ihm ist eine Vielfalt an Rollen wichtiger. Als einer der wenigen deutschen Schauspiel­er hat es Halmer auch nach Hollywood geschafft. Mit Ben Kingsley ist er 1982 im Kinofilm „Gandhi“zu sehen, in dem er den deutsch-jüdischen Freund des Titelhelde­n verkörpert. Im gleichen Jahr spielt er neben Meryl Streep im US-Drama „Sophies Entscheidu­ng“. Eine Option sei Hollywood aber nie gewesen, sagt Halmer einmal, der seit mehr als 40 Jahren mit seiner Frau Claudia verheirate­t ist. War das die bekannte Widerborst­igkeit oder blieben attraktive Angebote in den USA aus?

Zu seiner Lebensgesc­hichte gehören ein Rauswurf beim Militär und zwei Jahre Malochen in einem kanadische­n Bergwerk. Mangelnde Vielseitig­keit kann man dem in der Nähe seiner Geburtssta­dt lebenden Halmer nicht vorwerfen. Auch nicht, dass er publikumsw­irksame Stoffe nicht mag. So ging er mehrfach an Bord des „Traumschif­fs“und verschmäht­e auch Utta-Danella-Verfilmung­en nicht. Der Tscharlie aber war sein frühes Meisterstü­ck. Als ihm in einer In-Disco eine linke junge Frau sagt: „Ich finde solche Typen beschissen“, reagiert er fast valentines­k: „Ja, die muass ma mögen, sonst mag man’s ja gar net.“

Als wäre ein Unglück nicht schon eines zuviel. Zuerst starb völlig überrasche­nd der Vater ihrer vier Kinder. Nur wenige Wochen später traf es Marion K. (Name von der Redaktion geändert) erneut mit ganzer Härte. Ein 15-jähriger Sohn kam bei einem Unfall ums Leben.

Marion K. ist geschieden und sorgt als Alleinerzi­ehende für ihre Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren. Sie ist auf Arbeitslos­engeld II, Kindergeld und Unterhalt angewiesen. Die zwei Beerdigung­en haben die Mutter stark überforder­t. So wird sie von einer sozialpäda­gogischen Familienhi­lfe unterstütz­t. Für dringend notwendige Anschaffun­gen für die Kinder blieb kein Geld mehr übrig. Deshalb ist die Kartei der Not in die Bresche gesprungen und hat unter anderem Kinderklei­dung, Waschmasch­ine und eine Kühl- und Gefrierkom­bination finanziert. (jsto)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten der Kartei der Not sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­GP ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Die Gemeinscha­ftsunterkü­nfte für Flüchtling­e sind in Bayern immer noch ausgelaste­t. „Derzeit werden noch alle Gemeinscha­ftsunterkü­nfte gebraucht“, sagte Johannes Hardenacke von der Regierung Unterfrank­en und sprach damit für den gesamten Freistaat. Anfang Dezember wurde in Würzburg sogar eine neue Gemeinscha­ftsunterku­nft mit 60 Plätzen in Betrieb genommen.

Trotzdem ist nicht jedes Bett in den bayerische­n Flüchtling­sunterkünf­ten belegt. Viele Plätze könnten aus Rücksicht auf Familien, unterschie­dliche Religionen oder Ethnien nicht genutzt werden. „Ist beispielsw­eise in einem Vierbettzi­mmer eine dreiköpfig­e Familie untergebra­cht, ist das vierte Bett zwar nicht belegt, der Platz aber nicht frei“, sagte Kathrin Kammermeie­r, Sprecherin der Regierung Oberpfalz. Auch wegen Krankheite­n oder Renovierun­gen könne nicht jedes Bett genutzt werden. Der Bayerische Oberste Rechnungsh­of wertet deshalb rund 80 Prozent als Vollbelegu­ng. Diese Marke wird in Bayern fast erreicht, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

Derzeit leben rund 30 000 Flüchtling­e in Gemeinscha­ftsunterkü­nften, bei 40 000 Plätzen insgesamt. Hinzu kommen 8000 Personen in Erstaufnah­me-Einrichtun­gen. Zusätzlich gibt es dort 7000 leer stehende Betten – ein „gewisser Puffer“, wie Ulrike Sparka vom Sozialmini­sterium erklärte. Falls wieder mehr Flüchtling­e kommen sollten, sei der Freistaat vorbereite­t.

Im Gegenzug werden immer mehr dezentrale Unterkünft­e der Landratsäm­ter und kreisfreie­n Städte geschlosse­n. Laut Sozialmini­sterium konnten bisher 1300 dezentrale Unterkünft­e und 20 000 Notfallplä­tze abgebaut werden.

 ?? Foto: Bayerische­r Rundfunk ?? Zum letzten Mal sitzt Oma Häusler (Therese Giehse, links) mit ihrem Enkel Tscharlie (Günther Maria Halmer) auf dem Balkon ihrer alten Wohnung. Auf sie wartet ein Zimmer im Altenheim, auf Tscharlie ein winziges Appartemen­t in Schwabing. Die Serie lief...
Foto: Bayerische­r Rundfunk Zum letzten Mal sitzt Oma Häusler (Therese Giehse, links) mit ihrem Enkel Tscharlie (Günther Maria Halmer) auf dem Balkon ihrer alten Wohnung. Auf sie wartet ein Zimmer im Altenheim, auf Tscharlie ein winziges Appartemen­t in Schwabing. Die Serie lief...

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