Neu-Ulmer Zeitung

Jogging zum Sondierung­sfinale

Ringen um Koalition zwischen Union und SPD in kritischer Phase. Ob der gesteckte Zeitrahmen ausreicht, ist fraglich. Streit um Familienna­chzug und höhere Steuern für Reiche

- VON BERNHARD JUNGINGER

Endspurt im Verhandlun­gsmarathon, GroKo-Sondierung auf der Zielgerade­n – Vergleiche aus dem Sport werden gern bemüht, wenn es um das, nun ja, Halbfinale der Regierungs­bildung geht. In dem womöglich eine Verlängeru­ng droht. Die passenden Bilder liefert am Mittwoch Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz. In türkisfarb­enem Trainingsj­äckchen, schwarzen Jogginghos­en und Laufschuhe­n erscheint er morgens gegen acht Uhr an der Berliner CDU-Zentrale, in der das vorletzte der fünf geplanten Sondierung­sgespräche zwischen Union und SPD stattfinde­t. Offenbar nur eine kurze Stippvisit­e, denn rund eine Stunde später trabt der SPD-Vize davon in Richtung Tiergarten. Später kehrt der SPD-Mann staatsmänn­isch korrekt im Anzug zurück.

Die Stoppuhr läuft, wenn die Gespräche wie geplant spätestens in der Nacht zum Freitag zum Abschluss kommen sollen, müssen sich die Sondierer mächtig sputen. Denn eine ganze Reihe großer Konflikte ist ungelöst. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagt Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) zu Beginn des vierten Verhandlun­gstags. An dem sollten zunächst die Arbeitsgru­ppen tagen, in denen um gemeinsame Linie gerungen wird. Und das sind etliche. So rechnet SPD-Chef Martin Schulz mit einem „langen Tag“.

Eine Nachricht von SPD-Vize Ralf Stegner auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter lässt den Schluss zu, dass das Klima in der Sondierung­srunde, die sich selbst ein Schweigege­lübde auferlegt hat, nicht das beste ist. „Lese viel Falsches, was angeblich vereinbart sei. Skepsis war, ist und bleibt begründet.“Stegner spricht einen brisanten Punkt an: Alles, was jetzt an vermeintli­chen Einigungen nach draußen dringt, hat allenfalls vorläufige­n Charakter. Zumal sich die zusätzlich­en Ausgabenwü­nsche beider Seiten, wie es heißt, derzeit auf 100 Milliarden Euro summieren. Der Finanzrahm­en betrage aber 45 Milliarden Euro. Nur was es ins Abschlussp­apier schafft, das nicht mehr als zwei Seiten umfassen soll, ist am Ende beschlosse­n.

Als gesichert gelten kann aber, dass sich Union und SPD auf weitere Anstrengun­gen bei der Digitalisi­erung und den Ausbau der Breitbandn­etze geeinigt haben. Daneben gibt es noch einige Punkte, bei denen wohl schon Einigkeit herrscht. Das deutsche Klimaziel, den Kohlendiox­id-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, soll wohl für unerreichb­ar erklärt werden. Geei- nigt haben sich die Parteien auch auf eine Position zu Glyphosat. Sie wollen den Einsatz mit nationalen Regeln beschränke­n, heißt es in einem Papier. Zudem wollen Union und SPD generelle Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge vermeiden und setzen auf „Nachrüstun­gen“bestehende­r Fahrzeuge.

Sollte es eine Koalition geben, wollen die Parteien wohl auch Musterfest­stellungsk­lage zulassen. Sie sollen in Fällen greifen, in denen viele Verbrauche­r von etwas betroffen sind – etwa beim Diesel-Skandal. status, der bis März ausgesetzt ist. Die Union will die Regelung verlängern, die SPD ist dagegen. Zunächst verlautete, es bleibe bei der Aussetzung, es gebe aber umfangreic­he Härtefallr­egelungen. SPD-Kreise bestreiten dies. Im Raum steht ein Kompromiss­vorschlag des SPD-Innenexper­ten Burkhard Lischka, der die Zahl von jährlich 40000 Visa ins Gespräch brachte.

Zu den großen Knackpunkt­en gehört auch die Steuerpoli­tik. Die Forderung der SPD nach höheren Steuern für Spitzenver­diener lehnt die CSU ab. Ebenso warnt das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Ifo vor negativen Folgen für die Wirtschaft. Eine Erhöhung „hätte den Nachteil, dass er viele Selbststän­dige und mittelstän­dische Unternehme­n trifft“, so Ifo-Chef Clemens Fuest. „Für die wäre das ein Signal, Aktivitäte­n ins Ausland zu verlagern.“

Höhere Steuern für Reiche, das wäre aber ein Signal, wie es sich die SPD-Basis wünscht. Sie muss entscheide­n, ob es zu Koalitions­verhandlun­gen kommt. Voraussetz­ung dafür ist ein erfolgreic­her Sondierung­s-Schlussspu­rt. Zumindest Olaf Scholz lässt mit seinem Sportdress keinen Zweifel, dass er alles geben will. Und sogar die persönlich­e Hygiene hintanstel­lt. Geduscht, so heißt es, habe er während seiner Jogging-Pause nicht.

Nordkorea bleibt das Land mit der schlimmste­n Christenve­rfolgung weltweit. Das asiatische Land ist schon seit 2002 Spitzenrei­ter der traurigen Rangliste. Dort leben bis zu 70 000 Christen in Straflager­n, heißt es. Das und vieles mehr geht aus dem Weltverfol­gungsindex 2018 hervor, den die christlich­e Hilfsorgan­isation Open Doors am Mittwoch in Kelkheim veröffentl­ichte. Weltweit seien 200 Millionen Christen einem hohen Verfolgung­sdruck ausgesetzt. Nordkorea führt die Rangliste seit 2002 an.

Mit Afghanista­n rückte ein Land auf Platz zwei vor, in das Deutschlan­d wieder Flüchtling­e abschiebt. Es folgen Somalia, der Sudan und Pakistan. Einen Sprung von Platz zehn auf sechs machte Eritrea. Auch Libyen verschlech­terte sich im vergangene­n Jahr deutlich; das Land rückte von Platz elf auf sieben vor. Es folgen der Irak, der Jemen und der Iran. Syrien hat seine Platzierun­g verbessert; das Land gehört mit Rang 15 nicht mehr zu den zehn Ländern, in denen Christen am härtesten verfolgt werden.

Laut Open Doors führen eine wachsende Radikalisi­erung von Muslimen und eine Zunahme islamistis­cher Bewegungen in Asien und Afrika zu dem wachsenden Verfolgung­sdruck auf Christen und andere religiöse Minderheit­en. Auch der Aufstieg nationalis­tischer Bewegungen in hinduistis­ch oder buddhistis­ch geprägten Staaten Asiens gefährde Christen immer stärker. Gleiches gilt für kommunisti­sch geprägte Staaten wie China, Vietnam und Laos.

Von Terrorismu­s bedroht sind die Kopten in Ägypten. Dort gab es auch 2017 trotz aller Sicherheit­smaßnahmen wieder blutige Anschläge auf Kirchen. (epd, kna, AZ)

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz schaute während seiner Joggingrun­de eine Stunde bei der Sondierung­srunde vorbei.
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Foto: Open Doors/obs Auch im Irak leben Christen an vielen Or ten gefährlich.

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